"So viel Aufbruch war selten..."
Hintergrund: Die Aussteller und Veranstalter klingen zum AbschluĂź der CeBIT geradezu euphorisch. Die Messe legte aber auch Probleme offen.
Hintergrund: Die Aussteller und Veranstalter klingen zum AbschluĂź der CeBIT geradezu euphorisch. Die Messe legte aber auch Probleme offen.
Der Kanzler mit seinem Sinn für medienwirksame Formeln nannte das Fazit der diesjährigen CeBIT schon bei der Eröffnung. "So viel Aufbruch war selten in Deutschland", sagte Gerhard Schröder vor einer Woche in Hannover zum Auftakt der weltgrößten Computermesse. Die 7.800 Aussteller aus dem In- und Ausland klingen nach sieben Messe-Tagen vielfach geradezu euphorisch und sprechen von "der besten CeBIT aller Zeiten".
Die alljährliche Mega-Schau der Wachstumsbranchen Informations- und Kommunikationstechnik hat noch nie mit Superlativen gegeizt. In diesem Jahr aber verbuchen die drei Vorstandsmitglieder der Hannover Messe gut gelaunt neue Aussteller- und Besucherrekorde. Und natürlich sind Rechner, Laptops, Handys und andere Endgeräte mal wieder schneller und kleiner geworden. Doch nach einhelliger Einschätzung markiert die CeBIT 2000 auch einen Wendepunkt, gerade für die Deutschen.
"Der Knoten ist geplatzt", urteilen Manager. Ob Schulen, Unternehmen, Behörden, jetzt wollen alle ins Internet -- weil sie es müssen. Der Veränderungsdruck für die Wirtschaft ist ebenso enorm wie der dadurch erwartete Investitionsschub. Alle reden von E-Commerce und E-Business, von Wap-Handys und Bluetooth und investieren. Die Auftragsbücher der CeBIT-Aussteller sind besser gefüllt als je zuvor, auch wenn manches noch nicht ausgereift ist: So ist die Internet- Übertragung in die Handys mit Wap-Technik der ersten Generation für das schnelle Medium noch zu langsam.
Bei aller Euphorie hat die CeBIT auch Probleme offen gelegt. Noch fehlen einheitliche Regelungen für Datenschutz und Datensicherheit im Internet. Für den massenhaften Datenverkehr des E-Commerce sind die breitbandigen Übertragungstechniken zwar entwickelt, aber noch nicht massenhaft verfügbar. Abhilfe hat der Bundeskanzler zumindest für das Personalproblem der deutschen Wirtschaft versprochen. Doch die Freude über Schröders Ankündigung einer "Green Card" nach US- Vorbild für ausländische High-Tech-Spezialisten hat nebenbei ein Licht auf Versäumnisse der deutschen Branche geworfen.
Seit Jahren klagt sie über den stetig wachsenden Mangel an Fachkräften, den sie durch Warnungen vor einem Ingenieurstudium Anfang der 90er Jahre selbst mit ausgelöst hat. Jetzt verlangt der Bundeskanzler im Gegenzug zur Visa-Regelung, selbst mehr für die Umschulung arbeitsloser deutscher Ingenieure zu tun. Wie die Firmen das umsetzen wollen, wusste der Sprecher der Aussteller, Jörn-Peter Stielow, in der CeBIT-Abschlusspressekonferenz allerdings noch nicht recht zu sagen.
Das Internet treibt die Unternehmen zueinander: Nie zuvor wurden rund um eine CeBIT so viele Kooperationen, ZusammenschlĂĽsse oder Ăśbernahmen vermeldet wie in diesem Jahr. Die Newcomer im Internet verbĂĽnden sich mit MarktfĂĽhrern der alten Ă–konomie. Diese Entwicklung hat inzwischen alle Branchen selbst bis weit hinein in die noch lokal oder regional orientierten Betriebe erfasst. "Auch der Mittelstand bewegt sich endlich", lautet das Resumee vieler Aussteller.
Marktführer wie IBM oder Siemens nennen bereits einen Trend der nächsten CeBIT: Application Service Provider. Dahinter verbirgt sich die Überlegung, dass kleine Unternehmen im Zeitalter des elektronischen Geschäftsverkehrs zwar über die Endgeräte verfügen, ihre Rechnerleistung und den Service aber über das Internet von einem Großanbieter beziehen. Konkrete Lösungen für das E-Business seien das kommende Thema. Oder wie ein Sprecher es ausdrückt: "Nach der CeBIT ist vor der CeBIT." (Andreas Möser, dpa) (jk)