Warner Music will "Downloadsteuer" auf Internetanschlüsse

Mit einer von Providern zu entrichtenden Gebühr pro Anschluss will Warner Music einen großen Topf speisen, aus dem Rechteinhaber entschädigt werden. Nutzer können dafür unbegrenzt Musik aus dem Netz laden. Kritiker lehnen eine solche "Downloadsteuer" ab.

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Mit verschiedenen Strategien versucht die Musikindustrie, den rapiden Verfall ihres alten Geschäftsmodells zu stoppen und dem Musiktausch im Internet Herr zu werden. Das reicht von Abschreckung durch Klagekampagnen und Lobbying für mehr rechtliche Handhabe gegenüber Providern über den zögerlichen Ausstieg aus DRM und den Ausbau attraktiver legaler Alternativen bis zu neuen Abo-Modellen. Major-Label Warner Music will nun eine nicht mehr ganz neue Idee verfolgen: Gegen eine mit der Rechnung für den Internetzugang beglichene Gebühr können Nutzer so viel Musik tauschen, wie sie wollen. Kritiker sind allerdings skeptisch.

Warner-Chef Edgar Bronfman hat den erfahrenen Musikmanager Jim Griffin mit dem anspruchsvollen Projekt betraut, berichtet das US-Wirtschaftsmagazin Portfolio in seiner Online-Ausgabe. Er soll ein Modell entwickeln, nach dem ein aus Zugangsgebühren teilnehmender Provider – die Rede ist von einem Aufschlag von durchschnittlich etwa 5 US-Dollar auf die Internetrechnung – gespeister Topf an die Rechteinhaber verteilt wird und eine Organisation aufbauen, die den ehrgeizigen Plan umsetzt. Für den Rechnungsaufschlag sollen Surfer weltweit die gesamte im Netz verfügbare Musik ohne Beschränkungen herunterladen, kopieren und tauschen können.

Warner Music stehe voll hinter dem Projekt, sagte Griffin dem Magazin. Das größte Problem dürfte allerdings sein, alle Majors und die zahlreichen kleinen Labels unter einen Hut zu bringen. Denn die haben bisher keine erkennbar gemeinsame Strategie. So sprechen die Labels mit Online-Marktführer Apple über Abonnements und planen parallel eigene Angebote auf Abo-Basis. Gleichzeitig verstärken Musik- und Filmindustrie den Druck auf Politik und Provider, die mehr gegen die illegale Verbreitung von geschützten Inhalten tun sollen. Und sie klagen weiter gegen Internetnutzer an Universitäten und in Privathaushalten.

Die Klagen, das meint auch Griffin, seien der falsche Weg. Dagegen könne Warners noch namenloses Projekt einen Topf von bis zu 20 Milliarden US-Dollar jährlich schaffen, der an Künstler und Rechteinhaber ausgeschüttet werden könnte. Werbeeinnahmen könnten das System unterstützen und langfristig möglicherweise ersetzen. Der Register berichtet unterdessen von Plänen, US-College-Studenten eine Art Download-Freibrief auszustellen und die Unis so vor Prozessen zu schützen; die Mittel dafür sollen aus den Studiengebühren kommen.

Kritiker sehen in solchen Modellen weniger eine echte Alternative, als vielmehr eine Form von Schutzgeld. Im Kern, so mutmaßt Michael Arrington bei TechCrunch unter Berufung auf informierte Kreise, gehe es darum, zahlungswilligen Providern das Klagerisiko zu nehmen. Ein anderes Problem von Warners Vorstoß: Im Unterschied zur Kulturflatrate deckt die geplante Gebühr nur die Musik ab. Wenn Filmindustrie, Hörbuchverlage und andere Medienanbieter dem Beispiel folgen sollten, wird Internetzugang wieder teurer. Provider werden die Gebühren kaum aus ihrem Profit begleichen.

Unterdessen beobachten auch Künstler die Betriebsamkeit der Medienindustrie mit wachsender Skepsis. Sie fragen, wo ihr Anteil an den mit Klagekampagnen und Flatrate-Deals erzielten Einnahmen bleibt. In einem in der New York Times veröffentlichten Meinungsartikel erweitert der britische Musiker Billy Bragg diesen Ansatz: Wenn Social Networks wie MySpace oder Bebo.com, die ihre Attraktivität auch den dort eingestellten Inhalten verdanken, von Medienkonzernen geschluckt werden, sollten auch die Künstler von den Millionen-Deals profitieren. Schließlich seien die Inhalte wie eine Investition in ein Startup, die sich dann auch rentieren müsse. (vbr)