Mehr Schutz für Verbraucherrechte, Teil 2

Ein neues Gesetz soll die Verbraucherschutzvorschriften harmonisieren. Doch auch die Händler profitieren von den meisten Änderungen.

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Von
  • Marzena Sicking

Im ersten Teil unsereres Beitrags über das Gesetz zur Umsetzung der Verbraucherrechterichtlinie, erklärte Rechtsanwalt Nicolai Amereller, welche Änderungen im Widerrufsrecht ab dem 13.06.2014 zu beachten sind. Der zweite Teil des Beitrags beschäftigt sich mit der Frage, welche weiteren wichtigen Änderungen auf Verbraucher und Unternehmer ab Sommer 2014 im E-Commerce zukommen.

8. Hinsendekosten werden künftig "gedeckelt"

Es ist das Horrorszenario jedes Unternehmers: Der Verbraucher bestellt die eilig benötigte Ware per 24h-Express-Versand. Dies verursacht natürlich einen erheblichen Aufschlag bei den Hinsendekosten. Da der Unternehmer dem Verbraucher bei einem Widerruf nach derzeitiger Rechtsprechung grundsätzlich die Kosten der Hinsendung zu erstatten hat, muss er auch diesen Aufschlag berappen.

Nicolai Amereller ist Rechtsanwalt und arbeitet in der IT-Recht-Kanzlei, Rechtsanwälte Keller-Stoltenhoff und Keller, in München.

Dies ist künftig anders. Neben der Schaffung einer eindeutigen gesetzlichen Regelung (an der es bislang fehlt), dass der Unternehmer die Hinsendekosten erstatten muss, werden diese zugleich gedeckelt. Wählt der Verbraucher künftig eine teurere Versandform als den vom Unternehmer angebotenen Standardversand, bleibt er im Widerrufsfall auf den dadurch verursachten Mehrkosten sitzen. Der Unternehmer muss künftig also nur noch Hinsendekosten in der Höhe erstatten, soweit sie für den von ihm angebotenen Standardversand angefallen wären. Ein klarer Vorteil für den Unternehmer.

9. Verbraucher hat künftig die Kosten der Rücksendung unabhängig vom Warenwert zu tragen

Mit das größte Problem stellt in der Praxis bisher die Übernahme der Rücksendekosten dar. Dabei handelt es sich um diejenigen Kosten, die für den Versand der Ware vom Verbraucher zurück zum Unternehmer entstehen. Genauer gesagt macht die sogenannte "40-Euro-Klausel" vielen Unternehmern Probleme und ist beliebtes Ziel von Abmahnungen. Etwa wenn es an einer vertraglichen Auferlegung der Rücksendekosten fehlt und der Verbraucher trotzdem im Rahmen der Widerrufsbelehrung über die Tragung der Rücksendekosten belehrt wird.

Derzeit verhält es sich so, dass grundsätzlich der Unternehmer die Kosten der Rücksendung zu tragen hat. Besteht jedoch ein Widerrufsrecht des Verbrauchers, entspricht die gelieferte Ware der bestellten und übersteigt der Preis der zurückzusendenden Sache den Betrag von 40 Euro nicht bzw. hat der Verbraucher bei einem höheren Preis der Sache die Gegenleistung oder eine Teilzahlung zum Zeitpunkt des Widerrufs noch nicht erbracht, muss der Verbraucher die regelmäßigen Kosten der Rücksendung tragen, wenn der Unternehmer ihm diese durch vertragliche Vereinbarung auferlegt und ihn über diese Rechtsfolge auch belehrt hat.

Zukünftig ist es genau umgekehrt: Der Verbraucher trägt grundsätzlich die unmittelbaren Kosten der Rücksendung, und zwar unabhängig vom Preis der zurückzusendenden Sache.

Dies gilt aber nicht, entweder wenn der Unternehmer angeboten hat, die Rücksendekosten selbst zu tragen oder wenn der Unternehmer es versäumt hat, den Verbraucher von dieser Rechtsfolge zu unterrichten. Zu erwarten ist auch, dass viele Unternehmer künftig freiwillig die Kosten der Rücksendung übernehmen werden – um den Verbrauchern einen Bestellanreiz zu schaffen. Handelt es sich um nicht paketversandfähige Ware, muss der Unternehmer den Verbraucher zudem bereits in der Widerrufsbelehrung über die Höhe der Rücksendekosten informieren.

In dieser Änderung liegt für den Verbraucher ein klarer Nachteil. Es wird seine Zeit brauchen, bis sich die neue Rechtslage bei den Verbrauchern eingeprägt hat und zu Anfang einigen Diskussionsstoff bieten. Umgekehrt bedeutet dies für den Unternehmer eine erhebliche Kostenersparnis – sofern ihn nicht der Wettbewerb zum Anbieten eines kostenfreien Rückversands zwingt.

