IFPI: "Die Neuerfindung der Musikindustrie"

Der Verband der Phonoindustrie bejubelt den anhaltenden Boom bei Musik aus dem Internet. Er ist aber der Ansicht, dass 95 Prozent der Musik-Downloads nicht autorisiert oder lizenziert sind und den Herstellern und Künstlern keine Einnahmen bringen.

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Von
  • Monika Ermert
  • Jürgen Kuri

Die Musikindustrie sei dabei, sich und ihre Geschäftsmodelle neu zu erfinden. Das verkündete der Vorsitzende und CEO der International Federation of the Phonograpic Industry (IFPI), John Kennedy, zum Auftakt der Musikmesse Midem. "Musikunternehmen haben ihre gesamte Herangehensweise verändert, ihre Geschäftsprozesse neu gestaltet und damit auf die dramatischen Veränderungen geantwortet, in der Musik vertrieben und konsumiert wird", sagte Kennedy anlässlich der Veröffentlichung der alljährlichen Studie IFPI Digital Music Report zu den Geschäften und Verlusten seiner Branche. Ob die späte Antwort noch reicht, um die Majors zu retten, ist Thema der Fachtagung Midem, die am morgigen Samstag in Cannes beginnt. Gleich mehrere Debatten finden hier ausdrücklich zur Zusammenarbeit von Internet Service Providern und Musikunternehmen statt.

Der weltweite Verband der Phonobranche aber jubelt und trauert schon einmal gleichzeitig, wie so oft zuvor bei der Vorlage von Berichten über die Geschäfte der Musikindustrie: Einerseits freut sich der Lobbyverband, dass das Geschäft mit Musik aus dem Internet boomt; andererseits beklagt man, dass 95 Prozent der Musik-Downloads gegen das Urheberrecht verstießen, da sie von Urhebern und Verwertern nicht autorisiert worden seien. Dadurch entgingen den Herstellern und Künstlern die eigentlich dafür anfallenden Einnahmen.

Die Umsätze mit Digitalmusik sind 2008 im sechsten Jahr in Folge gewachsen und konnten den Niedergang des gesamten Musikmarktes bremsen. Die Umsätze mit digitaler Musik aus dem Internet stiegen 2008 weltweit um etwa 25 Prozent auf 3,7 Milliarden Dollar. Online-Musikplattformen sollen mittlerweile rund 20 Prozent des Geschäfts mit aufgezeichneter Musik für sich vereinnahmen können, 2007 waren es noch 15 Prozent. Der Download einzelner Songs wuchs laut IFPI um 24 Prozent auf 1,4 Milliarden Stück, der Download ganzer Alben stieg dabei um 36 Prozent.

Eine neue Generation von Musikabo-Diensten, Social Networking Angeboten und Lizenzkanälen sei im Entstehen, lobt die IFPI. 2008 sieht man dabei Dienste wie Nokias "Comes with Music"-Angebot, MySpace Music und erste Partnerschaften mit Providern wie dem dänischen Anbieter TDC, aber auch Neuf Cegetel, TeliaSonera und BSkybB an der Spitze.

Der Verband rief die Politik aber auch auf, härter gegen Musikpiraterie vorzugehen. 40 Milliarden Songfiles, die im Jahr 2008 illegal über Tauschbörsen heruntergeladen worden seien, werfe dunkle Schatten auf die Erfolge im digitalen Musikmarkt, meint die IFPI. Bei der Debatte über die Zusammenarbeit mit Providern wird daher auch angedeutet, die Regierungen begännen zu akzeptieren, dass sie in der Diskussion um "freie Inhalte" und ein "Engagement der Provider" nicht einfach die Hände in den Schoß legen könnten. Auch Regulierung und neue Gesetzesentwürfe sind Thema bei dem auf der Midem stattfindenden Treffen der Urheberrechtsanwälte. Ausdrücklich lobt die IPFI jetzt schon einmal die Modelle für die Zusammenarbeit mit Internet-Providern in Großbritannien und Frankreich, die bei Usern, denen die Musikindustrie den illegalen Tausch von Songfiles vorwirft, nach dreimaliger Ermahnung zu Zugangssperren greifen sollen ("Three Strikes"). Auch Neuseeland werde ein solches Modell umsetzen, lobt die IFPI – gerade in Neuseeland ist das "Three Strikes"-Modell aber juristisch höchst umstritten, werfen Kritiker den entsprechenden gesetzlichen Regelungen doch vor, das rechtsstaatliche Prinzip der Unschuldsvermutung auszuhebeln.

Zum "Three Strikes"-Modell und den möglichen Internet-Sperren gegen mutmaßliche Urheberrechtsverletzer siehe auch:

(jk)