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Was war. Was wird

Die Wochenschau von Hal Faber: Von GroĂźen BrĂĽdern und Bildern, IQ und Intelligenzquotienten, PR-Katastrophen und Guerillakriegern.

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Von
  • Hal Faber

Wie immer möchte die Wochenschau von Hal Faber den Blick für die Details schärfen: Immer wieder gibt es Informationsbröckchen, die es nicht zur richtigen Nachricht schaffen. Sie mögen nicht in das Bild passen, das eine Firma von sich präsentieren will. Sie passen nicht in die angesagten Technik-Trends oder sie sind wirklich so kümmerlich, dass es der Sammlung bedarf. Manches bleibt auch unterhalb der Aufmerksamkeitsschwelle: Menschen, Computer, Sensationen verdecken den Blick auf Hintergründiges und Zusammenhängendes. Die Wochenschau ist Kommentar, Ausblick und Analyse. Sie ist, so es die Bröckchenlage zulässt, Rück- wie Vorschau zugleich.

Was war

*** Kein Mensch kann das vier Tage nach dem Ende der Messe noch hören, das kleine, eigentlich harmlose Wörtchen CeBIT. Ich übrigens auch nicht. Ein paar Anmerkungen erscheinen aber noch notwendig. Allenthalben herrscht nur Zufriedenheit. Die Messegesellschaft brüstet sich mit neuen Rekorden; die Aussteller werfen zwar diverse Zahlen in den Raum, wie viele Arbeitskräfte denn fehlen und wie schlecht es der Branche darob geht, schwafeln aber im gleichen Atemzug von unzähligen "Kundenkontakten" und sehen unerhörte Profite auf sich zukommen. Kein Wunder, dass der Veranstalter der CeBIT angesichts all der Begeisterung auch ein Stückchen vom Kuchen abbekommen will: Eine Ausdehnung der CeBIT um ein oder zwei Tage oder gar eine Aufspaltung in zwei Messen sind in der Diskussion. Die Ritter der Virtualität satteln ihre Rosse und reiten in Hannover ein, um sich ganz real gleich über eine Woche oder mehrmals im Jahr zu treffen? Klasse Idee. Ich plädiere für eine virtuelle CeBIT, eine E-CeBIT, um einmal ganz aus der Reihe das in der letzten Wochenschau gekürte Unwort, beziehungsweise den Un-Buchstaben des Jahres 1999 aufzugreifen. Keine Staus mehr auf dem Messeschnellweg, keine überfüllten Restaurants mit zur fünften hannoverschen Jahreszeit schnell heraufgesetzten Preisen, keine wund gelaufenen Füße mehr. Paradiesische Zustände. Aber die Branche ist wohl noch nicht intelligent genug, um sich auf intelligente Veranstaltungen einzulassen.

*** Apropos Intelligenz: Vielleicht gibt es Newsticker-Leser, die das Akronym IQ mit Intelligenzquotient auflösen. Das ist ab sofort nur noch bedingt richtig. IQ wird beim Elektronikkonzern Electrolux gerade zu einem Markennamen für einen neuen Herd umgebaut, für das "kochende Superhirn, das verschiedene Gerichte auf mehreren Ebenen gleichzeitig zubereitet". Die dafür notwendigen automatischen Kochprogramme werden von einem aufwändigen Verfahren namens Multitasking gesteuert, versichert uns Electrolux. "Die Programme werden mit einem vernetzten elektronischen Kochbuch und einem elektronischen Stift bedient". Das ist nicht alles: das Multitasking scheint so kompliziert zu sein, das die Rezepte zuvor von der Web-Site einer Feinschmeckerzeitung zu laden seien, klärt uns der PR-Text über den "Herd von morgen" auf, der es mit mangelndem IQ (klassische Definition) gestern nicht in den Newsticker schaffte. Multitasking betreibt der Mensch, der morgens Kaffee und Eier kocht, einen Toast anwirft und dabei wwww liest, ganz ohne IQ.

