Definition offener Standards in der EU weiter umkämpft

Bei der Konsultation über einen Entwurf der EU-Kommission für ein neues European Interoperability Framework hat sich die Frage der Lizenzgebühren als Streitpunkt herauskristallisiert, während Microsofts OOXML-Politik erneut Kritiker anzieht.

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Bei der Konsultation über einen Entwurf der EU-Kommission für ein überarbeitetes Rahmenwerk zur Herstellung von Interoperabilität bei E-Government-Diensten hat sich erwartungsgemäß die Frage der Fassung offener Standards als größter Reibungspunkt herauskristallisiert. Dies geht aus der offiziellen Zusammenfassung der 53 Eingaben von Interessensvertretern durch die Brüsseler Behörde hervor. "Während einige argumentieren, dass Interoperabilität auch mithilfe geschlossener, proprietärer Spezifikationen erreicht werden kann, sind andere der entgegen gesetzten Ansicht, wonach abgeschlossene Lösungen Dienste vom Zusammenspiel untereinander abhalten", schreibt die federführende Generaldirektion Informatik. Die eine Seite wittere in dem Vorstoß eine Innovationen hemmende Parteinahme für Open Source, der anderen gehe der Ansatz der Offenheit nicht weit genug.

Die Aufregung um offene Standards begründet sich offenbar aus der heftigen Lobbyschlacht um die Normung von Microsofts Office Open XML (OOXML) als offizielles Dokumentenformat der Internationalen Organisation für Normung (ISO). Denn die Kommission hält bei der Definition offener Standards in der überarbeiteten Version für das European Interoperability Framework (EIF) an der Fassung in der bisher gültigen Version fest. Demnach müssen entsprechende Normen von einer nicht-kommerziellen Organisation entwickelt sowie kostenlos oder gegen eine minimale Gebühr veröffentlicht werden. Zudem sind geistige Eigentumsrechte wie Patentansprüche, die eine entsprechende Norm betreffen, "unwiderruflich ohne die Erhebung von Lizenzgebühren" zur Verfügung zu stellen. Dies sei wichtig, damit sie sowohl in proprietärer als auch in freier Software ohne Behinderungen durch gewerbliche Schutzrechte implementiert werden können.

Die Association for Competitive Technology (ACT), deren Chef Jonathan Zuck sich seit Jahren in Europa für Softwarepatente stark macht, betont in ihrer Stellungnahme, dass die "Förderung von Open Source" außerhalb des Rahmens des EIF stehe. Die Information Technology Telecommunications and Electronics Association (Intellect) verweist pauschal auf die Haltung der sich selbst auch äußernden EICTA (European Information, Communications and Consumer Electronics Technology Industry Association), wonach die Politik zu Rechten an immateriellen Gütern vieler Unternehmen gegen die aufgeführten Kriterien verstoßen könnten. Zu bevorzugen sei daher die Bedingung einer alleinigen "RAND"-Lizenzierung (Reasonable And Non-Discriminatory) Demnach müssen Anwender für die Nutzung eines derart lizenzierten Standards üblicherweise Geld zahlen oder sonstige Leistungen erbringen, was aber wiederum als nicht vereinbar mit den Prinzipien freier Software gilt. Auch die Business Software Alliance (BSA), der Konzerne wie Apple, Intel, Microsoft oder SAP angehören, vertritt diese Forderung.

Die Redmonder selbst sprechen in ihrem Kommentar vom Versuch einer "Umdeutung" des Gehalts "offener Standards" schon in der ersten Version des EIF. Diese habe nur Schwierigkeiten in der Zusammenarbeit "relevanter Interessensvertreter" geführt. Es gebe bereits "akzeptierte Definitionen" offener Standards, schreibt Microsoft weiter, sodass eine Neufassung nicht nötig sei.

Kritiker des Redmonder Softwarekonzerns monieren dagegen, dass "amerikanische Monopolisten" und ihre "bezahlten Lobbyisten" versuchen würden, Europa "zu unterrichten". Auf diese Weise schreibe Microsoft die Gesetze auf dem alten Kontinent mit. Aber auch europäische Konzerne wie Philips oder die Internationale Handelskammer Ungarns fürchten, dass der Ansatz der Kommission geistiges Eigentum entwerte und gebührenfreie Lizenzen auch an Wettbewerber in Drittstaaten herausgegeben werden müssten.

Das litauische Normungsinstitut begrüßt die "enge Definition" offener Standards durch Brüssel. Damit würde ausdrücklich betont, dass eine solche Norm sowohl in Open-Source-Lösungen als auch in proprietären Umgebungen einsetzbar sein müsse. Auch Red Hat unterstützt nachdrücklich die Verbreitung offener Standards, die frei von Einschränkungen durch die Lizenzierungsform sind. Normen, für die eine Gebühr zu bezahlen sei, dürften generell nicht als "offen" bezeichnet werden. Das Open Forum Europe vertritt die Ansicht, dass die andauernde Debatte etwa über die Auswirkungen von Patenten auf Standards und die Interoperabiltät ohne gesetzgeberisches Eingreifen nicht beendet werden könne. Die Kommission sollte die gefundene Definition daher in einer eigenen Interoperabilitätsrichtlinie festschreiben.

Wasser auf die Mühlen der Kritiker des Einschlusses von RAND-Kriterien in offene Standards geben die vor kurzem veröffentlichten Lizenzierungsbedingungen der mit Microsoft eng kooperierenden ECMA (European Computer Manufacturers Association) für OOXML in Version 1 und 2. Demnach soll eine Implementierung unter "vernünftigen Bedingungen" für die eingeschlossenen, aber nicht näher aufgeschlüsselten Patente der Redmonder machbar sein. Blogger von NO OOXML hatten bereits im Juli bei der ECMA wegen einer kommerziellen Patentlizenz angefragt, bisher aber keine Antwort erhalten. Für die Autoren des Webjournals Boycott Novell ein weiterer Hinweis darauf, dass OOXML eine "diskriminierende Patentfalle" darstelle. (Stefan Krempl) / (jk)