4W

Was war. Was wird.

Eine künstlich verkürzte Nacht versaut nicht die Freude an der Sonne, die den Pelz endlich wärmt, säuselt Hal Faber in eitler Vorfreude auf den Frühling. Aber ach, Fingerabdrücke und DNA-Analysen können doch wieder alles verderben.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 58 Kommentare lesen
Lesezeit: 8 Min.
Von
  • Hal Faber

Wie immer möchte die Wochenschau von Hal Faber den Blick für die Details schärfen: Die sonntägliche Wochenschau ist Kommentar, Ausblick und Analyse. Sie ist Rück- wie Vorschau zugleich.

Was war.

*** Wieder einmal fegt der Wind über die (sich im warmen Frühlingslicht sonnenden) norddeutsche Tiefebene, wieder einmal ist es Zeit für die einzig künstlich verkürzte Nacht des Jahres und ein paar dünne Witzchen über die Verschwendung des Tageslichtes. Und es kommt noch besser, denn das Eierfest ist vorbei und die überlebenden Hasen Rocken bis zum Droppen. Ein lindenbergfreies Musik-WWWW muss es schon werden, geschrieben am 65. Geburtstag des Mannes, dem wir den FCC-Song verdanken und die Erkenntnis, dass man zum letzten Vorhang mit einem Lacher antreten muss, wenn man mit dem Kauen am Knorpel des Lebens aufhört. Always look on the Bright Side ist schließlich die alternative Nationalhymne von Großbritannien, die ich lieber singe als unsere deutsche Alternative.

*** So brüh im Glanze deines Glückes, Eric! Oder, auf schweizerisch: Allegra! Selbstverständlich wollen wir dabei die Rutles und das großartige Cheese and Onions nicht vergessen. Nun ist die vollendete Beatles-Kopie mit ihrem Humor nicht jedermanns Sache. Aber Heise-Leser leben schließlich in einer Welt voller Ping-Mach-Maschinen und kennen die Grundregel blühender IT-Landschaften: "Das ist unsere Lieblingsmaschine, die Maschine, die 'ping' macht. Wissen sie, wir mieten sie von der Firma, an die wir sie verkauft haben, und so fällt sie unter das monatliche Budget und nicht unter das Gesamtkapital."

*** Musikalisch muss diese Wochenschau schon deshalb sein, weil an diesem Wochenende die derzeit älteste Tonaufnahme der Welt veröffentlicht wird, ein 10 Sekunden langes Stück aus "Claire de Lune", gesungen von einer Frau. Hier im WWWW natürlich präsentiert von France Gall, die es mit Computer Nr. 3 in meine letzte Hitliste der Computermusik schaffte. Sinnigerweise ist das Mondscheinlied, das da vor 150 Jahren auf "intelligentem Papier" gespeichert wurde, ganz ohne die Idee aufgenommen worden, das Ganze wieder abspielbar zu machen. Darum ist die Variante von Debussy und Lydia Kavina auf dem Theremin vielleicht die passendere Version und ein netter Kommentar zur Downloadsteuer obendrein.

*** Er sorgte für schräge Töne und am Ende kam das Aus für die "lautlosen Eisenbahn" ohne großen Knall und mit dem lahmen Argument, dass 3 Milliarden Euro etwas viel sind für den Stoiberpfeil zum Straußenei im Erdinger Moos. Gehört der Transrapid nun in das Museum für ausgestorbene Dinge, zusammen mit dem Stirling-Motor, der CDI und dem Plastikfahrrad, wie die Süddeutsche Zeitung auf totem Papier fabuliert? Oder gehört er zu den Dingen, die jeder Technikfreak in seinem Jetpack haben muss, zusammen mit dem Weltraumlift, der Unterwasserstadt und dem Hooverboard? Mindestens das Sich-Unsichtbarmachen und diese Brille, die durch die Kleidung guckt, müssten doch noch drin sein und der bescheuerte Asimo sollte mir den richtig temperierten Wein einschenken können. Dafür verzichte ich gerne auf den Gedankenleser und cryogenische Schlaftanks in denen die letzten Menschen mit dem Kopf nach unten hängen werden, wenn die Roboter zu Roboterklängen auf den Straßen tanzen. OK, beim Nippel-Gucken gibt es offenbar Fortschritte.

