Ehemaliger Telekom-Austria-Manager ist erster Kronzeuge Ă–sterreichs

Der frühere stellvertretende Festnetz-Chef der Telekom Austria, Gernot Schieszler, profitiert in der Korruptionsaffäre des Unternehmens als erster Österreicher überhaupt von einer neuen Kronzeugenregelung.

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25 kriminelle Vorgänge bei der Telekom Austria (TA) hatte Gernot Schieszler handschriftlich notiert, Überschrift: "Life Insurance". Schieszler war bei dem teilstaatlichen Konzern stellvertretender Festnetz-Chef und, bis zur einer Mobbing-Affäre, Personalvorstand gewesen. Bei einer Hausdurchsuchung wurde die "Life Insurance" gefunden. Der Ex-Manager packte aus und erzählte den Ermittlern, wie die TA Gesetze oder Verordnungen gekauft, Aktienkurse manipuliert, Parteien finanziert und andere Schmiergelder gezahlt hat.

Im Gegenzug für seine Mitarbeit bei der Strafverfolgung in der Korruptionsaffäre in dem Unternehmen profitiert er als erster Österreicher überhaupt von einer neuen Kronzeugenregelung: Schieszler muss nicht ins Gefängnis, sondern nur 120 Stunden gemeinnützige Arbeit verrichten und der Telekom Austria 300.000 Euro ersetzen. Diesen Betrag hat er bereits auf einem Treuhandkonto hinterlegt. Zivilrechtlich hat die TA allerdings einen wesentlich höheren Anspruch, über den noch verhandelt wird.

In einem Interview mit der ORF-Sendung Report, das am Dienstagabend ausgestrahlt wurde, äußerte sich Schieszler zu seiner Rolle: "Wie gehe ich damit um, dass ich straffrei bin, und dass andere nicht straffrei ausgehen? Das ist eine Frage, die mich wahrscheinlich mein ganzes Leben beschäftigen wird." Er sei Täter, wollte dann aber Gutes tun. Seine Informationen hätten die Ermittlungen unterstützt und weitere Dinge ans Tageslicht befördert.

"Herr Schieszler, wie wird man kriminell?", wollte ORF-Journalist Martin Pusch wissen. "Das habe ich mich auch oft gefragt", antwortete der erste Kronzeuge der Republik. Nach einer Nachdenkpause fügte er hinzu: "Indem, zu einer gewissen Zeit, der Zweck die Mittel heiligt, in Kombination mit einem System, dass das nicht nur fördert, sondern auch einfordert." Fast kein Tag sei vergangen, an dem nicht aus einem öffentlichen oder halböffentlichen, politischen Bereich Anfragen nach finanziellen Zuwendungen oder gezielter Protektion gekommen seien. Die TA-Manager hätten so ihre Netzwerke gepflegt: "Wenn jemand etwas gebraucht hat, hat er es bekommen, damit andere Rahmenbedingungen wieder so waren, dass das Unternehmen mehr Gewinn macht."

Für ihn selbst sei der "persönliche Karriereeifer" maßgeblich gewesen, dem er alles andere untergeordnet habe. Zunächst sei er erschüttert gewesen, wie korrupt das politische System Österreichs ist. "Irgendwann stumpfen Sie dann so ab, dass Sie sagen: 'OK, das ist das System.'"

Auch aufgrund der Angaben Schieszlers wurden im Februar drei andere ehemalige TA-Manager nicht rechtskräftig zu mehrjährigen Haftstrafen verurteilt: Ex-Finanzchef Stefano Colombo erhielt dreieinhalb Jahre, der ehemalige Festnetzchef Rudolf Fischer drei Jahre Haft. Josef Trimmel, bei der TA früher für Geschäfte mit anderen Netzbetreibern zuständig, wurde zu drei Jahren, davon zwei Jahre bedingt, verurteilt. Mehrere weitere Gerichtsprozesse laufen oder werden vorbereitet. (anw)