Die Weiterbildung der Mitarbeiter - und ihre Grenzen
Immer mehr Unternehmen investieren in die Weiterbildung der Mitarbeiter. Doch die positive Entwicklung hat auch einen Wermutstropfen: Oftmals werden damit unrealistisch hohe Ansprüche verknüpft.
Die Weiterbildung von Mitarbeitern ist eine wertvolle und notwendige Investition in die Zukunft, diese Erkenntnis setzt sich in immer mehr Unternehmen durch. Sie investieren in die Ausbildung ihrer Arbeitnehmer, um auch auf lange Sicht leistungsfähig zu bleiben. "Die Weiterbildung öffnet Perspektiven, steigert Fachkompetenzen, motiviert und entfaltet Leistung. Aspekte, die gerade bei der Führungskräfteentwicklung äußerst wichtig sind", wie Personaltrainer und Buchautor Karl Heinz A. Lorenz erklärt.
(Bild: Karl Heinz Lorenz)
Karl Heinz Lorenz (50), Diplom Betriebswirt (DH), Berater, Managementtrainer und Hochschuldozent, ist Inhaber von Lorenz-Seminare Personality- & Competence-Training, Weidenthal und Autor von "Typisch Kunde!", erschienen im Lorenz Verlag Elmstein.
Eine Investition, die sich lohnt und sich aus Sicht der Unternehmen unbedingt auch lohnen muss: Die Chefetage erwartet sichtbare Renditen. Das zeigt sich schon, wenn bei Seminaren für Führungskräfte nach den eigentlichen Trainingszielen gefragt wird. Eine Stärkung der Loyalität und der Bindung an das Unternehmen, erhöhte Leistungsbereitschaft und Engagement und die Vermittlung einer allgegenwärtigen Souveränität im Handeln gehören zu den meistgenannten Zielen.
Genau das wird von vielen Seminaranbietern dann auch versprochen. Eine Frage stellen sich die Unternehmen dabei allerdings nur selten, wie Karl Heinz A. Lorenz erklärt. Nämlich die, was realistisch wirklich zu erreichen und überhaupt sinnvoll ist und wie formbar die Mitarbeiter überhaupt sind bzw. wo die entsprechenden Grenzen liegen. Doch genau darüber müssen die Verantwortlichen im Unternehmen nachdenken, weil sie sonst Gefahr laufen, ihre Mitarbeiter in Seminare zu schicken, die sie nicht weiterbringen.
So können Seminare von Top-Motivatoren der Trainerszene, die das Motto "Alles ist möglich, wenn Du nur wirklich willst!" auf den Fahnen haben, die Teilnehmer durchaus euphorisch und mit dem Glauben an die eigenen, grenzenlosen Möglichkeiten entlassen. Andere helfen dabei, die eigene Außenwirkung zu optimieren und zeigen, wie man selbst in schwierigen Situationen ein souveränes Außenbild abgibt. Gerade, wenn es um die Schulung von Vertriebsmitarbeitern geht, sind Seminare, die ein kontrolliertes Verhalten trainieren, sehr beliebt. "Kontrolle fühlt sich gut an für Unternehmen", so Karl Heinz A. Lorenz. Ebenfalls hoch im Kurs: Schulungen, bei denen der Mitarbeiter lernt, kompromisslos positiv zu sein und besonders viel Empathie für den Kunden mitzubringen.
Was dabei auf der Strecke bleibt, sind allerdings die Bedürfnisse der Mitarbeiter. "Auch Aggressionen, Frust und Ärger gehören durchaus zum normalen Spektrum menschlicher Gefühle und brauchen Zeit und Raum zum Erleben. Eine fortwährende Unterdrückung durch die antrainierte Verhaltenskontrolle fördert mit hoher Wahrscheinlichkeit psycho-somatische Erkrankungen", so Karl Heinz A. Lorenz. Die Folgen reichen vom Stresskopfschmerz, über Magenprobleme bis hin zum Herzinfarkt. "Um diese negative Wechselwirkung zu vermeiden, dürfen Mitarbeiter nicht einfach nur die zuvor willig und kritiklos trainierten Erfolgsrezepte umsetzen, sondern müssen unbedingt über deren Vereinbarkeit mit der eigenen Persönlichkeit und Authentizität nachdenken".
Gleiches gelte für Arbeitgeber, die bei der Weiterbildung der eigenen Mitarbeiter schon aus Eigeninteresse weniger auf die Schaffung von Konformität und sehr viel mehr auf die Freisetzung individueller Talente und Stärken achten sollten. "Dazu gehören persönliche Gespräche, gute Analysemethoden und Beratung oder auch Coachingangebote auf individueller Ebene. Keine Weiterbildung nach dem Gießkannenprinzip, sondern handverlesen und mit Qualität", so der Personalberater. Der Leitsatz von Friedrich Nietzsche: "Werde der Du bist!" sei das eigentliche Entwicklungsziel. Es gehe nicht um Verformung des Mitarbeiters, sondern darum, ihn von beengenden Ketten und fremden Fallstricken zu befreien um ihm so die Entfaltung seiner Potenziale zu ermöglichen. Karl Heinz A. Lorenz rät deshalb auch dazu, die Weiterbildungsangebote der Trainer kritisch zu durchleuchten: "Trainings sollten nicht einfach nur Konsumiert, sondern bewusst gewählt und im Idealfall auf sich abgestimmt werden". Weniger ist da manchmal tatsächlich mehr. (gs)