Probleme mit leichten Verbundmaterialien im Flugzeugbau

Eigentlich wollte der Jet-Hersteller Boeing beim Bau des "787 Dreamliner" mit der Verwendung von Verbundwerkstoffen auch bei tragenden Teilen glänzen - doch jetzt wird der Konzern mit der Komplexität der neuen Technik konfrontiert.

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Boeing bewirbt seinen neuen "787 Dreamliner" unter anderem damit, dass es sich um das erste kommerzielle Passagierflugzeug der Welt handelt, bei dem wichtige tragende Elemente aus Verbundwerkstoffen statt aus Aluminiumlegierungen gefertigt sind. Der mittelgroße, sparsame Jet, der sich derzeit in Produktion befindet, soll dadurch ein um 20 Prozent reduziertes Gewicht erhalten, was die Effizienz zusätzlich steigert. Boeing musste nun allerdings lernen, wie schwer es sein kann, die Verwendung solcher Werkstoffe zu planen und sie vor allem wirtschaftlich für den kommerziellen Flugzeugbau herzustellen, berichtet das Technologiemagazin Technology Review in seiner Online-Ausgabe.

Ein Problem mit der neuen Technologie führte gar dazu, dass die Einführung der viel bestellten Maschine verschoben werden musste: Teile der aus Verbundwerkstoffen hergestellten Flügelkästen, die das wichtigste tragende Element im Flügel darstellen, gaben in Belastungstests nach. Pat Shanahan, Vizepräsident für das 787-Programm bei Boeing, räumte in einer Telekonferenz vor Analysten ein, dass darin enthaltene Elemente dringend versteift werden müssen. Die im 787 Dreamliner verwendeten Verbundwerkstoffe bestehen aus mehreren Schichten, die sich aus Kohlefasern und Epoxidharzen zusammensetzen.

Der Strukturfehler soll für bereits fertiggestellte Flügelkästen durch die Ergänzung neuer Klammern und anderer Zusatzteile gelöst werden, während man bei frisch gebauten Flügelkästen eine vollständige Umgestaltung anstrebt. Die nachträgliche Veränderung sorgt für einige Probleme, weil die neu einzubauenden Komponenten Kabelkanäle tangieren. Im Ergebnis musste Boeing den Liefertermin des 787 Dreamliner um rund sechs Monate nach hinten schieben – aus dem ersten Quartal 2009 wurde das dritte. Grund sollen Fehler in der Modellanalyse gewesen sein, die in Belastungstests am fertigen Flügel schließlich sichtbar wurden.

Das Problem mit Verbundwerkstoffen ist Experten zufolge keinesfalls, dass sie zu schwach für die Verwendung im Passagierjet-Bereich wären. Die innere Komplexität macht die Arbeit mit ihnen nur sehr schwierig. Das Material besteht aus Schichten, die jeweils verschieden ausgerichtet sein können. Die Schichten wiederum bestehen aus einzelnen Fasern, die in ihrer Zusammensetzung nicht immer gleich sein müssen. Das macht es kompliziert, die Leistungsfähigkeit der Elemente im Computermodell genau zu testen, bevor sie hergestellt werden. "Verbundwerkstoffe lassen sich schwerer analysieren als einfache, eher homogene Metalle", meint John Hansman, Direktor des International Center for Air Transportation am MIT. "Man kann nicht jede einzelne Faser in einer Struktur in das Modell aufnehmen. Es gibt stets Vereinfachungen."

David Roylance, Experte für Verbundwerkstoffe und Dozent für Materialwissenschaften am MIT, sieht in den Problemen bei Boeing ein Indiz dafür, dass die Industrie noch immer in einer Lernphase sei, was die Verwendung von Verbundwerkstoffen in kommerziellen Flugzeugen anbetrifft. "Es gibt eine große Anzahl von Dingen, an denen man hier drehen kann, aber es ist eben alles anders als bei Metallen."

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(bsc)