*** Ist es ein Zeichen von Intelligenz, wenn Microsoft auf der in Hannover verteilten CD-ROM "Microsoft CeBIT 2000 -- Rundum informiert" dem Besucher eine im Hauptverzeichnis der CD gespeicherte Datei mitgibt, die Namen und Passwort eines Webmasters enthält, der einen zentralen MS-Server verwaltet? Nicht wirklich -- die Qualitätssicherung deutscher Firmen ist nun einmal mangelhaft, was die Zusammenstellung einer Master-CD anbelangt. Anders als in den USA gibt es hier zu Lande keinen Dienstleister, der eine CD bis ins letzte Detail überprüft, ob da nicht irgendwo Pornobildchen oder ein kompletter Installationssatz von Office 2000 in irgendeinem Unterverzeichnis versteckt ist. Ist es ein Zeichen von Intelligenz, wenn Microsoft und MSN alle Werbebanner-Anzeigen bei den Online-Angeboten storniert, die über diesen Lapsus berichteten? Ja, denn Microsoft begründete die Stornierung mit möglichen Sicherheitseinbrüchen auf den hauseigenen Servern. Wie viel IQ braucht es, um einen Benutzeraccount und ein Passwort zu ändern, wenn der Fehler aufgeflogen ist?

*** Big Brother is watching you, lautet ein überholter Slogan aus dem Jahre 1984. Heute geht er anders: You are watching Big Brother. Nein, nicht die Fernsehsendung ist gemeint, sondern die vielen Bilder, die unser Kulturgut ausmachen. Etwa Einstein, der die Zunge rausstreckt, die Explosion der Raumfähre Challenger oder der Blackpower-Gruß bei den olympischen Spielen in Mexiko. All diese Bilder gehören der Firma Corbis, die wiederum einem bekannten Namen unserer Branche gehört: Bill Gates. Im Jahre 1995 begann Gates, Corbis mit Milliarden zum größten Bilderfundus der Welt aufzubauen. Er erwarb für rund 20 Millionen US-Dollar die 15 Millionen Fotos des Bettmann-Archivs, er kaufte die gesamten Bildrechte der Londoner Nationalgalerie, der US-Kongressbibliothek und des Kunstmuseums von Philadelphia. Im letzten Jahr kaufte Corbis für ungefähr 15 Millionen US-Dollar die Rechte der drittgrößten Bildagentur Sygma (etwa 40 Millionen Bilder) und erwarb die Bildrechte der Petersburger Hermitage sowie des bedeutenden Kimball Museums in Texas. In der letzten Woche konnte Corbis gleich drei Neuzugänge melden: Saba Press mit 2 Millionen Fotos und TempSport, eines der größten Sportfotoarchive der Welt mit 4 Millonen Bildern. Gegenüber den Millionen nehmen sich die 2500 Fotografien von Ansel Adams bescheiden aus, doch mit ihnen kaufte Corbis amerikanische Ikonen. Im Bildbereich ist die Gates-Firma übrigens nicht mehr der Markführer: am Montag erwarb Getty Images, die Nummer 2 der Bildersammler für 220 Millionen Dollar die Nummer drei, die Visual Communications Group. Die Sammlungen von Getty und Corbis werden nun jeweils auf 70 Millionen Bilder geschätzt. Beide sollen sich in diesem Jahr eine Schlacht um noch verbleibende europäische Archive wie das italienische Alinari Archiv (15 Millionen Fotos) liefern. Eine halbe Milliarde Dollar soll in den Kriegskassen der beiden Firmen schlummern. Was Corbis anbelangt, so ist die Firma weit weg von ihren Anfängen als "Interactive Home Systems". Damals ging es nur darum, die Bildrechte für "30 bis 60 Bilder" zu kaufen, die Bill Gates in den elektronischen Wechselrahmen seines neuen Hauses zeigen wollte.

