Urheberrechtliche Stolperfallen beim E-Learning

Das Multimedia-Kontor Hamburg hat einen Praxis-Leitfaden über Rechtsfragen beim virtuellen Lernen herausgegeben, der sich vor allem an Praktiker richtet und über Aspekte wie Open Content oder Creative Commons aufklärt.

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Das Multimedia-Kontor Hamburg, eine Serviceeinrichtung zur Unterstützung der IT-basierten Modernisierung der Hochschulen der Hansestadt, hat einen Praxis-Leitfaden (PDF-Datei) über Rechtsfragen beim E-Learning herausgegeben. Er soll dazu dienen, im Bereich des virtuellen Lehrens tätige Institutionen und Personen vor allem über die damit verknüpften komplexen urheberrechtlichen Fragen zu informieren. Das knapp 40-seitige Papier richtet sich vor allem an Praktiker wie Autoren, Projektleiter und Hochschulmitarbeiter, die mit der Konzeption beziehungsweise der Verwertung von E-Learning-Material befasst sind. Der Autor des kleinen Handbuchs, der Hamburger Rechtsanwalt Till Kreutzer, erklärt zusätzlich in einem Podcast auf podcampus.de die besondere Rechtslage für Inhalte aus dem Internet.

Jeder E-Learning-Entwickler und -Anbieter sollte laut Kreutzer zumindest über Grundkenntnisse zu allgemeinen urheberrechtlichen Fragen, aber auch zu Themen wie Open Content oder Creative Commons und den damit verknüpften eingeschränkten Copyright-Regelungen verfügen. Denn falls Urheberrechte nicht oder nicht ausreichend beachtet würden, könnten rechtliche Folgen bis zur Unverwertbarkeit des produzierten Lernmaterials drohen. Der Leitfaden erläutert daher Grundzüge der wichtigsten urheberrechtlichen Aspekte in allgemeinverständlicher Sprache. Behandelt wird etwa, wer welche Rechte genießt, welche Nutzungshandlungen zustimmungspflichtig sind oder was bei der Erstellung von Lizenzverträgen beachtet werden muss.

Der Leitfaden legt beispielsweise dar, dass die didaktische Konzeption einer Lehrveranstaltung für sich genommen nicht urheberrechtlich geschützt ist. Der Urheberrechtsschutz könne sich allenfalls auf ein auf dieser Basis ausgearbeitetes Konzept in seiner sprachlichen Ausgestaltung beziehen. Orientiere sich also ein Modul-Entwickler bei der Konzeption seiner Lehrveranstaltung an einem Vorbild, das er im Internet gefunden hat, sei dies keine Urheberrechtsverletzung. Nur wenn er die Vorlage quasi abschreibe, könne dies unter Umständen rechtswidrig sein.

Weiter stellt Kreutzer klar, dass ein Professor über die Rechte an von ihm erstellten E-Learning-Inhalten frei verfügen könne. Wolle die Hochschule diese erwerben, muss sie mit dem Lehrer einen Lizenzvertrag abschließen. Für andere Hochschulangehörige wie wissenschaftliche Assistenten oder studentische Mitarbeiter gelte ein solches "Hochschullehrerprivileg" dagegen nicht, da sie weisungsabhängig handeln würden. Sie sind damit wie "normale" Arbeit- und Dienstnehmer gestellt und müssten ihre Rechte auf die Universität übertragen.

Der Ratgeber warnt auch davor, dass an vielen geistigen Inhalten mehrere Schutzrechte mit unterschiedlichen Laufzeiten bestehen. Erst nach Erlöschen aller Schutzrechte werde der Inhalt in seiner Gesamtheit gemeinfrei. Veröffentlicht ein Verlag etwa editierte Fassungen, Übersetzungen oder andere Bearbeitungen, könnten an den geänderten Versionen eigenständige Urheberrechte bestehen. Vorsicht sei zudem geboten, wenn Fotos von gemeinfreien Werken verwendet werden sollen. So dürfe man etwa nicht ein Foto der Mona Lisa von einer fremden Webseite oder einer Online-Datenbank für ein Lehrangebot nutzen. Das Foto sei unabhängig von der Rechtslage an dem abgebildeten Werk durch das Urheber- oder Lichtbildrecht des Fotografen geschützt.

Für Inhalte, die mit Mitteln der öffentlichen Hand erstellt werden, liegt dem Leitfaden zufolge die Veröffentlichung unter freien Lizenzen nahe. Diese würden schließlich vorrangig der Wissensvermittlung, weniger der Kommerzialisierung dienen. Dies habe die Wissenschaftslandschaft schon vor Jahren erkannt, wie die Verabschiedung der Berliner Erklärung über offenen Zugang zu wissenschaftlichem Wissen im September 2003 gezeigt habe. Darin sprächen sich die Unterzeichner für die Förderung des "Open Access"-Prinzips aus, demzufolge Wissen verstärkt frei über das Internet zugänglich gemacht werden sollte.

Das Handbuch geht zudem auf die so genannten Schrankenbestimmungen ein, wonach Nutzungshandlungen etwa in Form von Zitaten oder Kopien zu wissenschaftlichen Zwecken auch ohne Zustimmung der Rechtehalter vorgenommen werden dürfen. Hier habe das Landgericht München in einem sehr umstrittenen Urteil 2005 entschieden, dass diese Möglichkeiten nicht uneingeschränkt gelten sollen. In dem behandelten Fall hatte ein Mathematikprofessor Kreutzer zufolge relativ umfangreiche Zitate des Komikers Karl Valentin in seinem Vorlesungsskript verwendet. Das Gericht beschloss, dass zwar der Umfang der Zitate in Ordnung gehe und auch ein Zitatzweck gegeben war. Es untersagte dem Professor jedoch, das Skript ins Internet zu stellen, weil es durch die freie Zugänglichkeit des Lehrmaterials die Interessen von Valentins Erben unangemessen beeinträchtigt sah. (Stefan Krempl) / (vbr)