Filesharing-Verfahren live im Internet

Eine Anhörung in dem Filesharing-Verfahren gegen Joel Tenenbaum am 22. Januar wird live im Internet übertragen. Die vorsitzende Richterin gab einem Antrag der Verteidigung am Mittwoch statt.

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Eine Anhörung in einem Filesharing-Verfahren vor einem US-Bundesgericht am kommenden Donnerstag wird live im Internet übertragen. Die vorsitzende Richterin Nancy Gertner gab einem entsprechenden Antrag des Beklagten Joel Tenenbaum statt. Der 25-jährige Student der Boston University muss sich wegen des Vorwurfs der Urheberrechtsverletzung in einem der zahlreichen, von der Musikindustrie gegen Internetnutzer angestrengten Verfahren verantworten. Tenenbaum wird von Harvard-Professor Charles Nesson und einem Team von Jura-Studenten vertreten. Die Verteidigung hatte im Dezember beantragt, in dem Verfahren die Übertragung ins Internet zuzulassen.

Dem Antrag hat Richterin Gertner mit Entscheid vom gestrigen Mittwoch stattgegeben. "In diesem Fall geht es in vielerlei Hinsicht um die sogenannte Internet-Generation", schreibt Gertner in ihrer Begründung (PDF-Datei). Diese Generation sei mit Computern und dem Internet aufgewachsen, sie lese angeblich keine Zeitung oder schaue die Abendnachrichten. "Sie beziehen ihre Informationen zumeist, wenn nicht ausschließlich, aus dem Internet." Zudem habe der Fall im Netz bereits einige Aufmerksamkeit erregt.

Eine Übertragung sei deshalb im öffentlichen Interesse, folgert Gertner. Die Prozessordnung erlaube dem Gericht explizit, das Übertragungsverbot aufzuheben. Die Vorgänge im Gericht seien nach dem ersten Verfassungszusatz wenn möglich der Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Im Zeitalter des Internets – und insbesondere in diesem Fall – habe "Öffentlichkeit" eine neue Dimension. Unter den gegebenen Umständen sei eine Übertragung an die interessierte Öffentlichkeit über deren bevorzugtes Medium angebracht.

Gertner geht auch auf die Argumente des klagenden Labels ein, dessen Anwälte die Übertragung mit einem Gegenantrag verhindern wollten. Die Gegenwehr der Musikindustrie findet Gertner "merkwürdig". Die Kläger hätten in diesem und anderen Fällen stets auf den Publicity-Faktor und das Abschreckungspotenzial der Klagekampagne gesetzt. Eine Übertragung an die Zielgruppe sollte also der Strategie der Musikindustrie entsprechen. Allerdings räumt Gertner ein, dass die RIAA nach ihrer angeblichen Abkehr von den Massenklagen diese Strategie geändert haben könnte.

Entgegen Nessons Antrag, der sich auf das gesamte Verfahren erstreckte, erlaubt Gertner nur die Übertragung der Anhörung am 22. Januar. Darin geht es vor der Eröffnung der Hauptverhandlung um verschiedene Anträge der Prozessgegner, unter anderem die erweiterte Gegenklage Tenenbaums, die Erwiderung der Musikindustrie und den Antrag Nessons, die RIAA offiziell mit in die Liste der Kläger aufzunehmen. Die Eröffnung der Hauptverhandlung ist für den 30. März angesetzt.

Bei der Anhörung am 22. Januar wird das Unternehmen CVN einen Livestream auf der Website des von Nesson geleiteten Berkman Center for Internet and Society der Harvard Law School bereitstellen. Die Kosten übernimmt die Universität. Der Beginn der Anhörung ist für 14 Uhr (Ortszeit) angesetzt. Für Zuschauer in Deutschland beginnt die Übertragung um 20 Uhr abends. (vbr)