Familienministerin: Provider machen mit beim Sperren von Kinderporno

Ursula von der Leyen ist zuversichtlich, dass in sechs bis acht Wochen eine Vereinbarung mit den Zugangsanbietern zur Blockade kinderpornographischer Webseiten steht. Weitere Wenns und Aber will sie nicht mehr hören.

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Bundesfamilienministerin Ursula von der Leyen ist nach einem Gespräch mit Internetprovidern am Dienstag zuversichtlich, dass in sechs bis acht Wochen eine mehr oder weniger freiwillige Vereinbarung mit einem Großteil der deutschen Zugangsanbieter zur Blockade kinderpornographischer Webseiten steht. "Wir brauchen zwei, drei Mutige, die vorangehen, und die gab es bei dem Treffen", sagte die CDU-Politikerin am heutigen Donnerstag in Berlin. Es gehe um ein gemeinsames Zeichen von Politik und Internetwirtschaft, dass "wir Kinderpornographie ächten". Sämtliche Beteiligten an der internen Runde seien einer Arbeitsgruppe beigetreten, in der bis Ende Februar unter Federführung des Familienministeriums die nötigen Umsetzungsschritte vorgenommen werden sollten: "Alle wollen mitmachen."

Bundesfamilienministerin Ursula von der Leyen holte sich die Unterstützung skandinavischer Polizeibeamter (links: Bjørn-Erik Ludvigsen, rechts: Lars Underbjerg), um die Provider von Sperren gegen Kinderpornographie zu überzeugen.

Es habe auf Providerseite zwar anfangs Skepsis gegenüber ihrem im November angekündigten Vorstoß gegeben, eine Sperrverpflichtung notfalls gesetzlich anzuordnen, räumte von der Leyen ein. Diese sei nach der Vorstellung skandinavischer Vorbilder für Web-Blockaden aber geschwunden.

Es drehe sich zudem um einen finanziell überschaubaren Rahmen für die Internetbranche, die mit den sieben größten Zugangsanbietern und den wichtigsten, 95 Prozent des Marktes abdeckenden Verbänden vertreten gewesen sei: "Wir sprechen über 40.000 Euro Vorleistungen", sagte die Ministerin. "Ganz wichtig" sei zudem das von Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU) und Bundeswirtschaftsminister Michael Glos (CSU) unterstützte Signal gewesen, dass "der Gesetzgeber handeln wird". Sie sei sich zumindest mit ihren beiden Ressortkollegen einig, "dass wir das Thema noch in dieser Legislatur konsequent angehen wollen". Auch nach der erhofften Sperrregelung mit den Providern werde eine entsprechende Änderung des Telemediengesetzes geprüft, um gegebenenfalls Rechtssicherheit zu schaffen.

Der norwegische Polizeirat Bjørn-Erik Ludvigsen, der eine leitende Funktion in der CIRCAMP-Gruppe zur Bekämpfung von Cybercrime und Kinderpornographie auf EU-Ebene innehat, erklärte den Ansatz des unter anderem in skandinavischen Ländern bereits eingesetzten, von der Leyen als Vorbild dienenden Sperrsystems. Dabei werde der Child Sexual Abuse Anti Distribution Filter (CSAADF) verwendet, zu dessen Entwicklung Norwegen 2004 den Anstoß gegeben habe. Inzwischen seien auch Dänemark, Belgien, Frankreich, Finnland, Irland, Italien, Malta, die Niederlande, Polen, Schweden und Spanien beteiligt. Unterstützt werde die Gruppe von Europol und Interpol.

Die Polizei bewertet ihr zur Kenntnis gelangte kinderpornographische Seiten und erstellt eine Blockadeliste, beschrieb Ludvigsen ohne Erläuterung technischer Einzelheiten das Verfahren. Die Provider prüften bei jeder aufgerufenen Webadresse dann automatisch, ob diese in dem Sperrverzeichnis aufgeführt ist. Sei dies der Fall, werde dem Nutzer eine Warnseite angezeigt. "Dabei erheben wir nicht den Zeigefinger", betonte der Fahnder. Es passiere angesichts viren- und trojanerverseuchter Rechner schließlich häufig, dass Menschen unabsichtlich "auf so eine Domäne gelangen". Daher erfolge die neutrale Aufklärung, dass "Ihr Internetbrowser versucht, eine Seite mit kinderpornographischen Inhalten aufzurufen". Zudem würden die Grundlagen der Blockade sowie Kontaktinformationen zur Polizei angegeben, um mögliche Irrtümer aufzuklären. Angaben über den Nutzer würden nicht gespeichert, meinte Ludvigsen. Die Polizei erhalte aber eine anonymisierte Logdatei der beteiligten Provider über die rund 15.000 bis 18.000 täglichen norwegischen Fälle, in denen die Stopp-Seite angezeigt werde. Dies sei hilfreich, um anderen Webdomänen auf die Spur zu kommen, die auf Kinderpornographie verlinken.

