Möglichkeiten der App-Monetarisierung

Früher waren Vertrieb und Monetarisierung mobiler Apps einfach. Mit dem Aufkommen des iPhones änderte sich jedoch das Benutzerverhalten radikal. Heutige Apps kosten in der Regel weitaus weniger; die Zahlungsbereitschaft der User ist außerdem um einiges geringer. Trotzdem müssen die Entwickler irgendwie leben.

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Von
  • Tam Hanna
Inhaltsverzeichnis

Früher waren Vertrieb und Monetarisierung mobiler Apps einfach. Der User lud eine Demoversion herunter – bei Gefallen kaufte er das Produkt. Bei Preisen von bis zu 60 US-Dollar pro Anwendung war das ein durchaus tragfähiges Geschäftsmodell. Mit dem Aufkommen des iPhones änderte sich das Benutzerverhalten radikal. Heutige Apps kosten in der Regel weitaus weniger; die Zahlungsbereitschaft der User ist außerdem um einiges geringer. Trotzdem müssen die Entwickler irgendwie leben.

Letztlich gibt es keine optimale Vorgehensweise zur Monetarisierung von Apps. Je nach Produkt und Kundendemographie bringt eine andere der im Folgenden geschilderten Methoden den optimalen Return on Investment. Manchmal ist es sogar am besten, eine hybride Strategie zu fahren und/oder die gewählte Vorgehensweise im Laufe der Zeit zu wechseln.

Das eingangs angesprochene Konzept der Shareware ist – trotz aller negativen Presse – ein durchaus gangbarer Weg zum Generieren von Einnahmen. Leider sind dazu einige "Sonderbedingungen" erforderlich. Als klassisches Antibeispiel für ein per Shareware monetarisiertes Produkt darf das vom Unternehmen des Autors für den Ovi Store entwickelte Spiel BallZ herhalten. Dabei handelte es sich um einen JezzBall-Klon, dessen kostenlose Version fünf Levels enthielt und danach nach einem Obolus von 3 Euro verlangte. Das ernüchternde Ergebnis kam nach einer Werbekampagne für die Free-Version: Rund 50.000 Downloads später war der Entwickler um gerade mal 100 Euro reicher. Das ist kein Einzelfall: Auch Entwickler von J2ME-Spielen berichteten für diesen Store von ähnlichen Konversionsraten.

Das liegt vermutlich daran, dass Spiele nur kurzfristig von Interesse sind. Der Spieler nutzt den Titel für einige Tage und wechselt danach zu etwas anderem. Dieser Trend ist klar an den Download-Zahlen erkennbar – sobald der Hype um ein Spiel vorbei ist, fallen die Downloads ins Bodenlose (s. Abb. 1 und 2).

Viele gewöhnliche Apps erfreuen sich konstanter Download-Zahlen ... (Abb. 1)

... während Spiele nur im Rahmen von Kampagnen leicht an den Mann zu bringen sind (Abb. 2).

Weitaus erfolgreicher lassen sich jene Produkte vermarkten, aus denen die Anwender langfristig Werte ziehen. Das sind beispielsweise Passwortmanager, Anrufrecorder oder wissenschaftliche Taschenrechner – sie verlieren auch nach längerem Einsatz nicht an Nützlichkeit. Aus diesem Grund finden sie Käufer, selbst wenn sie nicht mehr im Rampenlicht der Presse stehen.

Schon zu Zeiten des Palm OS tauschten Entwickler einige Methoden zur Optimierung der Konversionsraten aus. Die wohl wichtigste bestand darin, den Benutzer an die Applikation zu gewöhnen. Ein effizientes Mittel dazu ist, die in klassischer Shareware verwendeten Kaufaufforderungs-Dialoge (sog. Nag-Dialoge) so sparsam wie irgend möglich einzusetzen. Dadurch "vergisst" der Benutzer, dass er es mit einer Testversion zu tun hat und legt im Laufe der Zeit einen zunehmend größer werdenden Datenbestand an. Wenn die Testversion abläuft, riskiert der Nutzer den Verlust aller im Programm gespeicherten Daten. Diese Situation motiviert den Anwender zum Kauf, da es ja nicht nur um zum Test verwendete Dummy-Eingaben geht. Mittlerweile setzen einige Android-Applikationen auf diese Strategie. Im Play Store wird das Produkt dann als kostenloser Download angeboten, der Verweis auf die begrenzte Laufzeit findet sich nur im Kleingedruckten (und in einem Hinweis, der nach dem ersten Start eingeblendet wird).

