NSA-Überwachungsskandal: Liberale profitieren, Piraten nicht

Die Haltung der Liberalen in der NSA-Spähaffäre könnte der Partei helfen, die Fünf-Prozent-Hürde zu überspringen, meint Wahlforscher Lothar Probst. Die Piraten sieht er dagegen auf der Stelle treten.

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  • dpa

Wahlforscher Lothar Probst: "Wenn es den Piraten nicht gelingt, mal wieder ein Zeichen zu setzen, dann sehe ich schwarz für die Zukunft der Partei."

Der NSA-Überwachungsskandal kommt im Bundestagswahlkampf nach Einschätzung eines Politologen vor allem der FDP zugute. "Sie nutzen das Thema, um sich innerhalb der Koalition zu profilieren und sich stärker von der Union abzusetzen", sagte der Wahlforscher Lothar Probst von der Universität Bremen. Die Liberalen forderten Eigenständigkeit gegenüber den USA und klare Bekenntnisse zum Datenschutz, die Union betone die Notwendigkeit der Terrorabwehr. "Das könnte den Liberalen helfen, die Fünf-Prozent-Hürde zu überspringen", sagte Probst. Insgesamt werde die Spionageaffäre von den Wählern aber relativ gelassen hingenommen.

In der aktuellen Forsa-Umfrage zur Bundestagswahl kommt die FDP auf 5 Prozent, sie hält die Marke seit Mitte Juni. Die Piraten dagegen liegen wieder bei 3 Prozent, nachdem sie kurzfristig stärker von der NSA-Überwachungsaffäre zu profitieren schienen und von 2 auf 4 Prozent zugelegt hatten. Im Interview mit dpa erklärt Probst, warum die Piraten auf der Stelle treten und wer Nutznießer der Debatte ist.

Kann die Spähaffäre für die Bundestagswahl entscheidend sein?

Lothar Probst: Die ganze Spionage-Affäre wird in großen Teilen der Bevölkerung relativ gelassen hingenommen. Es ist kein Aufreger, weil die Leute - das zeigen ja auch die Umfragen - eigentlich schon immer damit gerechnet haben, dass es so etwas gibt. Trotzdem fühlen sich viele individuell gar nicht betroffen, weil sie denken: "Ich bin ja kein Terrorist, also auch nicht betroffen." Für die Oppositionsparteien ist es deshalb schwierig, das Thema für den Wahlkampf auszuschlachten.

Wer profitiert dann im Wahlkampf von der Affäre?

Probst: Derzeit hauptsächlich die FDP. Sie nutzt das Thema, um sich innerhalb der Koalition zu profilieren und sich stärker von der Union abzusetzen. Unter anderem fordert Justizministerin (Sabine) Leutheusser-Schnarrenberger mehr Eigenständigkeit gegenüber den Amerikanern und klare Bekenntnisse zum Datenschutz, während CDU-Politiker die Notwendigkeit von Terrorismus-Abwehr betonen. Das könnte den Liberalen helfen, die Fünf-Prozent-Hürde zu überspringen.

Bekommen die Piraten Auftrieb vom NSA-Skandal?

Probst: Man müsste eigentlich vermuten, dass das Thema die Piratenpartei noch mal nach vorne katapultieren würde, denn es passt ja genau zur Piraten-Programmatik. Trotzdem können sie in Umfragen bislang in keiner Weise davon profitieren. Vertreter der Partei werden als in der öffentlichen Diskussion als Gesprächspartner generell nicht mehr so ernst genommen. Das hat auch damit zu tun, dass das Spitzenpersonal der Piraten kaum Spielraum hat, sich in solchen Themenfeldern zu profilieren. Das wäre nötig, um in der Debatte mitzumischen.

Warum klappt es nicht mehr ohne starkes Führungspersonal?

Probst: Die Piraten haben schon nach kurzer Zeit ihren Glaubwürdigkeitsbonus verspielt: Nach den erfolgreichen Landtagswahlen hat sich die Partei nach außen als eine in sich vollkommen zerstrittene Gruppe präsentiert, die eigentlich keine Fortschritte gemacht hat. Die Versprechen der Partei waren Datenschutz, Freiheit im Internet und vor allem auch mehr Bürgerbeteiligung. Das Prinzip der Basisdemokratie haben die Piraten mit ihren parteiinternen Streits aber ad absurdum geführt. Das hat zu einem Vertrauensverlust bei den Wählern beigetragen.

Wie können die Piraten die Trendwende schaffen?

Probst: Wenn es den Piraten nicht gelingt, vielleicht nicht bei der Bundestagswahl, aber zumindest bei den nächsten Landtagswahlen, mal wieder ein Zeichen zu setzen, dann sehe ich schwarz für die Zukunft der Partei. Ohne professionellere organisatorische Strukturen können ihnen noch so viele Themen vor die Füße fallen. Dann waren die Wahlerfolge bei den Landtagswahlen eine kurze Episode, ohne nachhaltige Spuren im Parteiensystem der Bundesrepublik zu hinterlassen. (jk)