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Von "Killerspielen" und Spiel-Indizierungen: Bewegung bei Alterseinstufungen

So viel haben PC- und Konsolen-Daddler ebenso wie Eltern sicher mitbekommen: Sogenannte Killerspiele können seit Anfang Juli schneller als bisher als jugendgefährdend auf dem Index landen.

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Von
  • Florian Oertel
  • dpa

So viel haben PC- und Konsolen-Daddler ebenso wie Eltern sicher mitbekommen: Sogenannte Killerspiele können seit Anfang Juli schneller als bisher als jugendgefährdend auf dem Index landen. Aber was bedeutet das eigentlich? Und wer bestimmt bei einem "normalen" Spiel, welche Alterskennzeichnung auf die Verpackung und den Datenträger kommt? Auch hier hat sich zuletzt einiges geändert – nicht nur, dass diese Kennzeichnung künftig deutlich größer ausfallen muss als bisher.

Das neue Jugendschutzgesetz stellt eine erste Überarbeitung des Jugendmedienschutzrechts nach dessen Novellierung 2003 dar; damals traten in der Folge der Diskussion über die Gefährdung von Jugendlichen und Kindern durch Computerspiele und Internetseiten nach dem Amoklauf in Erfurt Bestimmungen zum Jugendmedienschutz in Kraft. Diese wurden nun erweitert. Ein indiziertes Spiel darf in Deutschland nicht öffentlich – also an Orten, zu denen Jugendliche Zutritt haben – verkauft werden. Auch Werbung und der Verkauf im Versandhandel sind verboten. Indizierungen spricht die Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien (BPjM) aus. Dazu hat sie durch eine seit dem 1. Juli wirksame Änderung des Jugendschutzgesetzes mehr Befugnisse als zuvor. So kann die BPjM jetzt etwa auch Spiele auf den Index setzen, in denen "Gewalthandlungen wie Mord- und Metzelszenen selbstzweckhaft und detailliert dargestellt werden" und in denen Selbstjustiz als einzige Lösung eines Problems propagiert wird. Außerdem wurden die Kriterien erweitert, nach denen ein Spiel automatisch als indiziert gilt. Das ist ab sofort auch bei Titeln der Fall, die "besonders realistische, grausame und reißerische Darstellungen selbstzweckhafter Gewalt beinhalten, die das Geschehen beherrschen". Die dritte wesentliche Neuerung des Jugendschutzgesetzes, die Computer- und Videospiele betrifft, besagt: Die Alterskennzeichnung hat in Zukunft deutlich größer auszufallen als bisher: "Sie muss mindestens zwölf Quadratzentimeter abdecken", erläutert Michael Trier.

Nichts geändert hat sich sich an den Alterseinstufungen: Da sind zum einen Spiele, die ohne jede Altersbegrenzung in die Läden dürfen. Die nächsten Stufen sind "6", "12" und "16". "18" bedeutet: "keine Jugendfreigabe". Außerdem gibt es Spiele, denen die Kennzeichnung verweigert wird: Das sind die Titel, bei denen die BPjM tätig wird und in der Regel auch eine Indizierung verhängt. Organisiert wird die Kennzeichnung von PC-, Konsolen- und auch Onlinespielen wie "World of Warcraft" von der Unterhaltungssoftware Selbstkontrolle (USK) aus Berlin – bisher getragen vom Förderverein für Jugend und Sozialarbeit. Zum 1. Juni haben diese Trägerschaft zwei Industrieverbände übernommen: der Bundesverband der Entwickler von Computerspielen namens G.A.M.E. und der Bundesverband Interaktive Unterhaltungssoftware (BIU) – beide ebenfalls mit Sitz in Berlin. Ausgerechnet zwei Industrieverbände sollen für eine ausgewogene Alterskennzeichnung ihrer Produkte sorgen – kann das gutgehen? "Ja", sagt BIU-Sprecher Olaf Wolters. Denn tatsächlich liege die Entscheidungsgewalt bei den Bundesländern: "Das Jugendschutzgesetz schreibt vor, dass die Obersten Landesjugendbehörden die Kennzeichnung vornehmen. Und die bedienen sich dabei der USK."

Diese fungiert somit als Dienstleister – und bedient sich eines Kreises unabhängiger Experten. "Wir haben sogenannte Sichter, das sind vier geschulte Studenten", erklärt Olaf Wolters. Sie spielen die Titel, die die Hersteller einreichen müssen, so lange, bis sie einen genauen Eindruck davon haben, was darin vermittelt wird. "Das kann eine Woche dauern, aber auch einen Monat." Dann präsentieren sie die unter die Lupe genommenen Spiele einem fünfköpfigen Gremium. Dieses besteht aus vier von insgesamt rund 60 Gutachtern der USK, darunter Lehrer, Pädagogen oder Mitarbeiter von Jugendämtern. Komplettiert wird das Gremium vom Ständigen Vertreter der Obersten Landesjugendbehörden bei der USK. "Es entscheidet mit Mehrheit, aber der Ständige Vertreter hat immer Vetorecht", erläutert Olaf Wolters.

Der Ständige Vertreter heißt Jürgen Hilse. Oft sei das Abgrenzen schwierig, sagt der Psychologe. "Wenn ein Spiel zum Beispiel die Freigabe ohne Altersbeschränkung erhalten soll, darf es unter anderem keinen durchgehenden Spannungsbogen geben, es darf nicht zu hektisch und es muss freundlich und bunt sein." Entwicklungspsychologisch ganz viel laufe in den Jahren zwischen dem sechsten und dem zwölften Geburstag ab. Entsprechend heikel sei mitunter die Entscheidung, ob ein Spiel mit einer "6" oder einer "12" in die Läden kommt. Das gelte auch für die Frage "16" oder "18"? Hier kann zum Beispiel der Realismusgrad eines Titels den Ausschlag geben: Je realitätsnaher und damit unter Umständen drastischer das Spiel, desto höher die Chance, dass es auf eine "18" hinausläuft.

Mit einem verbreiteten Vorurteil räumt Jürgen Hilse auf – dass die Hersteller überwiegend Brutales und Angsteinflößendes auf den Markt werfen: "Nur 1,5 Prozent der Spiele werden nicht gekennzeichnet." Von den gekennzeichneten erhalten rund drei Viertel eine "0", eine "6" oder eine "12". Der Löwenanteil des restlichen Viertels erhält die Freigabe für Jugendliche im Alter ab 16 Jahren. "Und lediglich fünf Prozent bekommen eine "18"."

Siehe dazu auch:

Siehe dazu auch den Online-Artikel in c't-Hintergrund zur bisherigen Berichterstattung über die Diskussion um das Jugendmedienschutzrecht, Gewaltspiele, Verbotsforderungen und Beschränkungen für Jugendliche bei Spielen:

(Florian Oertel, dpa) / (jk)