Nokia-Microsoft-Deal: Ballmer verspricht Win-Win für alle

Microsoft-Chef Steve Ballmer sieht für Mitarbeiter, Aktionäre und Endkunden beider Unternehmen eine "Win-Win-Situation" aufkommen.

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Im letzten Jahr seiner Regentschaft fädelt Steve Ballmer noch einen prominenten Einkauf ein: Für fünfeinhalb Milliarden Euro, die steuerschonend aus gut gefüllten Kassen außerhalb der USA entnommen werden, sichert er Microsoft das Herzstück Nokias. Ballmer verspricht eine "Win-Win-Situation für Mitarbeiter, Aktionäre und Endkunden beider Unternehmen". Ab dem Finanzjahr 2015 sollen sich positive Auswirkungen des Kaufs in Microsofts Finanzzahlen widerspiegeln, ab 2016 auch oberhalb der Wahrnehmungsschwelle.

"Wir sehen langfristig signifikante Umsatz- und Gewinnmöglichkeiten für unsere Aktionäre", wird Ballmer in einer Microsoft-Mitteilung zitiert. Aus weiteren Unterlagen geht hervor, dass sich, eineinhalb Jahre nach dem Closing, Synergieeffekte von 600 Millionen US-Dollar ergeben sollen. Ein konkretes Beispiel dürften Lizenzzahlungen an Samsung sein: Microsoft hat offenbar Verträge mit den Südkoreanern, die zukünftig den Handyverkauf ohne zusätzliche Zahlungen an Samsung abdecken.

"Wir werden fortfahren, iPhone und Android/Galaxy-Geräte mit unseren Services zu unterstützen", beruhigt der Softwarekonzern. "Aber wir können es nicht riskieren, dass Google oder Apple uns von Innovationen, Integration, Vertrieb oder Kostenvorteilen ausschließen."

Ein ausgeglichenes Betriebsergebnis der Abteilung Smart Devices will Microsoft erreichen, sobald mehr als 50 Millionen Geräte pro Jahr verkauft werden. Mit Smartphones alleine wird das nicht so bald klappen, denn Nokias Marktanteil in diesem Segment ist in den niedrigen einstelligen Prozentbereich abgestürzt.

Microsoft erwartet, dass 2018 weltweit 1,7 Milliarden Smartphones ausgeliefert werden. Wenn davon 15 Prozent aus dem eigenen Haus kämen, wären das 255 Millionen Stück, wofür Microsoft unverbindlich mit einem Umsatz von etwa 45 Milliarden US-Dollar kalkuliert (was einem durchschnittlichen Stückpreis von rund 175 Dollar entspräche).

Doch es geht um mehr als nur Handys, es geht um ein zusammenhängendes System verschiedener Gerätegattungen samt passender Dienstleistungen: "Geräte helfen Services und Services helfen Geräten", ist in einer aktuellen Powerpoint-Präsentation von Microsoft zu lesen. "Erfolg mit Telefonen ist wichtig für Erfolg mit Tablets. Erfolg mit Tablets wird den PCs helfen. Wir werden zusätzliche Schritte setzen, um das App-Ökosystem für Windows zu bewerben."

Im ersten Halbjahr dieses Jahres hat Nokia mehr als 12 Millionen Windows Phones ausgeliefert. Mit Smartphones, smarten Uhren und anderen Smart Devices sollten 50 Millionen Geräte pro Jahr also keine Hexerei sein, solange die gebotenen Services mit Google und Apple zumindest mithalten können.

Für die Dienstleistungen spielt die Lizenzvereinbarung über Nokias HERE-Plattform eine wichtige Rolle, denn Microsoft sieht Bedarf an einer effektiven Alternative zu Google, an "mehr als einer 'digitalen Landkarte der Welt'". HERE-Daten sollen mit hauseigenen Informationen verknüpft und aufgewertet werden.

Der alsbald ehemalige Nokia-Manager und ebenso alsbald ehemals ehemalige Microsoft-Manager Stephen Elop freut sich darauf, Microsofts Softwareentwicklung mit Nokias Produktentwicklung, Design, Vertrieb, Marketing und Produktion zusammenzuführen. Tatsächlich hätte Microsoft viel Zeit und womöglich mehr Geld gebraucht, vergleichbare Strukturen für Einkauf, Produktion und Vertrieb tragbarer Geräten aufzubauen. Insbesondere beim weltweiten Einkauf spielt das Volumen eine große Rolle.

Die Marketing-Abteilungen sollen zusammengelegt werden, was die in der bisherigen Partnerschaft bestehenden "Friktionen" beseitigen soll. Mit eigenen Mobiltelefonen möchte Microsoft seinem Betriebssystem Windows Phone generell mehr Aufmerksamkeit verschaffen. Jedenfalls winkt dem Konzern eine höhere Gewinnspanne pro Gerät, als wenn er nur Softwarelieferant bleibt. Alternativ könnte Microsoft auch die Preise senken. Letzteres zeigt Google mit seinen zwar nicht selbst produzierten, aber in Auftragsfertigung hergestellten und selbst vermarkteten Nexus-Geräten vor.

Trotz allem will Microsoft auch in Zukunft Partner haben, die eigene Windows-Phones auf den Markt bringen. Für sie sollen sich sogar neue Möglichkeiten eröffnen, wenn sie "eine Vielfalt von Märkten" ansprechen. Vielleicht verraten Ballmer, Elop & Co in der Telefonkonferenz am Nachmittag, wie sie sich das genau vorstellen. Bei britischen Buchmachern war der Kanadier Elop vergangene Woche sogar Favorit für die Nachfolge Ballmers. (anw)