Neues Empfehlungssystem für "Social Bookmarking"-Dienst

Digg will Nutzern passende Nachrichten liefern und sie gleichzeitig besser einbinden.

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Digg, die populäre amerikanische "Social Bookmarking"-Website, für die Google immer wieder einmal Übernahmegelüste nachgesagt werden, testet seit einigen Wochen ein neues Empfehlungssystem. Der verwendete Ansatz unterscheidet sich allerdings stark von dem, was man von E-Commerce-Angeboten wie Amazon.com kennt, berichtet das Technologiemagazin Technology Review in seiner Online-Ausgabe. Während Shopping-Websites die notwendigen Daten aus einem Mix aus Einkaufs- und Browsing-Historie sowie Informationen über den Verkaufsgegenstand selbst beziehen, will Digg voll auf das setzen, was das Angebot in den letzten Jahren so beliebt gemacht hat – die Weisheit der Massen.

Seit dem Start 2004 wuchs das Angebot stark, was inzwischen zu ernsthaften Problemen für die Nutzer und die Seite selbst geführt hat. Es ist inzwischen selbst für interessierte Benutzer nahezu unmöglich, die mehr als 15.000 Nachrichten zu sichten, die jeden Tag bei Digg eingereicht werden. Das bedeutet auch, dass viele User gar nicht oder nur wenig an der Abstimmung teilnehmen, die darüber entscheidet, was auf der viel gelesenen Startseite landet. Doch genau das macht die Qualität von Digg aus.

Anton Kast, Chefwissenschaftler bei dem Angebot, hofft nun, dass das neue Empfehlungssystem diese Probleme lösen hilft. Durch das Hervorheben solcher Geschichten, die ein Nutzer mögen könnte, soll es für ihn leichter werden, die Menge an eingereichtem Material zu bewerten. "Man bekommt das zu sehen, was einen interessiert und kann dann auf eine Art zu Digg beitragen, die wesentlich effizienter ist als vorher", meint Kast.

Der Charakter von Digg bedingt aber, dass die Firma ihr Empfehlungssystem eher unkonventionell aufbauen muss. "Wir haben es hier nicht mit einem magischen Orakel zu tun. Wir wollen auch nicht behaupten, dass der Computer schlauer wäre als der Nutzer, oder dass wir genau wissen würden, was der Nutzer will." Statt die Charakteristika der einzelnen Artikel zu nutzen, um den Hauptalgorithmus des Empfehlungssystems zu füttern, basiert Diggs Ansatz deshalb vollständig auf der Errechnung der Verbindungen zwischen einzelnen Nutzern.

Und das funktioniert so: Jedes Mal, wenn ein User eine Geschichte positiv bewertet, vergleicht das System diese Aktion mit den Aktionen jedes anderen Users und findet dann heraus, welche die meisten Entscheidungen gemeinsam haben. Damit die Empfehlungen nicht so stark ausschlagen, berechnet das System diese Verbindungen für jedes Digg-Thema einzeln, da zwei Benutzer, die ein Interesse an Videospielen teilen, nicht unbedingt die gleichen politischen Themen mögen müssen.

John Riedl, Professor für Computerwissenschaften an der University of Minnesota, der selbst Empfehlungssysteme erforscht, hält Diggs Vorstoß für interessant, weil er einen anderen Charakter als die Ansätze im Bereich E-Commerce habe. Shopping-Seiten müssten mit Trends umgehen, die Wochen oder Monate andauerten. Im Nachrichtengeschäft gehe es hingegen um Stunden. Der Zeitdruck mache es besonders schwer, ein System zu erstellen, das Geschichten auswähle, die sowohl neu als qualitativ hochwertig seien. Dennoch sei Diggs Schritt Teil des Umbruches, der derzeit im Bereich der Informationsverteilung erfolgt, glaubt der Experte.

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(bsc)