*** Die DNA-Analyse zählt allgemein zu den größten Fortschritten der Zivilisation, der schnöde Fingerabdruck ist nichts dagegen. Trotzdem bekommt eine Aktionsgruppe gegen die DNA-Testerei den Voltaire-Preis, trotzdem warnt (nur auf totem SZ-Holz verfügbar) der Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft Strafrecht vor der übermäßigen Spurensammlung für diese Art der Analyse. Dabei ist es so, das wir schon bei der einfachen Text-Analyse überfordert sind. Man nehme nur das gern abgetippte Adorno-Zitat von der Rückkehr der Faschisten. Mittlerweile scheint der Satz in einer Mail-Signatur zu reichen, den Staat zu provozieren. Wenn das Schule macht, ist die Freiheit des Andersdenkenden dran. Doch weil es von Adorno keinen einzigen Rocksong gibt, sei dieser Schnipsel verlinkt, der anscheinenend Joan Baez gewidmet ist. Ausnahmsweise – wenn es um Musik geht – hat er recht. Aber es gibt ja auch andere Perspektiven. Welcher kurzbehoste Saitenzupfer hat nochmal Adorno gelesen? Schon Sakespeare wusste es: Der Weg zur Hölle ist mit guten Vorsätzen gepflastert.

*** Hier muss zunächst ein kleiner Abstreiter hin. Solche Abstreiter sind besonders in der norddeutschen Tiefebene sehr beliebt, zumal es der Kollege auf den Punkt bringt: "Ich weiß, dass man sich von allem distanzieren sollte, was sich in seiner Umgebung tut." Genau. Also: Ich bin kein Mitglied sonsteiner Glaubensgemeinschaft, aber seit vielen Jahren bei Reporter ohne Grenzen dabei. Denn es ist wirklich so, wie es Hans Leyendecker gerade in der Osnabrücker Zeitung formuliert hat: Verglichen mit Weißrussland, Algerien, Kolumbien oder China ist der Journalismus bei uns zwar interessant, doch nicht lebensgefährlich. Darum findet die Aktion von Reporter ohne Grenzen meine Zustimmung, als Journalisten die Prozedur störten, die ausgerechnet die FAZ mit ihrem sonst durchschlagenden Stauffenberg-Fimmel den "pseudoreligiösen Kitsch der offiziellen Zeremonien" nennt.

*** Leider vergisst das Blatt mit dem klugen Kopf den Hinweis darauf, dass Carl Diem für Hitlerdeutschland diese Schmonzette erfand. Und nett versteckt in einer Geschichte über Teddybären findet sich der Hinweis auf die 866 Millionen Dollar, die McDonalds, Coca Cola, General Electric und einige andere in das durchkommerzialisierte Geschäft stecken.

*** Es hatte vielleicht eine andere Qualität, als das notorisch vor der Pleite stehende Olympische Kommittee in München 1972 die Losung ausgab, dass die Spiele weitergehen müssen. Nun ist das Geschäft Geschäft und die Olympiaringe sind Handschellen. An dieser Stelle sollte ein Link auf die Renft-Combo und ihr Vogel-Lied zur Olympiade von Moskau eingeblendet werden, doch das deutsche Rundfunkarchiv ist treuer Nachlassverhinderer der Ostmusik, daher, muss Pink Lady ran und macht sich im Rückblick nicht einmal so schlecht. Und den Missbrauch der tibetanischen Antilope habe ich auch schon erwähnt, daher bleibt nur noch die Frage übrig: Forever, friends?

Was wird.

Nach der Zeitumstellung zu Ehren des großen William Willet folgen unweigerlich die Bullets, die Aprilscherze der tückischen Art. Sie haben sich hier (als falscher Verdacht so mancher ungläubiger Beobachter) angekündigt und sind noch lange nicht zu Ende. Zu Ehren des Transrapids und der unerfüllten deutschen Möglichkeiten sollte der 1. April eigentlich zum internationalen Borghild-Tag deklariert werden, weil dieser Aprilscherz aus dem Jahre 2005 rund um die Welt ging, bis die falsche Datierung von Stalingrad bemerkt wurde. Sogar eine große deutsche Volkszeitung berichtete darüber. Doch damals gab es ihre anerkannte Korrekturspalte noch nicht. Und heute? Alles wird gut. Die mit Video und Telekom aufgepeppte re:publica ist ausverkauft und die Veranstalter wundern sich über die Tricks und Drohungen, mit denen um Karten gerungen wird. Wenn sie noch Tickets haben, wäre die Bucht der geeignete Platz zum Verhökern. Genau wie in der großen Politik hat der das Sagen, der die dicken Bündel in der Hose hat.

April, April, April. Mit Deep Purple begann die kleine Wochenschau, mit Deep Purple endet sie in einem Monsterstück über das wüste Land, inspiriert von des Dichters Worten, echt deutsch:

April is the cruelest month, breeding
Lilacs out of the dead land, mixing
Memory and desire, stirring
Dull roots with spring rain.
Winter kept us warm, covering
Earth in forgetful snow, feeding
A little life with dried tubers.
Summer surprised us, coming over the Starnbergersee
With a shower of rain; we stopped in the colonnade,
And went on in sunlight, into the Hofgarten,
And drank coffee, and talked for an hour.
Bin gar keine Russin, stamm' aus Litauen, echt deutsch.

(Hal Faber) / (jk)