Trotz der moralisch alles andere als einwandfreien Ausgangssituation funktioniert diese Methode in der Praxis gut. Die Kunden bewerten derartig monetarisierte Applikationen nicht schlechter als die transparenter gehandelte Konkurrenz.

Der Suchmaschinengigant Google lebt bestens von den durch das Werbesystem AdSense erwirtschafteten Einnahmen. Smaato ist hier als einer der ersten Anbieter für mobile Werbung zu nennen. Allerdings wurde der Durchbruch der werbefinanzierten Apps erst durch das Aufkommen preiswerter Daten-Flatrates möglich: Die PDAs der Anfangszeit hatten keine Internetverbindung und konnten somit auch keine Werbeanzeigen darstellen.

Werbefinanzierte Apps können ihren Entwicklern enorme Einnahmen verschaffen. Allerdings ist dazu eine große Anzahl loyaler Nutzer erforderlich, die im Idealfall in Nordamerika und/oder Europa angesiedelt sind. Das liegt daran, dass Klicks in diesen Staaten von den meisten Werbenetzwerken weitaus besser vergütet werden – ein Klick in Deutschland kann sich finanziell wie zehn Klicks in Vietnam auswirken.

Auch beim Design der Applikation fordert Werbung ihren Tribut. Desto sichtbarer ein Banner platziert ist, desto mehr Interesse erregt er beim Endanwender. Daraus folgt, dass die Werbung nach Möglichkeit "in den Spielfluss" integriert werden sollte. Manche Entwickler gehen sogar noch weiter. Hinter dem in der Werbeindustrie als "fat finger clicks" bezeichneten Phänomen steht das einfache Konzept der geschickten Bannerplatzierung. Touchscreens sind für ihre Ungenauigkeit bekannt – wenn der Banner genau neben einer häufig angeklickten Schaltfläche ist, kann sich der User in der Hektik schon einmal verklicken.

In den Quartalszahlen von Zynga fand sich vor einigen Monaten sogar ein expliziter Verweis auf die Taktik. Es ist allerdings nur eine Frage der Zeit, bis die diversen Werbenetzwerke sich dieses Problems annehmen. Agenturen sind nicht daran interessiert, Entwicklern für diese ungültigen Klicks Geld zu überweisen. Deshalb fordern sie von den Anbietern Abhilfe – diese reagieren darauf mit diversen technischen Kniffen wie dem Anfordern eines Doppeltaps.

Ein weiterer wichtiger Aspekt ist die Zielgruppenansprache der Anzeigen. Heutige Werbenetzwerke agieren als "Broker", die zwischen mehreren tausend Entwicklern und Werbekunden als Makler tätig sind. Zum Erreichen eines bestmöglichen Ergebnisses für Nutzer und Anzeige ist es erforderlich, so viele Informationen (Stichwort Standort) wie möglich weiterzuleiten. Wer die Privatsphäre seiner Nutzer schützt, bekommt unter Umständen weniger (oder schlechter bezahlte) Anzeigen ausgeliefert – auch hier eine Austauschbeziehung, die je nach Produkttyp anders ausfällt.

Viele Power-User empfinden Werbeanzeigen als störend. Deshalb entstand die Idee, Kunden eine Sonderversion ohne Werbeanzeigen zu verkaufen. Value Added Services sind eine Weiterentwicklung dieses Konzepts. Dabei bieten Softwarehersteller ihren Kunden eine Basisdienstleistung kostenlos an – wer zusätzliche Services in Anspruch nehmen möchte, muss einen kleinen (oder größeren) Obolus entrichten.

Der Vorteil dieses Vorgehens ist, dass man den Betrag je nach Nutzwert des jeweiligen Features festlegen kann. So würde ein Rüstungsingenieur gerne jeden Monat 50 Euro bezahlen, wenn er seine Baupläne fortan sicher per Internet übertragen kann – ein Preis, der für einen Teenie schon ein kleines Vermögen darstellt.