Mit dem WLAN-Gehirn auf Zeitreise

6-Tage-Woche für IT-Experten, Virgle will den Mars kolonisieren und Gehirne mit WLAN-Implantaten besuchen Internetseiten: Der 1. April hatte auch dieses Jahr einiges zu bieten.

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Der erste Tag des zweiten Quartals jedes Jahres scheint ein gut geeigneter Zeitpunkt für die Präsentation seltsamer neuer Produkte und ungewöhnlicher Vorhaben zu sein. So mag sich angesichts der Häufung vieler abstruser, mitunter aber auch nicht völlig abwegiger Nachrichten für den Leser die Lage darstellen, der sich nicht rechtzeitig auf dieses Datum eingerichtet hat – und womöglich auch nicht auf den Tag davor. Wohlgefeite hingegen merken auf, wenn sich ungewöhnliche Konsortien zusammenschließen, um einem grundlegenden Problem der Prozessorfortentwicklung beizukommen, auch wenn ihnen mit einer vermeintlich hanebüchenen, aber durch und durch unscherzig gemeinten Meldung hinterrücks ein Bein gestellt werden soll.

An einem solchen Tag rücken Problematiken in den Vordergrund, über die sich vorher wohl nur wenige Menschen Gedanken gemacht haben. Wie zum Beispiel steht es um den Datenschutz für Hunde, denen auf Anweisung des nordrhein-westfälischen Innenministeriums polymere RFID-Tags im Futter verabreicht werden sollen, damit ihre auf der Straße deplatzierten Verdauungsprodukte anhand einer Kundenkarte ihren tadelhaften Besitzern zugeordnet werden können? Kann das Google-Virgin-Joint-Venture Virgle erfolgreich seinen 100-Jahresplan umsetzen und auf dem Mars eine Kolonie errichten, obwohl der Suchmaschinendienstleister es nicht einmal wie versprochen geschafft hat, im Frühjahr 2007 ein Forschungszentrum auf dem Mond zu eröffnen? Ruiniert die Lokführergewerkschaft GDL ihren Ruf, weil sie wegen der doppelten, aber unbezahlten Stunde zur Sommerzeitumstellung vor dem Bundesverfassungsgericht klagt? Entgehen die Betreiber des Torrent-Trackers The Pirate Bay durch einen Umzug in die Wüste Sinai den juristischen Gelüsten der Musikindustrie?

Um sich derartige Fragen online einzuhandeln, müssen sich die Menschen womöglich künftig nicht einmal mehr hinter einen Computerbildschirm klemmen und neumodische Tastaturen bedienen. Der Zugang zum Netz würde ihnen einfach im Form eines winzigen WLAN-Empfängers direkt unter den Schädel implantiert. Zum Aufrufen einer Internetseite müsste ein derart ausgerüsteter User nur an eine bestimmte URL denken und dieses Signal würde an das WLAN-Implantat gesendet. (Das Gehirn als moderne Display-Hardware, da kommt die Entwicklung von HD-Erweiterungen für HTML 5 gerade recht.) Ein WLAN-Gehirn könnte zum Beispiel an "GMail" denken und dort intuitiv das neue Angebot "Custom Time" nutzen, das nachträgliche elektronische Post ermöglicht. Einer der glücklichen Anwender schildert, er habe mit Hilfe des neuen Dienstes Karten für ein Konzert der Band Radiohead erstanden, obwohl diese nach dem Prinzip "wer zuerst kommt, mahlt zuerst" eigentlich bereits ausverkauft waren.

Für solch einen musikbegeisterten Nutzer retroaktiver E-Mails – vermutlich kein Befürworter des heute von YouTube doch etwas zu exzessiv betriebenen Rickrolling – wäre wohl auch ein Personal Soundtrack T-Shirt interessant. Ein auf der Brust des Kleidungsstücks eingelassener Lautsprecher ermöglicht es seinem Träger, zu jeder Situation im alltäglichen Leben per Fernbedienung den passenden Sound abzuspielen. Für knapp 40 US-Dollar könnte das vorher öde Dasein ähnlich spannend werden wie ein packender Kinofilm.

Der gleiche Anbieter preist einen Betamax-HD-DVD-Konverter an, dessen potenzieller Kundenkreis bestimmt kleiner sein wird als jene Gruppe von Menschen, die eine Software mit Kusshand kaufen würde, die aus jedem CD- und DVD-Brenner ein Blu-ray-Laufwerk macht. Vermutlich ist die Software bei aller Windows-Versessenheit von etwa 90 Prozent der IT-Welt nicht kompatibel mit dem für 2009 angekündigten Mac OS XI. Auf Grundlage der iTunes-Nutzerschnittstelle entwickelt sollen die Nutzer Betriebssystemfunktionen abonnieren können. Der Ausdruck eines Dokuments kostete dann beispielsweise 99 Cent.

Die freie Zeit dafür, dies auszuprobieren, dürfte zumindest für IT-Experten hierzulande knapp werden. Es scheint, als habe der Branchenverband Bitkom die Lösung für den von ihm immer wieder gerne angebeteten heraufbeschworenen Fachkräftemangel auf ein Arbeitspapier geschrieben: die 6-Tage-Woche ohne Lohnausgleich. Um neben diesem Pensum auch noch das andere Leben bewältigen zu können, wären alle durch Ampeln erzwungenen Stopps im Straßenverkehr natürlich äußerst störend. Diese ließen sich aber leicht mit Hilfe von per Java-fähigem Handy absetzbaren Durchfahrtserleichterungen umgehen, wie sie sonst nur Beamte im höheren Dienst und prominente Persönlichkeiten erhalten.

Zu Aprilscherzen im Web siehe auch:

(anw)