Neue Gesetzesinitiative gegen Wahlcomputer in den USA

Eine Milliarde US-Dollar solle der Kongress den Bundesstaaten zur Verfügung stellen, damit sie bis zum Jahr 2012 zu verifizierbaren Wahlen zurückkehren, schlagen die beiden US-Senatoren Bill Nelson (Florida) und Sheldon Whitehouse (Rhode Island) vor.

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Von
  • Richard Sietmann

In den USA zeichnet sich eine Stampede des Abschieds von papierlosen Wahlsystemen ab. Im Senat haben jetzt die beiden Demokraten Bill Nelson (Florida) und Sheldon Whitehouse (Rhode Island) einen Gesetzentwurf eingebracht, der den Einsatz der sogenannten DRE-Systeme (Direct-Recording Electronic) verbieten will, die die Wählerstimmen völlig beleglos erfassen und abspeichern und somit keine unabhängige Nachzählung des Wahlergebnisses zulassen. Insgesamt eine Milliarde US-Dollar soll der Kongress nach den Vorstellungen der beiden Senatoren den Bundesstaaten als Hilfe zur Verfügung stellen, damit sie bis 2012 zu verifizierbaren Wahlen zurückkehren – beispielsweise mit Papierstimmzetteln und Scannerzählung, die dann routinemäßig in mindestens drei Prozent aller Wahlkreise manuell überprüft wird.

Der Nelson-Whitehouse-Entwurf ist die jüngste einer Reihe von Gesetzesinitiativen, mit denen die Volksvertreter in Washington auf die zunehmende Kritik in der Fachwelt und Öffentlichkeit am "Blackbox-Voting" und den damit verbundenen Risiken eines automatisierten Wahlbetruges reagieren. Im Februar hatte der demokratische Abgeordnete Rush Holt dem Repräsentantenhaus einen Gesetzentwurf vorgelegt, der DRE-Systeme bei Wahlen auf Bundesebene zwar nicht gänzlich verbieten würde, für die elektronischen Wahlmaschinen jedoch einen Papier-Backup, den sogenannten Voter-Verified Paper Audit Trail, vorschreibt. Anhand der von den Wählern verifizierten Papierbelege ihrer Stimmabgabe sollen dann nach einem statistischen Schlüssel in ausgewählten Stimmbezirken manuelle Nachzählungen durchgeführt werden.

Der ursprüngliche Entwurf des "Voter Confidence and Increased Accessibility Act" (VCIA) verlangte zudem die Veröffentlichung des Quellcodes der Wahlsoftware. Nach der in den Ausschussberatungen modifizierten Fassung wird diese jedoch ausdrücklich als Geschäftsgeheimnis anerkannt und muss lediglich "qualifizierten Experten" zugänglich gemacht werden, die sich in einem Non-Disclosure Agreement zur Verschwiegenheit verpflichtet haben. Doch obwohl der Holt-Vorschlag bereits im Mai mit den Änderungen die Ausschussberatungen passierte und von mehr als 200 Abgeordneten unterstützt wird, gelangte er vor der parlamentarischen Sommerpause nicht mehr ins Plenum zur Abstimmung. Das Ziel Holts, den VCIA so rechtzeitig durch den Kongress zu bringen, dass den Wahlämtern des Landes genügend Zeit verbleibt, ihre Systeme bis zu den Präsidentenwahlen 2008 umzustellen, wurde verfehlt.

Dem Senat liegt unterdessen noch ein Gesetzentwurf vor, den die demokratische Senatorin Dianne Feinstein aus Kalifornien im Mai einbrachte. Der "Ballot Integrity Act of 2007" wird von Hillary Clinton, Barack Obama, Edward Kennedy sowie sechs weiteren Demokraten im Senat unterstützt, in der Frage eines generellen Verbots von DRE-Systemen bleibt er aber hinter dem Nelson-Whitehouse-Entwurf zurück.

Parallel zu den gesetzgeberischen Initiativen hat das oberste Gremium für die Wahlorganisation auf Bundesebene, die Election Assistance Commission, Ende vergangener Woche eine verschärfte Fassung ihrer E-Voting-Standards aus dem Jahre 2005 zur öffentlichen Kommentierung präsentiert. Die Voluntary Voting System Guidelines, an deren Zustandekommen unter anderem der renommierte Kryptoexperte Ronald Rivest mitwirkte, verlangen von künftigen Wahlsystemen "Software-Unabhängigkeit" in Gestalt eines "unabhängigen, vom Wähler verifizierbaren Belegs". Der neue Standard, so er denn wirksam wird, läuft damit ebenfalls auf das Ende der beleglosen Stimmerfassung und -speicherung mit DRE-Systemen hinaus.

Nach dem Debakel bei der Präsidentenwahl in Jahr 2000, bei der Unregelmäßigkeiten und Fehler mit den weit verbreiteten, maschinenlesbaren Lochkarten-Stimmzetteln zu einer wochenlangen Hängepartie in dem Rennen zwischen Al Gore und George Bush führten, die Bush erst mit Hilfe des konservativen Supreme Court für sich entscheiden konnte, hatten die Wahlämter in 37 Bundesstaaten zur Modernisierung der Stimmabgabe für knapp 250 Millionen US-Dollar insgesamt rund 50.000 Touchscreen-Maschinen angeschafft. Unter den Bundesstaaten haben seither aufgrund negativer Erfahrungen und der Kritik an diesen Geräten bereits New Mexico, Florida und Maryland die Kehrtwende eingeleitet und kehren zu Papierstimmzetteln zurück. (Richard Sietmann) / (pmz)