Auskunftsanspruch gegen Internetprovider tritt in Kraft

Ausgerüstet mit dem Gesetz zur besseren zivilrechtlichen Durchsetzung geistiger Eigentumsrechte können Rechteinhaber vom 1. September an einfacher die Identität möglicher Urheberrechtsverletzer im Internet aufdecken.

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Vom kommenden Montag, den 1. September, an soll es für Rechteinhaber einfacher werden, die Identität möglicher Urheberrechtsverletzer im Internet etwa nach der illegalen Nutzung von Tauschbörsen aufzudecken. Hintergrund ist das Inkrafttreten des umstrittenen Gesetzes (PDF-Datei) zur besseren zivilrechtlichen Durchsetzung geistiger Eigentumsrechte. Das Vorhaben erleichtert nach Ansicht des federführenden Bundesjustizministeriums "den Kampf gegen Produktpiraterie" allgemein und stärke zugleich die Immaterialgüterrechte. Zu den wichtigsten Neuerungen zählt aber der zivilrechtliche Auskunftsanspruch gegen Dritte, die selbst keine Rechtsverletzer sind. Voraussetzung ist gemäß den Vorgaben des Bundestags, dass ein Verstoß etwa gegen das Urheberrecht "im gewerblichen Ausmaß" stattgefunden hat.

Das Justizministerium betont zudem, dass für die Enttarnung etwa von rechtswidrig handelnden Filesharern nicht auf die sechs Monate lang auf Vorrat zu speichernden Verbindungsdaten zurückgegriffen werden darf. Genutzt werden dürfen allein die für Abrechnungszwecke von den Providern aufbewahrten Internetkennungen. Bei der begehrten Auskunft unter Verwendung von IP-Adressen muss der Rechteinhaber zudem vor dem Löschen der Verbindungsdaten zunächst eine richterliche Anordnung erwirken. Die Anwaltskosten für die erste Abmahnung wegen Urheberrechtsverstößen im Internet in einfachen Fällen ohne gewerbliches Ausmaß haben die Parlamentarier ferner auf 100 Euro beschränkt.

Angesichts der eingezogenen Hürden ist umstritten, wie viel Nutzen die Musik- und Filmindustrie aus der neuen Rechtslage ziehen kann. Wer etwa ein ganzes Album widerrechtlich zum Download zur Verfügung stellt, muss nach Ansicht des Urheberrechtsexperten der CDU/CSU-Fraktion im Bundestag, Günter Krings, "tief in die Tasche greifen". Linke und Grünen warnen vor einem "fast uferlosen" Auskunftsanspruch und ungebührlichen Sonderrechten für die Rechteinhaber.

Verbände der Kreativwirtschaft halten das Gesetz dagegen für größtenteils zahnlos und konzentrieren sich auf die Verabschiedung EU-weiter Bestimmungen zum Kappen von Internetanschlüssen bei Rechtsverletzungen. Nur in den wenigsten Fällen der illegalen Nutzung von Peer-2-Peer-Netzen werde überhaupt ein gewerbliches Ausmaß gegeben sein, meint auch der Kölner Rechtsanwalt Christian Solmecke, der über 2000 Mandanten gegen die Rechteindustrie vertritt. Als abschreckend für die Rechteinhaber erachtet er auch die in Filesharing-Fällen zu zahlenden Gerichtskosten in Höhe von 200 Euro. Noch sei unklar, ob diese Gebühren pro IP-Adresse oder pro Liste mit mehreren tausend Internetkennungen hingeblättert werden müssen. Da eine Vielzahl ermittelnder Staatsanwaltschaften ferner beschlossen habe, nur noch beim Austausch von mindestens 3000 Songs oder mehr als 200 Filmdateien tätig zu werden, könnten die Kosten für die Auskunftserteilung auch kaum mehr über diesen strafrechtlichen Weg abgewälzt werden.

Das Gesetz geht auf eine EU-Richtlinie zurück, die bereits bei ihrer Verabschiedung 2004 in Brüssel für böses Blut sorgte. Wortgleich geändert werden Bestimmungen im Patent-, Gebrauchs-, Marken-, Halbleiterschutz-, Urheberrechts-, Geschmacksmuster- und Sortenschutzgesetz. Ferner passt das Projekt das deutsche Recht an die neue EU-Verordnung zur Grenzbeschlagnahme an. Sie sieht ein vereinfachtes Verfahren zur Vernichtung von Piraterieware nach Beschlagnahme durch den Zoll an den Außengrenzen vor. Damit soll verhindert werden, dass Waren, die im Verdacht stehen, Rechte des geistigen Eigentums zu verletzen, überhaupt in die EU eingeführt werden können. Eingeschlossen ist eine Regelung zur Vernichtung beschlagnahmter Piraterieware. Sie greift aber erst, wenn allen Mitgliedsstaaten sie in nationales Recht umsetzen.

Mit den Änderungen hat der Rechtsinhaber ferner einen Anspruch gegen den Verletzer auf Vorlage von Urkunden und die Zulassung der Besichtigung von Sachen, der über die nach der Zivilprozessordnung bereits bestehenden Möglichkeiten hinausgeht. Gegebenenfalls erstreckt sich der Anspruch laut Justizministerium auch auf die Vorlage von Bank-, Finanz- und Handelsunterlagen. Diese Beweismittel könnten zur Abwendung der Gefahr ihrer Vernichtung oder Veränderung auch durch den Erlass einer einstweiligen Verfügung gesichert werden. Das Gesetz stelle auch klar, dass nach Wahl des Verletzten neben dem konkret entstandenen Schaden der Gewinn des Übeltäters oder eine "angemessene fiktive Lizenzgebühr" als Grundlage für die Berechnung einer Ausgleichszahlung dienen können. Im Bundesrat war diese Rechtslage als "nicht befriedigend" kritisiert worden, Einspruch erhoben die Länder aber nicht.

Siehe dazu auch:

(Stefan Krempl) / (jk)