Richterin im Manning-Prozess will Beweise für "Chilling Effects"

Richterin Lind will etwaige "Chilling Effects" auf US-Beziehungen nur für das Strafmaß Bradley Mannings berücksichtigen, wenn ein direkter Zusammenhang mit der Veröffentlichung der US-Depeschen durch Wikileaks nachgewiesen wird.

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Von
  • Detlef Borchers

Im Prozess gegen den US-Gefreiten Bradley Manning hat Militärrichterin Denise Lind mehrere Zeugenaussagen der Anklage für nicht verwertbar befunden. Beamte des Außen- und des Verteidigungsministeriums hatten erklärt, welche Auswirkungen die Veröffentlichung der US-Diplomatenpost durch Wikileaks hatte: Die Beziehungen der USA zu mehreren Regierungen sollen sich erheblich abgekühlt haben.

Richterin Lind befand, dass diese "Chilling Effects" nur dann vom Gericht berücksichtigt werden, wenn sie in direktem zeitlichen Zusammenhang mit der Wikileaks-Veröffentlichung stehen und dies durch "quantifizierbare Daten" nachgewiesen werden könne. Allgemeines Hörensagen reiche als Nachweis nicht aus.

Die Richterin entschied daher, die Aussagen von Unterstaatssekretär Patrick Kennedy und Michael Kozak nicht bei der Bestimmung des Strafmaßes zu berücksichtigen, weil sie zu allgemein geblieben seien. Kozak leitete 2010 das "Bureau of Democracy, Human Rights and Labor", das dafür verantwortlich war, durch "Cablegate" betroffene Personen zu benachrichtigen und in Sicherheit zu bringen.

Für Deutschland sind keine "Chilling Effects" bekannt. Die Bundesregierung kommentierte seinerzeit weder die Bemerkung eines Diplomaten, der die Wahl des Entwicklungsministers Dirk Niebel (FDP) als "schräge Sache" bezeichnete, noch die Charakterisierung des Regierungsstils von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) als "selten kreativ". Der FDP-Politiker Helmut Metzner, der Informationen aus der Partei an die US-Botschaft weitergeben hatte, musste seinen Posten als Büroleiter von Außenminister Guido Westerwelle räumen.

Die öffentlichen Teile der Gerichtsverhandlung können in den von der Freedom of the Press Foundation veröffentlichten Sitzungsprotokollen nachgelesen werden. (vbr)