Zweieinhalb deutsche Teams im Finale der Urban Challenge

Statt der ursprünglich vorgesehenen 20 Finalisten hat die Darpa nur 11 Teilnehmer für den Endlauf um die Urban Challenge am Samstag nominiert.

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Von
  • Hans-Arthur Marsiske

"Klasse, drei deutsche Teams im Finale", sagte Sebastian Thrun strahlend. Ganz ernst gemeint war das nicht, denn dabei hatte er sein eigenes Team von der Stanford University mitgezählt. Das besteht zwar zur Hälfte aus deutschsprachigen Mitgliedern und wird von Volkswagen unterstützt, aber ist eben doch das Team einer US-amerikanischen Universität. "Gleichwohl werden wir häufig als deutsches Team wahrgenommen", so Thrun.

Die Stanforder hatten bereits vorgestern erfahren, dass sie bei der Darpa Urban Challenge für autonome Fahrzeuge im Stadtverkehr zu den Finalteilnehmern gehören. Auch das Team CarOLO von der TU Braunschweig war bereits vorzeitig informiert worden. Die Teams AnnieWay und Lux mussten dagegen bis gestern Vormittag 11 Uhr zittern, als die endgültigen Finalteilnehmer bekannt gegeben wurden.

Darpa-Chef Tony Tether machte es spannend. Er sagte zunächst nur, dass keine 20 Fahrzeuge im Finale seien, verriet aber nicht die exakte Zahl. "Es ist eine Primzahl", sagte er lediglich. Dann nannte er zunächst die sechs Teams, die sich schon zuvor qualifiziert hatten: Victor Tango, CarOLO, Ben Franklin, Cornell, Stanford Racing und Tartan Racing. Was danach kam, war wirklich eine Neuigkeit. Nacheinander bat Tether die Leiter folgender Teams auf die Bühne, um ein Nummernschild für ihren Wagen in Empfang zu nehmen: MIT, UCF, das deutsche Team AnnieWay und Intelligent Vehicle Systems. Dann machte er eine Pause. "Ich glaube, das wars." Wer mitgezählt hatte, wusste: Das war keine Primzahl. In gespieltem Entsetzen stöhnte Tether: "Oje, mein Alptraum: Oshkosh!" Der Truckhersteller ist hier mit einem monströsen Fahrzeug angetreten. Viele hatten bezweifelt, dass er in den teilweise engen Straßen überhaupt sicher fahren könnte. Aber offensichtlich konnte der Truck-Roboter die Jury überzeugen.

150 Mitarbeiter hätten bei den Halbfinaltests Daten erhoben, erläuterte Tether auf einer anschließenden Pressekonferenz. Die letzte Entscheidung habe aber bei ihm gelegen. Deswegen habe er sich auch möglichst viele Tests mit eigenen Augen angesehen. Das oberste Kriterium sei Sicherheit gewesen. Ein persönliches Erlebnis von Tether mag dabei mit zum Ausschluss des Teams Lux aus Hamburg beigetragen haben: Er saß in einem Begleitfahrzeug, das dem Hamburger Wagen auf dem Feld B folgte, wo die Navigation und der Umgang mit Hindernissen in einem verzweigten Straßennetz geprobt wurde. Plötzlich machte das Lux-Fahrzeug eine Wende und kam Tethers Auto, das auf der linken Spur fuhr, frontal entgegen. Erst ungefähr zwei Meter vor dem Zusammenprall konnte es gestoppt werden.

Im Finale am Samstagmorgen ist eine fast 100 km lange Strecke auf einem Testkurs zurückzulegen. Die Darpa gibt die Route mit GPS-Wegemarken und digitalen Karten vor. Die Roboterfahrzeuge müssen selbstständig navigieren und auf dem simulierten Straßenverlauf die kalifornischen Verkehrsregeln einhalten. Die Fahrbahnen sind teilweise durch Linien markiert, teilweise durch Betonwände begrenzt. Alle selbstfahrenden Autos werden sich gleichzeitig auf der Strecke befinden. Dazu kommen rund 50 Darpa-Autos, die von professionellen Stunt-Fahrern gesteuert werden, um innerörtliche Verkehrsverhältnisse zu simulieren. Fußgänger, Radfahrer oder andere Verkehrsteilnehmer sind allerdings nicht vorgesehen.

Auf ein-, zwei- und vierspurigen Straßen müssen Kreisverkehr, 4-Wege-Kreuzungen mit Stoppschildern, blockierte Fahrbahnen und Einfädelsituationen erfolgreich navigiert werden. Auch sicheres Einparken und das Überholen von langsameren Fahrzeugen werden verlangt. Die rund 100 km sind in unter 6 Stunden zurückzulegen. Die benötigte Zeit ist nur einer der Erfolgsfaktoren, da Unsicherheiten und Fahrfehler vom Darpa-Schiedsgericht mit Zeitstrafen belegt werden. Ein genaues Bewertungsschema gibt der Veranstalter nicht an. Die offizielle Sprachregelung sieht vor, dass die Roboter "sicheren Betrieb und regelgerechtes Verhalten in urbanen Verkehrssituationen" demonstrieren müssen. Daher sind auch keine detaillierten Resultate zu erhalten, wie die Qualifikation oder Nicht-Qualifikation ermittelt wurde.

Einen fließenden Verkehr mit mehreren Roboterfahrzeugen und zusätzlich 50 menschlichen Fahrern hat es bisher nicht gegeben. "Ich warte auf den Tag, wenn zwei Roboter direkt aufeinander zu fahren", sagte Tether zum Abschluss. "Ich bin sehr gespannt, wie sie mit der Situation umgehen werden."

Zur Urban Challenge siehe auch:

Zur Bedeutung der Wettbewerbe für die Forschung siehe auch:

Zur ersten und zweiten Grand Challenge 2005 und 2003 siehe auch:

(Hans-Arthur Marsiske) / (anw)