10. Verbraucher muss künftig auch nicht paketversandfähige Ware an den Unternehmer zurückschicken

Nach derzeitigem Recht ist der Verbraucher bei einem Widerruf nur dann zur Rücksendung der Ware verpflichtet, wenn die Ware durch Paket versandt werden kann. Im Umkehrschluss muss der Unternehmer nach einem Widerruf solche Waren beim Verbraucher abholen lassen, die sich nicht in einem Paket versenden lassen (z.B. Speditionsware). Künftig muss der Verbraucher sämtliche Waren an den Unternehmer zurückschicken, auch solche, die nicht per Paket verschickt werden können. Der Verbraucher wird sich also daran gewöhnen müssen, nach seinem Widerruf ggf. auch die oft umständliche Beauftragung einer Spedition zu arrangieren.

Die Pflicht zur Rücksendung der Ware besteht nur dann nicht, wenn der Unternehmer dem Verbraucher angeboten hat, die Ware abzuholen.

11. Abwicklung des Widerrufs künftig zügiger

Klare Regelungen gibt es in Zukunft auch bei der Frage, wie lange sich die Parteien mit der Rückzahlung des Kaufpreises bzw. dem Rückversand der Ware Zeit lassen dürfen. Die "empfangenen Leistungen" müssen künftig spätestens nach 14 Tagen zurückgewährt werden. Im Gegenzug wurde damit aber auch die Rückzahlungsfrist hinsichtlich des Kaufpreises und gegebenenfalls der Versandkosten für den Unternehmer verschärft: Dieser hat derzeit 30 Tage ab Zugang des Widerrufs Zeit für eine Erstattung, ab dem 13.06.2014 nur noch 14 Tage.

Die Erstattung durch den Unternehmer muss in Zukunft zudem – sofern nichts Abweichendes mit dem Verbraucher vereinbart wurde – unter Verwendung desselben Zahlungsmittels erfolgen, mit welchem der Verbraucher geleistet hat.

Diese strikteren Regelungen zur Abwicklung des Widerrufs sind vor allem aus Unternehmersicht begrüßenswert. Damit besteht nun eine Handhabe gegen Verbraucher, die bei der Rücksendung der Widerrufsware trödeln.

12. Unternehmer hat künftig ein Zurückbehaltungsrecht, bis Verbraucher den Rückversand nachweist

Zusätzlich kommt den Unternehmern zugute, dass diese künftig die Rückzahlung des Kaufpreises und ggf. der Versandkosten solange zurückhalten dürfen, bis sie die Widerrufsware zurückerhalten haben bzw. der Verbraucher zumindest deren Absendung nachgewiesen hat.

Der Unternehmer muss also künftig nicht an den Verbraucher leisten, und anschließend seiner Ware hinterherlaufen. Dieses Zurückbehaltungsrecht hat der Unternehmer jedoch nicht, wenn er angeboten hat, die Ware beim Verbraucher abzuholen. Klarer Pluspunkt für Unternehmer.

13. Neuerungen beim Wertersatz

Eine Neuregelung werden auch die Wertersatzvorschriften erfahren. Wird bislang vom Gesetz zwischen einem Wertersatz für gezogene Nutzungen aus der Ware und einem Wertersatz für eine Verschlechterung der Ware unterschieden, spielt künftig nur noch der Wertersatz für einen Wertverlust der Ware eine Rolle.

Künftig hat der Verbraucher nur dann an den Unternehmer Wertersatz zu leisten, wenn der Wertverlust der Widerrufsware auf einen Umgang mit den Waren zurückzuführen ist, der zur Prüfung der Beschaffenheit, der Eigenschaften und der Funktionsweise der Waren nicht notwendig war, und er vom Unternehmer ordnungsgemäß über sein Widerrufsrecht belehrt worden ist.

II. Weitere wichtige Änderungen ab dem 13.06.2014

Neben den vorgenannten Änderungen beim gesetzlichen Widerrufsrecht kommen durch die Umsetzung der Verbraucherrechterichtlinie etliche weitere Änderungen auf Verbraucher und Unternehmer ab dem 13.06.2014 zu. Insbesondere die folgenden Änderungen sind zu beachten:

1. Keine Mehrwertdienstenummern mehr zulässig für "Vertragsangelegenheiten"

Bisher ist es üblich, dass Unternehmer für den telefonischen Kundenservice Mehrwertdienstenummern – etwa unter der Vorwahl 0900 – vorhalten. Dies sicher auch nicht zuletzt deswegen, um Verbraucher davon abzuhalten, wegen jeder Kleinigkeit Kontakt zu suchen.

Damit ist künftig Schluss. Für Fragen oder Erklärungen, die den geschlossenen Vertrag zwischen Verbraucher und Unternehmer betreffen, darf letzterer keine Mehrwertdienstenummer mehr vorhalten, wenn ein Anruf auf dieser mehr kostet, als die bloße Nutzung des Telekommunikationsdienstes. Damit dürften nur noch solche Rufnummern zulässig sein, für deren Nutzung maximal der übliche Tarif für innerdeutsche Festnetz- bzw. Mobilfunkverbindungen anfällt.

Damit verbieten sich solche Mehrwertdienstenummern künftig auch als Rufnummer in der Widerrufsbelehrung.

