Bundesgerichtshof: Differenzierte Betrachtung zu Google AdWords und fremden Marken

Der BGH legt dem EuGH die Fragestellung vor, ob die Verwendung fremder Marken bei Adwords-Anzeigen zulässig ist. "Die eigentlich streitige Frage, ob Adword-Werbung eine markenmäßige Benutzung darstellt, ist damit nach wie vor offen", hieß es beim BGH.

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Von
  • Dr. Marc Störing

In drei heute verkündeten und mit Spannung erwarteten Entscheidungen hat sich der Bundesgerichtshof mit der Frage möglicher Rechtsverletzungen bei der Verwendung fremder Marken als Keywords im Rahmen von Google AdWord-Anzeigen befasst. Das höchste deutsche Zivilgericht lehnte in zwei der drei Fälle eine Rechtsverletzung ab; die dritte Fallgestaltung mit dem Kern der rechtlichen Fragestellung entschied das Karlsruher Gericht jedoch nicht, sondern legte sie dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg vor. "Die eigentlich streitige Frage, ob Adword-Werbung eine markenmäßige Benutzung darstellt, ist damit nach wie vor offen", sagte der BGH-Senatsvorsitzende Joachim Bornkamm.

Somit fehlt weiterhin der klärende Schlussstrich unter der seit Jahren sehr umstrittenen Frage, die in bisher hunderten Entscheidungen die Instanzgerichte beschäftigt hatte. Werbung ist umso erfolgreicher, je zielgerichteter sie ist. Google generiert den weit größten Teil seiner Umsätze mit Keyword-Advertising, von Google selbst als "AdWords" bezeichnet. Bucht ein Werbender eine Anzeige, gibt er neben dem eigentlichen Werbetext auch so genannte Keywords vor. Diese Schlüsselbegriffe sind nicht Teil der Anzeige, sondern lösen deren Erscheinen aus, wenn ein Suchmaschinennutzer ein solches Keyword als Suchbegriff eingibt. Seit Jahren ist die Frage umstritten, ob die Buchung fremder Marken als Keyword eine Markenrechtsverletzung darstellt. Dürfte also BMW als Keyword "Mercedes" buchen, um eigene BMW-Anzeigen darstellen zu lassen? Gerade auch abseits solch prominenter Fallbeispiele ist die Frage praktisch sehr relevant. Denn ein Werbender kann ohne zeit- und kostenintensive Recherche häufig kaum erkennen, ob von ihm gewünschte Keywords mit fremden Marken kollidieren oder ähnliche Rechtsverletzungen hervorrufen.

Das Risiko einer Rechtsverletzung ist auch deshalb so unüberschaubar, weil seit Jahren Instanzgerichte die Frage höchst unterschiedlich beurteilen. Obendrein erlaubt der sogenannte fliegende Gerichtsstand dem Kläger, sich das Gericht für seine Klage praktisch beliebig auszusuchen. Als besonders beliebtes Gericht für Klagen erwies sich das Landgericht (LG) Braunschweig, welches mit großer Verlässlichkeit im Keywords-Advertising mit fremden Marken eine Rechtsverletzung sah. Andere Gerichte, etwa in Frankfurt am Main oder in Hamburg sahen hingegen keine Markenrechtsverletzung.

Wie der Bundesgerichtshof die für ursprünglich vier anhängige Verfahren entscheidende Frage ausurteilen würde, war im Vorfeld völlig offen. Zwar hatten die Karlsruher Richter bereits im Jahre 2006 entschieden, dass die Verwendung von fremden Namen in Metatags der eigenen Seite eine Markenrechtsverletzung darstellte – doch bis zuletzt blieb unter den Instanzgerichten umstritten, ob diese Maßstäbe auch auf Keywords übertragbar sind.

Nachdem ein Kläger die Revision zurückgezogen hatte, blieben nun drei Verfahren für den BGH zu entscheiden. Im ersten Fall (I ZR 125/07) hatte ein Erotikartikel-Händler, der seine Ware unter dem Markennamen "bananabay" im Internet vertreibt, gegen einen Konkurrenten geklagt, der just "bananabay" bei Google als Keyword für seine eigenen Anzeigen angegeben hatte. Die Annahme einer Markenverletzung hängt in einem solchen Fall davon ab, ob in der Verwendung der geschützten Bezeichnung als Keyword eine Benutzung als Marke im Sinne des Markengesetzes liegt. Da die Bestimmungen des deutschen Rechts auf harmonisiertem europäischen Recht beruhen, hat der Bundesgerichtshof das Verfahren ausgesetzt, um dem Europäischen Gerichtshof diese Frage zur Vorabentscheidung vorzulegen.

Die zweite (I ZR 139/07) und dritte Fallkonstellation entschied der BGH selbst, da hier rein nationales Recht anzuwenden war. Zunächst stritten zwei Hersteller von Leiterplatten. Der eine hatte den Begriff "pcb" als Marke angemeldet, doch der Mitbewerber nutzte nun diesen Begriff als Keyword. Zulässigerweise, wie der BGH befand. Denn die Verwendung der von den angesprochenen Fachkreisen als Abkürzung für "printed circuit board" (englisch für Leiterplatte) verstandenen Buchstabenfolge stelle eine markenrechtlich erlaubte beschreibende Benutzung dar.

Im dritten Fall (I ZR 30/07) stritten die Parteien um die Nutzung eines Teils des Firmennamens als Keyword durch den Konkurrenten. Da der Schutz der Unternehmensbezeichnungen anders als der Markenschutz nicht auf europäischem Recht beruht, konnte der BGH auch diesen Fall direkt entscheiden. Die Karlsruher Richter verneinten eine Rechtsverletzung, da es an einer Verwechslungsgefahr fehle. Der Internetnutzer nehme nicht an, dass die in dem gesonderten Anzeigenblock neben der Trefferliste erscheinende Anzeige von der Klägerin stamme.

Auch wenn die Gretchenfrage einer möglichen Markenrechtsverletzung weiterhin offen ist, hat der Bundesgerichtshof nun zumindest in Teilbereichen eine Rechtsverletzung und damit die Möglichkeit einer Abmahnung verneint. Für Werbetreibende stellt sich die rechtliche Situation damit jedoch eher noch komplizierter als vor der Entscheidung dar, da nun weiter nach Herkunft des betroffenen Rechts zu differenzieren ist. Ohnehin hat der BGH nicht zu allen im Zusammenhang mit AdWords umstrittenen Rechtsproblemen Stellung genommen. Aber auch Google selbst hatte die Rechtsunsicherheit weiter befeuert. Optionen wie "weitgehend passende Keywords" ließen Verantwortlichkeiten intransparent werden und führten bisher auch bei Gerichten zu Verständnisproblemen. Die nun ausstehende Grundsatzentscheidung des Europäischen Gerichtshof ist nach Einschätzung von Experten deshalb von zentraler Bedeutung für die Online-Werbung. (Dr. Marc Störing) / (jk)