Ist die E-Mail tot?

Der IT-Dienstleister Atos will bis 2014 die E-Mail im Unternehmen komplett abschaffen. Robert Shaw, Leiter des Zero-E-Mail-Projekts, setzt stattdessen auf eine Art Facebook fürs Büro.

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Der IT-Dienstleister Atos will bis 2014 die E-Mail im Unternehmen komplett abschaffen. Robert Shaw, Leiter des Zero-E-Mail-Projekts, setzt stattdessen auf eine Art Facebook fürs Büro.

Shaw hat an der University of Liverpool Geographie studiert, bevor er 1995 als Management-Trainee bei Unilever begann. Seit 2005 arbeitet der Brite als Manager für den französischen IT-Dienstleister Atos. Von 2011 bis April 2013 leitete er das Zero-E-Mail-Programm, bevor er zum CEO von blueKiwi ernannt wurde. Das 2012 von Atos gekaufte Unternehmen stellt soziale Netzwerksoftware für Business-Kunden her.

Technology Review: Warum halten Sie E-Mails für ein Problem, Herr Shaw?

Robert Shaw: Wir hatten herausgefunden, dass sich die Hälfte unserer Mitarbeiter mehr als zwei Stunden am Tag mit ihren E-Mails beschäftigt hat. 70 Prozent dieser E-Mails waren Spam. Das ist uneffizient und eine Quelle von Stress. Also wollten wir uns von der E-Mail verabschieden und suchten nach Alternativen.

TR: Gibt es denn Alternativen?

Shaw: Wir fragten uns auch: Kann man einfach den Aus-Knopf drücken und sich weigern, Mails zu lesen? Ist das wirklich machbar? Und wenn es nicht machbar ist, wie kann man seinen Maileingang in den Griff bekommen? Ein Beispiel dafür gab uns der Leiter unseres Benelux-Teams in den Niederlanden. Er konnte seine elektronische Post auf fünf E-Mails pro Tag drosseln, indem er einfach stur war.

TR: Wie das?

Shaw: Er beachtete in seinem Posteingang nur das, was für den nächsten Tag relevant war. Wir wissen, dass die Anzahl an empfangenen E-Mails proportional zu der Anzahl an versendeten Mails ist. Er hat also fünf Mails verschickt und fünf Mails zurückbekommen. So ähnlich funktionierte es bei der Chefin eines zehnköpfigen Atos-Teams. Sie erhielt jeden Tag von jedem Mitglied zehn Mails. Sie setzte sich mit ihren Leuten zusammen und schloss eine neue Vereinbarung: Eine Mail pro Tag war erlaubt. Was kam dabei heraus? Von den ursprünglich zehn Anliegen konnten die Kollegen eins am Telefon erledigen, ein Problem verflüchtigte sich im Laufe des Tages, eins konnte schnell per Instant Messaging abgehandelt werden.

TR: Aber es hat auch Nachteile zu telefonieren. Wenn das Telefon klingelt, wird sofort die Konzentration unterbrochen.

Shaw: Ich denke, jedes beliebige Werkzeug, ob Mail oder Telefon, hat Stärken und Schwächen. Für uns war die Mail eine Belastung. Wir mussten unsere Leute wieder ermutigen, das Telefon zu nutzen. Kollegen schrieben sich Mails, wenn sie im gleichen Raum waren. Wir wollten, dass Leute mehr nachdenken, bevor sie Mails verschicken. Ein weiteres Problem der Mail ist, dass Leute zappelig werden, denn sie warten ständig auf Post.

Auf der Suche nach weiteren Alternativen hatten wir Kontakt zu Akademikern und den neuen Technologien, die diese anwenden. Social Media wurde zur großen Sache unter den jüngeren Generationen. Neue Mitarbeiter mussten erst mal lernen, wie ein E-Mail-Programm zu bedienen ist. Bisher kamen sie in ihrem Studium perfekt ohne Mail klar. Sie benutzten soziale Netzwerke oder Chatprogramme und Dropbox, um Ordner zu verschicken. Mails wurden nicht gebraucht.

TR: Haben wir da nicht das gleiche Problem? Junge Leute schauen ständig auf ihr Handy, oder?

Shaw: Sicher. Wir wünschen uns für alle Generationen, dass sie wieder mehr von Angesicht zu Angesicht kommunizieren, mehr sozial interagieren, mehr Kaffees zusammen trinken und miteinander reden. Daraus entsteht der zündende Funke für neue Ideen.

TR: Aber was ist der Vorteil von Social Media? Auch auf meiner Facebook-Pinnwand befindet sich doch viel Müll, den ich eigentlich nicht lesen will.

Shaw: Ich will jetzt nicht über Facebook diskutieren. Ich gebe Ihnen ein Beispiel dafür, wo soziale Netzwerke nützlich sein können: Wir hatten eine Service-Information für einen großen Kunden eingerichtet. 300 Filialen überall in Großbritannien, die ständig mit neuer Hard- und Software arbeiten mussten. Wir haben gesehen, dass die Angestellten sich mit sozialen Netzen wie Facebook untereinander vernetzt haben, um schneller Hilfe bei Problemen zu bekommen.