*** Craig McCaw ist einer der engsten und besten Freunde von Bill Gates. Zusammen betreiben sie Teledesic, ein Unternehmen, das zur Beförderung der Datenkommunikation viele kleine Satelliten in den Himmel schießen will. McCaw selbst betreibt die Investment-Firma Eagle River, die zusammen mit Motorola eine Finanzspritze stellte, die Iridium bis zum 6. März funktionsfähig erhalten sollte. Iridium ist das weltumspannende Satellitensystem für globales Telefonieren, das im Sternbild des Pleitegeiers fliegt. Am Wochenende spuckten nun die Redaktionsfaxe eine Stellungnahme von Eagle River aus, nach der es keine weitere Finanzspritzen für Iridium geben wird. Sprache ist out, wie man gut an den anstehenden UMTS-Versteigerungen sehen kann. Stattdessen will sich Eagle River darum bemühen, die datenzentrierte Londoner ICO Global Comunnications mit Teledesic zu verschmelzen.

*** Auch DIRC setzt voll und ganz auf die Datenkommunikation. Die Internet-Verbindung soll die Killer-Anwendung des selbstorganisierenden Funknetzes sein, Sprache wird hier nur als Voice-over-IP realisiert werden. Am vorletzten Messetag der CeBIT gab es die erste öffentliche DIRC-Kommunikation in einem größeren Rahmen. Sie war ein Lehrstück deutscher Gründlichkeit: 4 Professoren referierten ausführlich zwei Stunden lang über die Grundlagenforschung, die hinter DIRC steht, erst danach gab es eine Demonstration der DIRC-Stationen. "Wenn DIRC etwas braucht, dann ist dies ein potenter Investor", hieß es lange Zeit. Mit MCI/Worldcom hat man anscheinend einen Investor gefunden, der sich auf das Abenteuer einlässt, die Deutschen von der Telekom-Orientierung zu befreien. Wenn DIRC etwas braucht, dann ist es ein PR-Berater. Spätestens, wenn Gates und McCaw sich an dem Laden beteiligen, wird sich zeigen, wie solch ein Konzept vermittelt werden kann.

Was wird

Kaum ein Wirtschaftsteil, in dem nicht Artikel über das neue deutsche Börsenfieber zu finden sind, in dem nicht vor dem Bauernglauben der Anleger gewarnt wird. Zurzeit sind Warnungen eine ziemlich zwecklose Sache, fast jede Internet-Emission startet an den Börsen mit Karacho. So dürfte es auch im Fall des Börsenganges der Suse Linux AG gehen. Nun will sich in den nächsten Wochen ein echter deutscher Verein gründen, der über die Börse 51 Prozent der Suse-Aktien übernehmen soll. Der Wüs e.V. -- wir übernehmen Suse -- hat sich nicht einmal das süße Leben als Linux-Millionär zum Ziel gesetzt. Nein, es geht ums Große Ganze, die angeblich falsche Umsetzung der Distribution von Linux.

Ziel des Vereins ist es, nach der erfolgreichen feindlichen Übernahme von Suse das "Auslaufen der derzeitigen von Suse vertriebenden Linux-Distribution" zu verkünden und sie durch "die Unterstützung einer hier nicht genannten freien anderen Distribution" zu ersetzen. Auch eine nette Sache: Statt Religionskriegen zwischen Microsoft-Soldaten und Linux-Guerillas nun der finale Fight zwischen den Ideologen der diversen Linux-Distributionen. Anscheinend gibt es momentan in der EDV-Branche nichts, was man sich nicht vorstellen könnte. Noch suchen die Initiatoren allerdings die zur Vereinsgründung notwendigen sieben Mitglieder. Die Gemeinnützigkeit des Vereins soll dadurch gewährleistet werden, das 3/4 der Dividendeneinnahmen in Obdachlosenprojekten gesteckt werden sollen. Eine neue Qualifizierungsoffensive kann anlaufen. Wir sehen ihn schon, den Vorwurf, dass die Obdachlosen die Linux-Szene abzocken. (Hal Faber) (jk)