Warnung vor Verzögerung der Datenschutzreformen

Datenschützer fordern mit Nachdruck die Verabschiedung der geplanten Datenschutznovellierungen. Damit soll das Opt-in-Prinzip zur Datenweitergabe verankert und das Scoring für die Kreditwürdigkeit reguliert werden.

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Datenschützer fordern mit Nachdruck die Verabschiedung der geplanten Vorstöße zur Novellierung des Datenschutzrechts ein. "Wenn die beiden Gesetze nicht verabschiedet werden, haben die Bürger Zweifel an der Reformfähigkeit des Bundesgesetzgebers", betonte Thilo Weichert, Leiter des Unabhängigen Landeszentrums für Datenschutz Schleswig-Holstein (ULD), am heutigen Dienstag auf der Konferenz Datenschutz in der Informationsgesellschaft in Berlin. Es sei nötig, die Anpassung des Schutzes der Privatsphäre an die digitale Welt "sukzessive anzugehen". Nur in einem solchen "dauernden Prozess" sei ein "wirkungsvolles Datenschutzrecht" zu bekommen.

Der Umstand, dass etwa Großbritannien oder die USA noch "Entwicklungsländer beim Datenschutz" seien, darf laut Weichert nicht als Begründung dafür herhalten, die Hände in den Schoß zu legen: "Dies sollte uns vielmehr Ansporn sein." Die Betroffenen dort "werden es uns danken, wenn wir für die freiheitliche Informationsgesellschaft etwas tun". Besonders verwundert zeigte sich der Datenschützer zugleich, dass gerade der bereits aus dem Sommer stammende Regierungsentwurf zur Regulierung von Auskunfteien und von Scoring für die Bonitätsprüfung ins Stocken geraten sei, nachdem die große Koalition dort zunächst weitgehend Einigkeit gezeigt hatte.

Nach wie vor kritisch betrachtet Weichert den Ansatz der Bundesregierung beim Datenschutzaudit in der zweiten, im Dezember auf den parlamentarischen Weg gebrachten Initiative zur Datenschutzreform. Hier sei erst einmal eine Chance vertan worden, da die Regelungen zur Erlangung eines Gütesiegels zu bürokratisch "und damit voraussichtlich wirkungslos" seien. Die mit dem Vorhaben gekoppelte, von der Wirtschaft mit großer Skepsis beäugte Abschaffung des sogenannten Listenprivilegs, das derzeit die Verwendung personenbezogener Daten wie Adressangaben zu Zwecken der Werbung, Markt- und Meinungsforschung ohne Einwilligung der Verbraucher erlaubt, und die damit einhergehende Einführung eines "Permission Marketing" hätten die Datenschützer dagegen seit 20 Jahren gefordert und sei längst überfällig. Viele Leute würden heute "ganz massiv abgezogen" oder zumindest belästigt. Andererseits bleibe sinnvolle und gewünschte Werbung aber möglich.

Dieter Kempf, Mitglied im Präsidium des Branchenverbands Bitkom, gab dagegen die Parole aus, dass die Politik eine in dieser Legislaturperiode nicht mehr zu schaffende "Runderneuerung des Datenschutzrechts" ins Auge fassen sollte. Dabei sei zu differenzieren zwischen verschiedenen Arten von Daten und dem Kontext ihrer Verwendung. Kempf schweben dabei fünf Klassen vor – von Informationen etwa über die Schuhgröße, die jeder "problemlos" verwenden könne", bis hin zu Angaben über eine benötigte regelmäßige Medikation oder Kontodaten. Derlei besonders sensible Informationen dürften nur mit zwingendem "Opt in" freigegeben werden. Eine allgemeine Anforderung zur Einwilligung in die Datenweitergabe würde indes zahlreiche von Kunden nachgefragte Geschäftsmodelle im Internet töten. Als falschen Ansatz bezeichnete es Kempf generell, "als erstes die Gesetze zu verschärfen und Bußgelder zu erhöhen".

Ursula Heinen-Esser, parlamentarische Staatssekretärin im Bundesverbraucherministerium, verteidigte unterdessen die im Raum stehende Abschaffung des Listenprivilegs und die Verschärfung des Sanktionsrahmens. "95 Prozent der Menschen möchten selbst bestimmen, welche Daten von ihnen weitergegeben werden", verwies sie auf eine aktuelle Umfrage von infratest dimap. "Wir haben viele Beschwerden im Bereich Direktmarketing. Die Leute wundern sich, woher ihre Daten kommen." Die unerlaubte Weitergabe von Kundeninformationen etwa an Call-Center müsse daher "richtig weh tun", um den "gläsernen" Verbraucher zu vermeiden.

Einig waren sich das Verbraucherschutzministerium und der Bitkom am europäischen Safer Internet Day, dass Gesetze allein nicht genügen. Angesichts der Tatsache, dass 61 Prozent der Internetnutzer in den vergangenen zwölf Monaten ihren Namen und Adresse sowie 38 Prozent sogar Kontonummern, Beruf oder Hobbys preisgegeben hätten, sei vermehrt Aufklärung nötig. So würden nur 28 Prozent der Nutzer Datenschutzerklärungen von Webseiten-Betreibern lesen und jeder Dritte verzichte auf Möglichkeiten, Voreinstellungen zur Sicherung der Privatsphäre persönlich anzupassen. Eine Medienkampagne im Rahmen des vom Bundesfamilienministeriums geförderten Projekts "Jugend online" soll Heranwachsende nun im Umgang mit persönlichen Daten im Netz sensibilisieren. Auch eine Verbesserung der Aufklärung durch Verbraucherschutzzentralen ist im Gespräch. (Stefan Krempl) / (jk)