Wissenschaftler fordern Freigabe von "Gehirnboostern"

US-Forscher haben sich in einem offenen Brief für die freie Nutzbarkeit von Medikamenten zur Steigerung der Leistungsfähigkeit von Gedächtnis und Konzentration ausgesprochen.

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Die Verwendung von Stimulanzien außerhalb zugelassener Anwendungsbereiche nimmt in den letzten Jahren unter Studenten stetig zu. Studien zeigen, dass zwischen 5 und 15 Prozent amerikanischer College-Besucher inzwischen rezeptpflichtige Medikamente wie Ritalin oder Adderall, die sich positiv auf Gedächtnisleistung und Konzentration auswirken können, als Lernhilfe nutzen – und selbst in Forscherkreisen scheint die Praxis zuzunehmen. Der Trend sorgt für eine Debatte, wie und wann diese "Gehirnbooster" erlaubt sein sollten – und wann nicht. Das US-Militärpersonal nutzt die Mittel inzwischen sogar regulär im Dienst. Aber was ist mit Chirurgen? Und was mit Wissenschaftlern, die die Nacht über hart im Labor arbeiten oder Studenten kurz vor dem Examen?

Ein offener Brief im Wissenschaftsjournal "Nature" sprach sich kürzlich dafür aus, die Verwendung von Medikamenten zur Steigerung der Leistungsfähigkeit von Gedächtnis und Konzentration freizugeben. In dem Text, der von einer Gruppe amerikanischer Ethiker, Psychologen und kognitiver Neurowissenschaftler verfasst wurde, heißt es unter anderem, dass solche Mittel "im Gegensatz zu Doping beim Sport" zu "wichtigen Verbesserungen in der Welt führen" könnten.

Gegner führen hingegen an, dass die Nutzung solcher Gehirnbooster unfair sei und den Wert harter geistiger Arbeit schmälere. Die Wahrheit sei aber, führen wiederum die Befürworter an, dass solche Stoffe in die gleiche Kategorie wie andere Instrumente zur Verbesserung der Gehirnleistung fielen, "etwa Kaffee, Tee oder eine Mütze Schlaf". Entsprechend sollten sie auch (nicht) reguliert werden, so die Autoren des offenen Briefes.

Zu den Unterzeichnern gehört auch Michael Gazzaniga, Direktor des "Sage Center for the Study of Mind" an der University of California in Santa Barbara. Im Gespräch mit der Online-Ausgabe des Technologiemagazins Technology Review erläuterte er nun die Position, die er und seine Kollegen in der Debatte einnehmen. Er sei zwar sehr dafür, zunächst die genaue Wirkung der "Gehirnbooster", die im Fall von Ritalin und Adderall eigentlich der Bekämpfung von Krankheiten wie ADHD dienten, näher zu untersuchen.

Grundsätzlich sei aber eine Freigabe durchaus verantwortbar. Auch sehe er nicht die Gefahr, dass die Technologie von der großen Masse der Wissenschaftsgemeinschaft verwendet werde, was dann zu Gruppendruck führen könnte. "Man darf nicht vergessen, dass einen diese Medikamente nicht schlauer machen. Sie halten einen wach, damit man lernen kann, um schlauer zu werden. Obwohl es immer wieder einen Boom bei der Benutzung einzelner Wirkstoffe geben wird, ist doch damit zu rechnen, dass sich das auf niedrigem Niveau stabilisiert."

Das ganze Interview mit Gazzaniga in Technology Review online:

(bsc)