IETF diskutiert Übergangsszenarien fürs neue Internetprotokoll IPv6

Auf ihrem Treffen in Dublin legten die Entwickler der Internet Engineering Task Force mehrere Vorschläge dazu auf den Tisch, wie sich IPv4-Systeme mit IPv6-Systemen verständigen sollen.

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Von
  • Monika Ermert

Die Internet Engineering Task Force (IETF) disktutiert derzeit heftig über die Übergangszenarien auf dem Weg zum Internetprotokoll IPv6. Gleich mehrere Vorschläge dazu, wie sich IPv4-Systeme mit IPv6-Systemen verständigen sollen, legten die Entwickler auf ihrem Treffen in Dublin auf den Tisch. Beachtung fand die Lösung, die seit zwei Jahren das chinesische Forschungsnetzwerk Cernet mit dem Cernet 2 verbindet, das IPv6-Adressen nutzt. Entwürfe kommen auch von großen Netzbetreibern wie Comcast oder dem französischen DSL-Anbieter Free, die viele IPv4-Endgeräte in die neue Welt mitnehmen wollen. Viele Entwickler lehnen Network Address Translation (NAT) ab. Größer scheint aber die Gruppe derer, die versichert, dass es ganz ohne zumindest für eine Übergangsphase nicht geht.

In etwa drei Jahren sind voraussichtlich alle verfügbaren 4,3 Milliarden IPv4-Adressen verteilt. Wer viele neue IP-Adressen braucht, ist dann auf IPv6 angewiesen. Eine Gruppe von IETF-Autoren schreibt in einem Dokument zu den Anforderungen an Übergangslösungen wie Tunnels und NAT (Network Address Translation), sie erwarteten ein Patchwork von IPv4- und IPv6-Systemen. Tunnels sind bereits standardisiert und seit Jahren implementiert, sagt Cisco-Ingenieur Fred Baker, einer der Autoren und Chef der Arbeitsgruppe IPv6 Operations bei der IETF. Sie erlauben das Routen von IPv6-Paketen über ein IPv4-Netz oder umgekehrt. Sie helfen aber nicht dabei, zwischen den "Familien" zu übersetzen. Daher konzentriert sich die IETF insbesondere auf die NAT.

Der in Dublin präsentierte Vorschlag von Comcast-Ingenieur Alain Durand, "Dual-Stack lite", sieht das Tunneln von IP4-Daten von und zum Breitbandkunden durchs IPv6-Netz des Carriers vor. Ein IPv4-IPv4-NAT im Carriernetz setzt die privaten IP-Adressen in global routbare um. IPv4-Ressourcen im Internet bleiben für die Kunden erreichbar, nachdem es keine neuen IPv4-Adressen mehr gibt. Durand unterstreicht den Vorteil, dass so Szenarien mit mehreren NAT-Schichten überflüssig würden. Der IPv6-Datenverkehr würde mit der Nachrüstung auf so genannte Dual Stack Home Gateways problemlos durchgeroutet werden. Comcast habe aber noch nicht entschieden, ob es auch so gemacht werden soll.

Ein Carrier Grade NAT, das den zu raschen Verbrauch der verbliebenen IPv4-Adressen verhindert, dabei aber so standardisiert wird, dass auch P2P-Dienste möglich sind, schlagen auch Entwickler des japanischen Telekomriesen NTT vor. Dabei solle NAT aber als Zwischenlösung auf dem Weg zu IPv6 gesehen werden, das nach und nach vom Kernnetz bis zur Hardware beim Endkunden umgerüstet werden soll.

IPv6 sollte nativ implementiert werden, damit auf Tunnel und Übersetzen verzichtet werden kann, meint Baker. Seines Erachtens könnten Lösungen mit Carrier Grade NAT die Einführung von IPv6 für ein bis zwei Jahre hinauszögern. So sieht das auch Gert Döring, IPv6-Experte beim Münchner Provider Spacenet, der ADSL-Kunden auf Wunsch schon jetzt IPv6-Adressen mitliefert. Döring hofft nach wie vor, dass Inhalteanbieter, aber auch Mailprovider die Zeit bis 2011 nutzen, um ihre Seiten nachzurüsten und für beide Protokolle fit zu machen. "Die Googles sollten ein Interesse an den Nutzern aus Asien haben", sagt Döring. Google hat eine IPv6-Variante seiner Suchmaschine im Frühjahr gestartet.

Wenn für eine Übergangszeit übersetzt werden müsse, favorisiert Baker den Vorschlag aus China IVI, so benannt nach den römischen Ziffern IV und VI. Ohne Übersetzungsmechanismus gehe es nicht, schreibt das Cernet-Autorenteam um Xing Li. Sie sehe bei IVI Vorteile gegenüber ähnlichen Vorschlägen wie NAT64/DNS64. Es erlaube Adresstransparenz, problemlosen P2P-Datenverkehr und "statelessness" in den Gateways. "Statelessness" garantiert, dass ein Gateway oder Filter den Datentransport nicht von spezifischen Informationen über ein durchlaufendes IP-Paket abhängig macht. IVI beruht laut dem Entwurf darauf, IPv4-Adressteile in spezielle, für jeden ISP festgelegte IPv6-Präfixe zu betten. Das macht die Kommunikation mit IPv4- und IPv6-Systemen möglich.

"IVI ist ein Ansatz, der als Brücke zwischen dem IPv4-basierten Cernet und dem IPv6-basierten Cernet 2 seit zwei Jahren eingesetzt wird", sagt Baker. NAT64 dagegen gehe gerade erst richtig an den Start. "Also, wenn man übersetzen muss, würde ich das IVI-Konzept vorziehen." Dass nach wie vor noch so viel an IPv6 gearbeitet wird, findet Baker gar nicht verwunderlich. IP4 sei seit 1981 standardisiert, dennoch werde darin noch viel Arbeit investiert.

Wie rasch sich IPv6 in den kommenden Jahren durchsetzt, ist nach wie vor noch schwer abzuschätzen. Die Verschiebung der IPv6-Übergangsempfehlung im IETF-Memo von John Curran, Vorsitzender des Kuratoriums der nordamerikanischen IP-Adress-Registry ARIN, wurde in Dublin nicht diskutiert. Stillschweigend wurde die "Vorbereitungsphase" nun von Ende 2008 bis Ende 2009 verlängert, für die eigentliche Übergangsphase haben die Providern nun bis 2011 statt bis 2010 Zeit.

Zum 72. IETF-Meeting siehe auch:

Zu IPv6 siehe auch:

(Monika Ermert) / (anw)