Auf der Suche nach der Quelle aggressiven Verhaltens

US-Forscher untersuchen, welche Veränderungen im Gehirn zu besonderer Gewaltneigung führen können.

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Fast jeder kennt Menschen, die ein höheres Wutpotenzial haben als andere – den Kneipenbesucher, der sich mit wirklich jedem anlegt, oder den Taxifahrer, der bei jeder roten Ampel zu explodieren droht, beispielsweise. Nicht immer bewegen sich diese Personen im Rahmen der normalen menschlichen Bandbreite. US-Forscher untersuchen derzeit, welche Veränderungen im Gehirn dafür verantwortlich sein könnten, dass manche Menschen deutlich gewalttätiger und aggressiver sind als andere, berichtet das Technologiemagazin Technology Review in seiner Online-Ausgabe.

In einer Studie, die in der vergangenen Woche bei einer Konferenz der amerikanischen "Society for Neuroscience" im kalifornischen San Diego vorgelegt wurde, verwendeten Wissenschaftler die funktionelle Magnetresonanztomographie (fMRT), um die Gehirnaktivitäten einer kleinen Gruppe männlicher Jugendlicher zu untersuchen, die als "reaktiv aggressiv" galten. "Diese Kids reagieren stets überdeutlich: Sie schlagen jemanden oder treten gegen eine Tür. Doch im Nachhinein bereuen sie es", erklärt Guido Frank, Hirnforscher und Arzt an der University of California in San Diego, der die Studie leitete. "In diesem Moment können sie sich selbst nicht unter Kontrolle halten."

Führte man diesen Jungen Bilder bedrohlicher Gesichter vor, zeigte sich im Vergleich zu einer Kontrollgruppe eine höhere Aktivität im so genannten Mandelkern (Amygdala), einem Teil des Gehirns, der mit Ängsten in Verbindung steht. Gleichzeitig wurde aber auch eine geringere Aktivität im präfrontalen Cortex festgestellt, der für logisches Denken und Entscheidungsfindung mitverantwortlich sein soll. Diese Ergebnisse scheinen eine neurobiologische Erklärung für das Verhalten der Problemkinder zu liefern: Sie fühlen Ängste stärker – und das spiegelt sich wiederum in einem überaktivierten Mandelkern wider. Gleichzeitig können sie ihre Aktionen weniger leicht kontrollieren, weil ihr präfrontaler Cortex langsamer arbeitet. "Sie denken zu diesem Zeitpunkt wohl einfach nicht über die Konsequenzen nach", erklärt Frank.

So eindeutig dieses Ergebnis auch klingen mag – die Bewertung ist unter Fachleuten sehr umstritten. Bildgebende Verfahren können nur ein Risiko mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit vorhersagen. "Je mehr wir die Neurobiologie von Gewalttätigkeit und Aggression verstehen, desto mehr muss uns auch klar werden, dass diese Faktoren nicht deterministisch sind", sagt Craig Ferris, ein Neurowissenschaftler an der Northeastern University, der den Bereich untersucht. Der Mensch sei "nicht Sklave seiner Biologie", Umwelteinflüsse seien mindestens ebenso wichtig.

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(bsc)