Verkohlte Politik
Ein Unions-Politiker fordert mehr Markt für erneuerbare Energien, ein SPD-Volksvertreter will weniger Markt für Kohlekraftwerke. Das werden lustige Koalitionsverhandlungen.
Ein Unions-Politiker fordert mehr Markt für erneuerbare Energien, ein SPD-Volksvertreter will weniger Markt für Kohlekraftwerke. Das werden lustige Koalitionsverhandlungen.
Der nordrhein-westfälische Wirtschaftsminister Garrelt Duin (SPD) war mir bisher kein Begriff. Aber mir scheint, man wird sich den Namen merken müssen. Gegenüber der „Rheinischen Post“ stellte er eine Forderung auf, die selbst in der verworrenen Energiedebatte einen neuen Maßstab setzt: Er möchte staatliche Unterstützung für die Kohlekraftwerke von RWE. In einem Fernsehinterview behauptete er zudem sinngemäß, dass Braunkohle Teil der Energiewende sei.
Gleichzeitig sagte der CDU-Wirtschaftspolitiker Michael Fuchs der „Frankfurter Allgemeinen“, wenn die Erneuerbaren einen Anteil von 35 Prozent an der deutschen Stromversorgung erreicht haben werden, sollte die Förderung gestrichen werden, und sie müssten „mit Marktkonditionen zurecht kommen“.
Die einen wollen also mehr Markt für erneuerbaren, die anderen weniger Markt für die konventionellen Energieträger. Mit diesen Argumenten heben die Politiker eine Vernunft-Senke aus, in welcher der Tagebau Garzweiler locker verschwinden würde.
Beginnen wir doch mit der vielbeschworenen Marktintegration der Erneuerbaren: Bei 35 Prozent erneuerbarer Energie am Netz wird es schlicht keinen Markt mehr geben, an dem jemand seine Kilowattstunden verkaufen könnte. Schon jetzt lässt ein Überangebot an Wind- und Sonnenstrom die Börsenpreise mitunter ins Bodenlose fallen. Das ist natürlich auch eine Folge des derzeitigen Marktdesigns: Das EEG räumt den Erneuerbaren einen Einspeisevorrang und feste Vergütungen ein; wenn sie dann den Markt überschwemmen und den Preis kaputt machen, braucht das die Einspeiser nicht zu kümmern, denn die Zeche zahlt ohnehin der Verbraucher.
Doch die eigentlichen Gründe liegen tiefer: Wind- und Sonnenkraftwerke haben zwar hohe Investitions- aber keine Brennstoffkosten. Deshalb können sie – anders als Wärmekraftwerke – ihren Strom theoretisch beliebig billig anbieten. Das ist keine Verschwörung marktfeindlicher Gutmenschen, das ist auch kein Geburtsfehler des EEG, das ist einfach die Natur der Dinge, und das wird sich auch nicht ändern. Wie aber soll sich ohne Grenzkosten ein fairer Preis bilden? Mit einem Börsenhandel für Kilowattstunden wie bisher jedenfalls nicht. Wann endlich werden die Marktprediger das zur Kenntnis nehmen?
Nun zu Duin: Nein, Kohle ist nicht Teil der Energiewende. Die Bundesrepublik Deutschland hat sich verpflichtet, ihren CO2-Ausstoß zu senken. Und das geht nur, wenn so viele Kohlekraftwerke wie möglich abgeschaltet werden. Und wenn Sonne- und Windenergie dereinst die Braunkohle aus dem Markt drücken sollten (im Moment boomt die Braunkohle wegen der lächerlich niedrigen Preise für Emissionszertifikate übrigens noch), dann ist das kein Kollateralschaden, sondern explizites Ziel der Energiewende.
Nun kann sich ein Politiker natürlich auf den Standpunkt stellen, dass der ganze Klimawandel Hokuspokus ist, oder dass ihm die heimische Industrie wichtiger ist als das Klima. Dann soll er bitteschön auch laut und deutlich sagen, dass er die geltenden Klimaziele nicht mehr mitträgt. Wenn ihm dazu der Mut fehlt, soll er halt die Klappe halten oder konstruktivere Vorschläge machen als von „Kohle ist Teil der Energiewende“ zu salbadern.
Ich weiß nicht, wie viel Rückhalt diese Positionen von Duin und Fuchs innerhalb ihrer Parteien haben. Aber mich schaudert bei dem Gedanken, dass sie zur politischen Verhandlungsmasse bei den schwarz-roten Koalitionsgesprächen werden könnten. Es gibt kein Patentrezept für einen künftigen Strommarkt, aber reichlich Vorschläge. Wir werden sie im kommenden Heft (ab 24. Oktober am Kiosk) vorstellen. Beim Umbau des Energiesystems werden die Politiker klare, sachlich fundierte und mitunter unpopuläre Entscheidungen treffen müssen. Bisher habe ich den Eindruck, sie entscheiden sich nur, ob sie lieber die Ressentiments der Stammtische oder die Interessen der Industrie bedienen. (grh)