Wehklagen über neue Top Level Domains

Große Firmen, Medienkonglomerate und Wirtschaftsverbände hegen wegen Marken- und Namensrechten schwere Bedenken gegen die Einführung neuer Adresszonen im Internet, mit der nahezu beliebige Begriffe als TLD möglich werden sollen.

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Von
  • Monika Ermert

Zahlreiche große Unternehmen und Verbände fordern von der Internet-Verwaltung ICANN (Internet Corporation for Assigned Names and Numbers), die Einführung neuer Top Level Domains (TLDs) aufzuschieben. Im Rahmen einer ersten Kommentierungsphase zu dem für kommendes Jahr geplanten Verfahren stellte etwa der Murdoch-Konzern News Corporation die Notwendigkeit einer Erweiterung des Namensraums in Frage: "Zahlreiche Fragen sind offen, was den Nachweis einer ausreichenden Nachfrage oder Notwendigkeit für neue gTLDs anbelangt", schreibt der Konzern, zu dem unter anderem Twentieth Century Fox, Fox News oder das Wallstreet Journal gehören.

Nach jahrelangen Diskussionen hatte die ICANN Ende Juni dieses Jahres grünes Licht für die Einführung neuer Adresszonen (Top Level Domains, TLDs) im Netz gegeben. Bei ihrer Sitzung in Paris akzeptierten die ICANN-Direktoren ein Konzept, das das für generische TLDs zuständige Selbstverwaltungsgremium (GNSO) der ICANN erarbeitet hatte. Nach einer ersten Testrunde mit neuen TLDs im Jahr 2000 und einer kleineren zweiten Runde mit TLDs für spezielle Zwecke im Jahr 2004, soll damit ein reguläres Verfahren für die fortgesetzte Beantragung neuer Adresszonen im Stil von .com, .biz, oder .cat etabliert werden, mit dem sich nahezu beliebige Begriffe für Top Level Domains auswählen lassen sollen. Details zum Antragsverfahren, zu deren Preisen und zu den Registrierungsprozeduren innerhalb der schließlich genehmigten neuen Domains wurden bei der Entscheidung über die Einführung des neuen TLD-Procederes aber noch nicht beschlossen; ein Ende Oktober vorgelegter Entwurf der ICANN soll die Grundlage für entsprechende Beschlüsse bieten; in der Kommentierungsphase dieses Entwurfs wurden nun ernste Bedenken gegen das Vorhaben laut.

Insbesondere angesichts der wirtschaftlichen Krise sei auch der Zeitpunkt des "kostspieligen und teuren Unterfangens" in Frage zu stellen, warnt News Corp. in ihren Kommentaren. Man empfehle der privaten Netzverwaltung daher, die Entscheidung zu überdenken und den Prozess zu verschieben. Der auf ICANNs Konsultationsseite veröffentlichte Kommentar steht dabei stellvertretend für zahlreiche Bedenken großer US-Unternehmen und Verbände. Die US-Handelskammer fordert zudem intensive Studien über "Bedarf", "richtigen Zeitpunkt", "Vereinbarkeit mit ICANNs Aufgaben" und insbesondere über die Vorkehrungen "zum Schutz aller Interessengruppen".

Insbesondere letzteres dürfte für das lautstarke Wehklagen verantwortlich sein. Die US-Handelskammer warnt so vor einer "neuen Ära das Cybersquatting". Die News Corp. verweist auf die "potentiell gefährlichen wirtschaftlichen und rechtlichen Auswirkungen" für "News Corp., die Nutzer des Internet und die breite Öffentlichkeit." Am liebsten sähe man es, wenn bei einer späteren Einführung neuer Top Level Domains neben Ländernamen auch die Namen bekannter Marken in eine Sperrliste aufgenommen werden könnten. Bewerber um neue TLDs sollten übrigens vorab nachweisen, dass der Markt sie wirklich braucht.

Der Verband der Domainverkäufer, die Internet Commerce Association (ICA), hält dagegen, dass kaum einzusehen ist, warum Markeninhaber plötzlich gänzlich neue Rechte bekommen sollten. Der Allgemeinbegriff "Dove" (dt. Taube) werde so als Marke von Unternehmen in verschiedenen Sektoren parallel genutzt, könne aber als Allgemeinbegriff durchaus auch von einer Friedensinitiative gebraucht werden. Eine Vorabsperrung durch ein Unternehmen ginge über den klassischen Markenschutz hinaus. Die ICA warnt auch vor Vetorechten von Regierungen gegen geographische Domains und den unbestreitbaren Problemen, die Einspruchsrechte gegen "unmoralische" oder "unsittliche" TLDs mit sich bringen werden.

Europäische Stimmen meldeten sich in der Konsultation nur wenige zu Wort. Der Spielzeughersteller Lego bat im Namen von 10 dänischen Unternehmen, Markeninhaber gegen hohe Kosten zu schützen, die ihnen entstünden, wenn sie in mehreren hundert neuen Zonen ihre Namen zu schützen hätten. Darüber hinaus meldeten sich aus Europa insbesondere die Vertreter von Initiativen, die Städtenamen – von .barcelona bis .berlin, .hamburg oder .köln – und Adresszonen für spezielle Sprachgemeinschaften – wie .gal für das Galizische – ins Netz bringen wollen. Diesen teilweise noch kleinen Initiativen geht es vor allem darum, ICANNs Vorstellungen zu Bewerbungs- und Jahresgebühren zu hinterfragen. Insbesondere 75.000 Dollar Jahresgebühr wollen für möglicherweise kleine Registries erst einmal erwirtschaftet sein. Für manche dürfte eine weitere Verzögerung bei der Einführung neuer TLDs, wie die großen US-Konzerne sie nun fordern, das größte Ärgernis sein.

Noch keine Stellungnahme gab es von der frisch gegründeten Eco-Initiative "Names and Numbers Forum", die künftig über "rechtliche, technische und politische Entwicklungen rund um Domains auf nationaler und internationaler Ebene" informieren will. Das macht aber nichts: ICANN wird wohl um eine zweite Konsultationsrunde zu den neuen Adresszonen nicht herumkommen.

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(Monika Ermert) / (jk)