Kamera mit Rundumaufnahme

Die Omnicam360 des Heinrich-Hertz-Instituts kann 360-Grad-Livevideos in sehr hoher Auflösung anfertigen.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht
Lesezeit: 4 Min.

Die Omnicam360 des Heinrich-Hertz-Instituts kann 360-Grad-Livevideos in sehr hoher Auflösung anfertigen.

TV-Zuschauer bekommen bei Fußballspielen bisher nur Tore und Fouls aus verschiedenen Perspektiven, wenn sie nach dem Schuss auf die Wiederholung warten. Und dabei dürfen sie auch nicht selbst festlegen, was sie gerne sehen wollen – das macht die Regie des Senders.

Eine kompakte Videokamera, die 360-Grad-Aufnahmen in Fernsehqualität aufzeichnet, bietet die Möglichkeit des Perspektivwechsels nun für jede Szene – und zwar mit Nutzerzugriff. Wird das System etwa am Spielfeldrand in Höhe der Mittellinie positioniert, zeigt es das gesamte Panorama, also einen 360-Grad-Blick. Entwickelt wurde die Kamera namens Omnicam360 von Forschern um Christian Weißig am Heinrich-Hertz-Institut (HHI) in Berlin.

Prototyp der Omnicam360.

(Bild: HHI)

Der Zuschauer soll, so hoffen die Forscher, mit der Technik sein "eigener Kameramann" werden, der am PC, Tablet-Rechner, Smartphone oder auch an modernen Fernsehgeräten ("Smart TV" mit App-Fähigkeiten) die jeweilige Darstellung seiner virtuellen Kamera frei wählen kann – und das in Echtzeit während der Liveübertragung. Der Fernsehgucker kann sich sogar virtuell im Kreis drehen und eine Rundum-Ansicht des Spielfeldes und der Zuschauertribünen genießen. Aus vorgegebenen Blickwinkeln wird so ein aktiv einstellbares Programm. Daran muss man sich zwar anfangs gewöhnen, will die zusätzlichen Perspektiven aber schnell nicht mehr missen, weil sie erlauben, tiefer in das Geschehen einzutauchen – es wird – zwar rein virtuell – persönlicher.

Die Übertragung erfolgt per Internet, die Steuerung der Perspektive wird über eine eigene App vorgenommen. Die maximale Auflösung, mit der Bilder von der Omnicam360 aufgezeichnet werden, liegt bei 10.000 mal 2000 Bildpunkten – also deutlich über dem, was mit Full-HD (1920 mal 1080 Pixel) möglich ist.

Die aktuelle Version ist tragbar.

(Bild: HHI)

Mit knapp 15 Kilo ist die OmniCam360 65 Kilo leichter als ein Vorgängermodell und kann deshalb auch per Steadycam bewegt werden – normalerweise sitzt sie aber auf einem Stativ. Das System ist dabei so groß wie eine Fernsehkamera. "Durch den optimierten Aufbau ist es uns gelungen, sowohl auf eine aufwändige Kalibrierung verzichten zu können als auch die Baugröße drastisch zu verringern. Somit konnten wir auch ein Vielfaches an Gewicht einsparen", sagt Weißig. Die erste Version der Kamera mit ihren 80 Kilo habe noch etwa eineinhalb Quadratmeter Platz benötigt sei daher für die Zuschauer vor Ort teilweise störend gewesen.

Eingebaut in das Gerät sind insgesamt zehn Bildsensoren – quasi zehn Minikameras, die gleichzeitig aufzeichnen und im 360 Grad Winkel angeordnet sind. Eine Spezialoptik sorgt dafür, dass es bei der Panorama-Aufnahme nicht zu optischen Verzerrungen kommt. "Wir haben ein Spiegelsystem entwickelt, das die Eintrittspupillen der Kameras in ein gemeinsames Zentrum verlegt", sagt Weißig, Störende Parallaxenverzerrungen treten so nicht auf. Neben dem horizontalen Abdeckungswinkel von 360 Grad ist auch noch ein vertikaler von 60 Grad möglich. Das sorgt für ein realistischeres Ergebnis.

Blick ins Innere der Kamera.

(Bild: HHI)

Getestet wurde die OmniCam360 auch bereits bei Konzerten. Dabei waren drei Kameras sowohl auf der Bühne als auch im Zuschauerbereich platziert, so dass sich sogar die Position im Raum bestimmen ließ. Geplant ist, Musikfreunden solche speziellen Auftrittsmitschnitte über eine eigene App zu offerieren.

Vorher muss das System aber noch zeigen, dass es auch wirklich fernsehtauglich ist. So ist im Rahmen eines aktuellen Projekts vorgesehen, ein komplettes Konzert der Berliner Philharmoniker mit der Technik nach Japan zu übertragen – in ein Panoramakino.

Die Idee, Video-Aufnahmen mit Rundumperspektive zu erzeugen, die sich während der Wiedergabe anpassen lassen, ist nicht neu – so gibt es etwa für das iPhone verschiedene Kameraaufsätze, die das erlauben sollen. Die Bildqualität kommt dabei natürlich bei weitem nicht an das heran, was professionelle Systeme wie die Omnicam360 erreichen. (bsc)