Computer-Auswertungen entlasten Amoklauf-Verdächtigen

Die Jugendlichen, die verdächtigt wurden, morgen ein Massaker an einem Kölner Gymnasium verüben zu wollen, hatten offenbar schon vor Wochen Abstand von dem Plan genommen. Das belegen Dateien und Chat-Protokolle auf den sichergestellten Computern.

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Von
  • Peter-Michael Ziegler

Für die Presse hat die Geschichte vom verhinderten Schulmassaker in Köln Aufmacher-Potenzial: Zwei Jugendliche im Alter von 17 und 18 Jahren, die ihre Lehrer und Mitschüler am Georg-Büchner-Gymnasium nach dem Vorbild US-amerikanischer Amokläufe kaltblütig niedermetzeln wollten. Ein neues Columbine, ein neues Erfurt, ein neues Emsdetten. Wieder sensibilisiert für das Thema war die Öffentlichkeit spätestens seit dem 7. November, als ein 18-jähriger Abiturient das Gymnasium einer finnischen Kleinstadt durchstreifte, 69 Kugeln abfeuerte und dabei acht Menschen tötete.

Nachdem es zunächst hieß, die mit Softair-Waffen und Armbrüsten geplante Kölner Tat habe nach der entdeckten Vorankündigung im Internet nur durch schnelles Handeln von Schulleitung und Polizei verhindert werden können, stellt sich inzwischen heraus, dass zumindest der ältere der beiden Schüler die Pläne für einen Amoklauf bereits vor vier Wochen aufgegeben hat. Dies hätten Computerdateien und Chat-Protokolle auf den sichergestellten Computern der Jugendlichen belegt, erklärte der Kölner Oberstaatsanwalt Alf Willwacher am heutigen Montag.

Ein Sprecher des zur Holtzbrinck-Gruppe gehörenden Community-Portals SchülerVZ bestätigte unterdessen, dass der jüngere der beiden Schüler Bilder "eines Massakers in den USA" auf SchülerVZ veröffentlicht habe. Der Jugendliche, der sich nach ersten Vernehmungen vor eine Straßenbahn geworfen hatte und dabei tödliche Verletzungen erlitt, soll fünf Fotos des Massakers an der Columbine-Highschool (1999) platziert haben, die dann von Mitschülern entdeckt wurden. "Wir haben einen Anruf von der Polizei bekommen und das Profil des Jungen umgehend gesperrt" sagte der Sprecher der dpa.

Gegenüber der Schulleitung und der Polizei soll der Jugendliche ausgesagt haben, mit den von ihm ins Internet gestellten Bilder habe er lediglich auf die Problematik von Amokläufen aufmerksam machen wollen. Bei SchülerVZ durchforsten Unternehmensangaben zufolge 50 Mitarbeiter das Netzwerk regelmäßig nach problematischen, zum Beispiel anstößigen oder rechtswidrigen Beiträgen. "Die Nutzer machen auch gegenseitig auf sich aufmerksam", erklärte der SchülerVZ-Sprecher. Die Anlässe reichten dabei von harmlosen Zankereien bis zu ernsthaften Hinweisen etwa auf deutlich rechtsorientierte Gruppen.

Der Bundesvorsitzende der deutschen Polizeigewerkschaft (DPOLG), Rainer Wendt, sagte der Tageszeitung Die Welt, dass nahezu alle Attentate dieser Art im Internet angekündigt würden. "Leider müssen wir damit rechnen, dass Amok-Taten an Schulen und Universitäten immer wieder Nachahmer finden werden." Schule und Polizei müssten deshalb Warnsignalen große Aufmerksamkeit schenken. Eine Strafe muss der 18-Jährige im Übrigen nicht befürchten: Die Staatsanwaltschaft bewertet die Aufgabe des Plans inzwischen als "strafbefreienden Rücktritt". (pmz)