Merkel hält kürzere Speicherung von Vorratsdaten für denkbar

Nach dem Vorbild des Kyoto-Protokolls für den Klimaschutz möchte die Kanzlerin auf weltweit die Privatsphäre besser absichern und die EU-Vorgaben zur Vorratsdatenspeicherung ändern. Die SPD sieht das ähnlich.

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Bundeskanzlerin Angela Merkel zeigt sich offen für Nachbesserungen an der heftig umstrittenen EU-Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung, die derzeit auf dem Prüfstand des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) steht. Sie könne der Entscheidung aus Luxemburg zwar nicht vorgreifen, aber sie halte eine Verkürzung der Mindestspeicherfrist von sechs auf drei Monate für denkbar, sagte die CDU-Politikerin der "Welt am Sonntag".

Die meisten Zugriffe auf die von Providern aufbewahrten Verbindungs- und Standortdaten erfolgten ohnehin "in den ersten paar Tagen", meinte Merkel. Auch angesichts der "voranschreitenden technischen Entwicklung" sei die bisher vorgesehene lange Speicherdauer daher eventuell gar nicht mehr nötig.

Zugleich erläuterte Merkel ihr Vorhaben, angesichts der Enthüllungen über das US-Überwachungsprogramm PRISM ein internationales Datenschutzabkommen anzustreben. Ziel müsse ein globaler Vertrag nach Vorbild des Kyoto-Protokolls für den Klimaschutz sein, auch wenn dies "anspruchsvoll" sei. "Frühere Generationen haben sich eine Menschenrechtscharta gegeben oder eine Welthandelsorganisation. Wir sollten auch im 21. Jahrhundert imstande sein, globale Vereinbarungen zu schließen."

In der Bundesregierung ist Merkel mit ihren Überlegungen nicht allein: Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) hatte Mitte Juli als erste die Idee verbreitet, eine internationale "digitale Grundrechtecharta" auszuhandeln. Dieser Forderung schlossen sich vor der Kanzlerin auch Verbraucherministerin Ilse Aigner und Innenressortchef Hans-Peter Friedrich (beide CSU) an. Konkret soll ein Zusatzprotokoll zum UN-Pakt über bürgerliche und politische Rechte von 1966 neue Regelungen zum Schutz der Privatsphäre festlegen. Derzeit tut sich die Regierung aber noch schwer, eine gemeinsame Position zur geplanten EU-Datenschutzreform zu finden und die Arbeiten daran in Brüssel entschlossen voranzutreiben.

Spitzenpolitiker der Sozialdemokraten verfolgen eine ähnliche Linie. Nötig sei ein Internet-Völkerrecht, das die Bürgerrechte beim Telefonieren, E-Mail-Schreiben oder Surfen im Netz über nationale Grenzen hinaus sichere, schreiben Thomas Oppermann und Gesche Joost aus dem Kompetenzteam von SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück in einem Gastbeitrag für die "Frankfurter Allgemeine Zeitung" (FAZ).

Hugo Grotius, der Vater des Völkerrechts, habe seinerzeit mit seinem juristischen Vorstoß die staatliche Seeräuberei eingedämmt. "Das muss uns heute mit der Datenpiraterie der Geheimdienste auch gelingen", meinen die beiden Politiker: Kommunikationsfreiheit sei schließlich "die Bürgerrechtsfrage des 21. Jahrhunderts". Zugleich drängen sie auf Änderungen der EU-Vorgaben zur Vorratsdatenspeicherung – vor allem kritisieren sie die langen Aufbewahrungszeiten. Darüber hinaus wollen sie die Telekommunikationsanbietern verpflichten, "die großen Internet-Verkehrsstrecken sicher zu verschlüsseln".

Gegnern der anlasslosen Protokollierung von Nutzerspuren gehen diese Vorschläge nicht weit genug. Sie bestehen weiter darauf, die Richtlinie ganz abzuschaffen. Allgemein beklagten sie, bei mehreren westlichen Geheimdiensten seien offenbar "alle Maßstäbe verlorengegangen". Das Ausmaß dieser Spionagetätigkeit erinnere an die McCarthy-Ära: "Um Sicherheit zu schaffen, werden Freiheit und Privatsphäre maximal eingeschränkt. Daran darf sich Deutschland nicht beteiligen." (ck)