Telekom: Meine Dienste, meine Familie, meine Rechnung
Die Telekom auf der CeBIT: Inhalte sollen zwischen Handy, PC und TV barrierefrei getauscht werden; Familie, Freunde oder die Netzcommunity sich um dieses "digitale Herdfeuer" versammeln. Die digitale Avantgarde ist der Leitstern der Telekom-Angebote.
Der CeBIT-Messeauftritt der Deutschen Telekom steht voll im Zeichen des digitalen Lebensstils. Wie der leitende IT-Produktstratege Hamid Akhavan auf einer Vorab-Pressekonferenz in Bonn verkündete, versteht sich der Anbieter von Funk-, Festnetz- und Unterhaltungsangeboten zuvörderst als "Enabler" und nicht länger als Telekommunikationsdienstleister. Über zentrale Server will die Telekom sicherstellen, dass Adressen und Telefonnummern, Musik, Fotos und Videos für die ganze Familie (oder die 2.0-Community) verfügbar sind. Mit der Verschmelzung dieser Dienste werden Festnetz- und Mobilfunkangebote zu einem einzigen Marktsegment zusammengeführt.
An einem "Demonstrator" führte Christoph Schläffer, seines Zeichens "Innovation Officer" der Telekom, auf der Pressekonferenz verschiedene Widgets vor. Die kleinen Programme sollen dafür sorgen, dass Inhalte zwischen Handy-, PC und TV-Nutzung barrierefrei getauscht werden und sich Familie, Freunde oder eben die Netzcommunity um dieses "digitale Herdfeuer" versammeln können. So zeigte Schläffer, wie Adressen, Fotos, Musik und selbst aufgenommene Videos bruchlos zwischen den drei Geräten wandern können. Möglich wird dies durch eine "Drop-Box", in die der Anwender alles stopft, was anderswo zu sehen oder zu hören sein soll. Über ein Single-Sign-On kann er seine Inhalte von überallher erreichen.
Hinter der auf allen Schirmen auftauchenden Drop-Box steht eine zentrale Server-Speicherung der Nutzerdaten, die via Web'nWalk, PC-Mediencenter oder T-Entertain abgerufen werden können. Diese multimodale Server-Speicherung, die ab dem 2. Quartal 2009 verfügbar sein soll, hat allerdings ihren Preis: Neben dem "Web'n'Walk"-Tarif für die Mobiltelefone (ab 9,95 Euro/Monat) und dem Speicherdienst MyPhonebook (ab 0,99 Euro/Monat) wird ein Mediencenter-Mietplatz für die Multimedia-Dateien benötigt. Diese Server-Komponente ist bis 1 Gigabyte kostenlos, jeweils 5 weitere GByte kosten 2,99 Euro im Monat. Für das TV-Erlebnis der gemeinsamen Datennutzung muss mindestens das Paket Entertain Comfort mit 49,95 Euro pro Monat gebucht sein, das ohne die Anschaffung eines Media Receivers nicht funktioniert. Ob die dreifache T-Kombination in vorgeprägten Telekom-Bahnen gegenüber frei konkurrierenden Diensten wie Flickr oder Youtube funktionieren kann, will die Telekom mit ihrem CeBIT-Auftritt in Hannover überprüfen. Eigens für die Messe wurde daher für die Mobilfunk-Komponente ein "Demonstrator" unter Windows Mobile entwickelt, der kräftige Anleihen bei der vom iPhone her bekannten Fingerbedienung macht.
Parallel zur Präsentation des CeBIT-Auftrittes stellte die Telekom eine von ihr finanzierte Studie zum Digitalen Lebensstil vor, die von der Abteilung Wirtschaftsinformatik und neue Medien der LMU München durchgeführt wurde. Die Studie verkündet die üblichen Annahmen von der zunehmenden Vernetzung und verschränkten Mediennutzung, enthält aber auch das Detail, dass die "digitale Avantgarde" in Deutschland stärker als in den USA ausgeprägt ist. Sie soll mit ihrem Engagement in sozialen Netzwerken einen Lebensstil vorleben, der bald von der Allgemeinheit nachgelebt wird. Schon heute glauben nach Aussage der Studie 63 Prozent der Deutschen, dass ein Arbeitsleben ohne Internet-Zugriff unmöglich ist. Die digitale Avantgarde, die wie selbstverständlich Flickr, Youtube und LinkedIn benutzt und twittert, was das Zeug hält, ist darum der Leitstern der neuen Telekom-Angebote. Wer all diese Techniken nicht avantgardistisch aus dem FF beherrscht, dem wird nun eine magentafarbene Komplettlösung angeboten.
Wie weit sich die neue Telekom-Vision von alten Vorstellungen entfernt hat, mag ein Rückgriff ins Jahr 2006 verdeutlichen. Damals stellte der CEO Kai-Uwe Ricke auf der Pre-CeBIT-Pressekonferenz das Family Whiteboard vor, das den Familienalltag organisieren sollte. Auf diesem "interaktiven Nachrichtenmedium" sollten alle Mitglieder der Familie ihre Nachrichten auf der "digitalen Pinwand" hinterlassen, der kleine Kasten selbst zu Hunderttausenden geordert werden. Offensichtlich verlief der Feldtest sehr enttäuschend, denn das Angebot verschwand in /dev/null mitsamt einer Pressemeldung, dass sich Tausende von Haushalten für die Technik interessieren. Die jungen Programmierer von heute, die den "Demonstrator" für die CeBIT entwickelt haben, können sich jedenfalls nicht an den ehemaligen Knüller erinnern. 2006 ist lange her.
Siehe dazu auch:
(Detlef Borchers) / (jk)