Die norwegische Liste enthielt zum Start laut Ludvigsen 274 Adressen, sei bis zum Januar diesen Jahres zunächst auf 6704 angewachsen, von denen rund die Hälfte inzwischen aber wegen Inaktivität gestrichen worden sei. Die Zahl der permanent aktiv verfügbaren Webseiten mit Kinderpornographie schätzt der Norweger auf 1000 und somit auf eine Größe, welche "die Polizei durchaus im Griff haben kann". Pro Monat kämen rund 135 neue Adressen dazu. Über CIRCAMP werde die Liste mit anderen europäischen Polizeistellen ausgetauscht. Dabei müsse aber jedes angeschlossene Land aber selbst noch prüfen, ob ein erfasstes Angebot nach nationalem Recht tatsächlich illegal ist. Für diese Aufgabe benötige ein Polizist in Dänemark weniger als eine Stunde am Tag, ergänzte Lars Underbjerg, Kriminalinspektor der dänischen Landespolizei. Seine Stelle habe ferner eine Testseite aufgebaut, auf denen Nutzer testen könnten, ob die Sperre von ihrem Provider durchgeführt werde und funktioniere.

Für von der Leyen kann es angesichts dieser Vorarbeiten kein Vertun mehr geben. Sie bezeichnete es als ihre "Aufgabe", das angeblich millionenschwere "Massengeschäft" mit Kinderpornographie hierzulande durch die "technisch und rechtlich machbaren" Eingriffe in den Nachfragermarkt "zu stören". Rechne man die Zahlen aus Norwegen hoch, könnten in Deutschland 300.000 bis 450.000 Klicks auf Seiten rund um Kindesmissbrauch pro Tag blockiert werden. Konkret solle das Bundeskriminalamt (BKA) die zu sperrenden Webangebote identifizieren und dafür die "volle Verantwortung" übernehmen und die Liste den Anbietern zur Verfügung stellen. Das Angebot der skandinavischen Ländern zur Beteiligung an deren System werde die Bundesregierung gerne akzeptieren und sich CIRCAMP anschließen. Entsprechende Zugangssperren bezeichnete sie als wirksam, "weil sie hier in Deutschland die Seiten blockieren, ganz egal, wo der Täter sitzt".

Die Diskussion, dass in naher Zukunft nach ähnlichem Muster die Provider etwa auch Glücksspielangebote oder andere hierzulande illegale Webauftritte auf politischen Druck hin sperren dürften, will von der Leyen derzeit bewusst "nicht führen". Sie könne die vielen Wenns und Aber der zehnjährigen Debatte über Netzsperren nicht mehr hören und sei gegen eine erneute "Verwässerung" ihrer Initiative: "Wir müssen entschlossen politischen Willen zeigen, gerade weil das Internet gigantische Chancen bietet." Viele würden eine gewisse Ohnmacht gegenüber dem weltweiten Vernetzungsmedium fühlen, "aber wir können gemeinsam Regeln über Grenzen vereinbaren". Ausschließen, dass etwa eine neue Bundesregierung nach der Wahl im Herbst weitere Themen bei Web-Blockaden aufgreife, könne sie freilich nicht.

Dass Zensurlisten aus Staaten wie Dänemark oder Thailand jüngst im Internet auf Seiten wie Wikileaks aufgetaucht und darauf kinderpornographische Seiten zentral abrufbar sind, unterläuft nach Ansicht der Blockadebefürworter nicht den Erfolg der umstrittenen Maßnahme. Die aktuelle Liste werde vom BKA verschlüsselt verschickt, erläuterte von der Leyen. Bei der veröffentlichten dänischen Liste handelt es sich laut Underbjerg ferner um eine "sehr alte" Version. Die aktuelle sehe "ganz anders aus". Sein norwegischer Kollege berichtete, dass es in seinem Land eine "kurze Debatte von Zensurgegnern" bei der Einführung des Systems gegeben habe und Norwegen mit China verglichen worden sei. Diese sei aber erstorben, "weil wir das System nicht missbraucht haben". Der Großteil der Surfer würde das virtuelle Stopp-Schild ohnehin nie zu Gesicht bekommen.

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(Stefan Krempl) / (jk)