EU-Verkehrsminister segnen Galileo-Aufbau ab, Spanien hält Beschluss für ungültig

Die EU-Verkehrsminister haben sich in der Nacht zum Freitag auf eine neue Aufgabenverteilung beim geplanten europäischen Satellitennavigationssystem Galileo geeinigt. Spanien hält den Beschluss jedoch für juristisch nicht tragfähig.

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Von
  • Peter-Michael Ziegler

Für das geplante europäische Satellitennavigationssystem Galileo ist der gestrige Beschluss der EU-Verkehrsminister so etwas wie die Chance auf den Erwerb eines Abschlusses auf dem zweiten Bildungsweg. Nachdem die Industrie es wiederholt versäumt hatte, die Vorgaben (Koordination der Test- und Entwicklungsphase von Galileo, Bau und Inbetriebnahme der 30 Satelliten) im Klassenverband und im Normaldurchlauf zu erfüllen, bereitete Brüssel dem Spuk nach mehreren blauen Briefen zunächst ein Ende. Klassensprecher ESN Industries wurde abgesetzt und eine Neuausschreibung des Milliardenprojekts eingeleitet.

In der Nacht zum Freitag einigten sich die EU-Verkehrsminister dann auf eine neue Aufgabenverteilung für das Galileo-Projekt. Das Modell sieht vor, dass das Projekt in sechs Bauabschnitte unterteilt wird und dass ein Konzern höchstens für zwei dieser Segmente (Bodenkontrolle, Satellitenbau sowie vier weitere Bereiche) die Systemführerschaft übernehmen kann. Zudem müssen 40 Prozent des Auftragswerts an Subunternehmer weitergegeben werden. Das Vergabemodell soll vor allem sicher stellen, dass nicht nur die Klassenbesten eine Chance haben. Auch soll Wettbewerb die Kosten unter Kontrolle halten.

Für das Satelliten-Segment, an dem unter anderem EADS Astrium sehr interessiert ist, sieht der neue Plan besondere Versetzungsregularien vor. So soll der Konzern, der den Zuschlag erhält, zunächst nur zehn bis zwölf Satelliten bauen. Hält das Unternehmen sämtliche Fristen und Vorgaben ein, erhält es automatisch den Auftrag für eine zweite Tranche von sechs bis acht Satelliten und bei weiter guten Leistungen auch für den Rest. Als Termin für die Abschlussprüfung, also die vollständige Inbetriebnahme des Galileo-Systems und die Übergabe an den späteren Betreiber, wurde das Jahr 2013 festgesetzt.

Doch so wie nach der Bekanntgabe der Aufgaben für eine Matheklausur gibt es auch nach der Entscheidung des Ministerrats Gewinner und Verlierer. Als Gewinner wird allgemein Deutschland angesehen, das laut Verkehrsminister Wolfgang Tiefensee (SPD) gute Chancen hat, dass ein "sehr großer Anteil" der über die öffentliche Hand finanzierten 3,4 Milliarden Euro, die allein zum Aufbau des Galileo-Systems nötig sind, "direkt und indirekt nach Deutschland zurückfließt". Berlin hatte zuvor vehement gefordert, dass dem EU-Musterschüler (größter Nettozahler) ein angemessener Rückfluss in Form von Aufträgen für die deutsche Industrie zustehe.

Spanien hingegen sieht sich von der Klassengemeinschaft ausgeschlossen und hält den Beschluss der EU-Verkehrsminister zur Galileo-Auftragsvergabe für ungültig. Madrid besteht auf ein vertraglich zugesichertes drittes Satelliten-Kontrollzentrum, im Beschluss ist aber lediglich die Rede von zwei Zentren in Oberpfaffenhofen bei München und im italienischen Fucino. Ein zusätzliches Kontrollzentrum dürfe das EU-Budget für den Zeitraum 2009 bis 2013 nicht zusätzlich belasten. Die portugiesische EU-Ratspräsidentschaft erklärte, auch nicht einstimmig beschlossene Schlussfolgerungen seien rechtlich bindend. (pmz)