2. Keine Zahlungspflicht bei voreingestellten Nebenleistungen mehr

Ein häufiges Ärgernis stellen für den Verbraucher voreingestellte Nebenleistungen dar, die aus Sicht des Unternehmers die Hauptleistung "abrunden" sollen, etwa beim Kauf eines Handys eine kostenpflichtige Sachversicherung für das Handy. Schaut der Verbraucher nicht genau hin, wird auch dieses "Extra" Vertragsbestandteil und verursacht weitere Kosten. Entsprechend gesetzte „Häkchen“ im Bestellvorgang werden gerne übersehen.

Der Unternehmer hat künftig keinen Anspruch auf ein Entgelt für solche aufpreispflichtigen Extras, wenn diese Nebenleistung aufgrund einer Voreinstellung Vertragsbestandteil geworden ist.

3. Zuschläge für bestimmte Zahlungsarten nur noch begrenzt möglich

Künftig ist eine Vereinbarung unwirksam, nach welcher der Verbraucher dem Unternehmer ein Entgelt schuldet dafür, dass er für die Zahlung des Kaufpreises ein bestimmtes Zahlungsmittel nutzt, wenn für den Verbraucher keine gängige und zumutbare unentgeltliche Zahlungsmöglichkeit besteht (z.B. nur Barzahlung bei Abholung und Aufpreis von 1 Euro für Zahlung via Paypal) oder das vereinbarte Entgelt über die Kosten hinausgeht, die dem Unternehmer durch die Nutzung des Zahlungsmittels entstehen (z.B. Unternehmer muss an Paypal nur 50 Cent Transaktionskosten zahlen, berechnet jedoch 1 Euro Aufschlag für Paypalzahlung).

Mit anderen Worten: Unternehmer dürfen weiterhin Zuschläge für bestimmte Zahlungsarten verlangen, sofern daneben auch eine gängige und zumutbare unentgeltlich Zahlungsart angeboten wird (z.B. Überweisung).

Diese Zuschläge dürfen aber nur die Mehrkosten widerspiegeln, die dem Unternehmer durch die Nutzung der gewählten Zahlungsart entstehen. Der Händler darf also maximal die ihm durch die Auswahl der Zahlungsart tatsächlich gegenüber anderen Zahlungsarten entstehenden Mehrkosten an den Verbraucher weiterreichen.

4. Verschärfung der vorvertraglichen Informationspflichten des Unternehmers

Künftig müssen Unternehmer noch weitergehende vorvertragliche Informationspflichten beachten. So muss in Zukunft an Stelle der Lieferzeit der exakte Lieferzeitpunkt datumsmäßig angegeben werden. Auch muss künftig der Verbraucher über das Bestehen eines gesetzlichen Mängelhaftungsrechts für die angebotenen Waren informiert werden.

III. Ausblick

Die Änderungen durch die Umsetzung der Verbraucherrechterichtlinie erscheinen insgesamt als recht ausgewogen und begrüßenswert. In der Praxis dürfte deren Umsetzung Unternehmer vor erhebliche Hürden stellen. Hier ist eine rechtzeitige Vorbereitung gefragt, der Umstellungsaufwand wird immens sein.

Insbesondere die Neuregelungen zum Widerrufsrecht sind nicht praxistauglich bzw. vom Gesetzgeber nicht konsequent zu Ende gedacht. Gerade im Hinblick auf die ab dem 13.06.2014 zu erteilende Widerrufsbelehrung sind etwa Umstände zu beachten, die der Unternehmer vor dem konkreten Bestellablauf noch gar nicht kennen kann (z.B. ob die getätigte Bestellung in einem Paket versandt werden kann oder in mehreren Paketen getrennt geliefert werden muss), von denen jedoch die Gestaltung der Widerrufsbelehrung abhängt. Dies bedeutet in der Praxis, dass künftig eine "statische" Widerrufsbelehrung – wenn überhaupt rechtskonform – nur noch in Ausnahmefällen möglich sein wird.

In allen anderen Fällen muss die Widerrufsbelehrung jeweils "dynamisch", also unter Berücksichtigung der konkreten Bestellsituation generiert und dargestellt werden. Dies stellt erhebliche Anforderungen an die Shop-Infrastruktur und dürfte gerade kleineren Anbietern erhebliches Kopfzerbrechen bereiten.

Auch die Verbraucher werden einige Zeit benötigen, bis sie sich an die Änderungen gewöhnt haben. Insbesondere die "neue" Pflicht zur Tragung der Rücksendekosten unabhängig vom Warenwert wird hier einigen Unmut auslösen.

Es bleibt also spannend, wie die gesetzlichen Änderungen praxistauglich umsetzbar sind, insbesondere hinsichtlich der bislang größten Reform des gesetzlichen Widerrufsrechts im Fernabsatz seit seinem Bestehen.

Bitte beachten Sie: Der Artikel soll einen Überblick über die wichtigsten Änderungen durch das Gesetz zur Umsetzung der Verbraucherrechterichtlinie bieten. Anspruch auf Vollständigkeit besteht nicht, auch kann der Beitrag eine Rechtsberatung nicht ersetzen. (masi)