BND-Spähangriff auf gesamtes afghanisches Ministerium

Der Bundesnachrichtendienst (BND) hat die afghanische Regierung intensiver als bisher bekannt bespitzelt. Außenminister Frank-Walter Steinmeier hat sich inzwischen offiziell entschuldigt.

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Die heftig umstrittene Bespitzelungsaktion des Bundesnachrichtendienstes (BND) gegen die afghanische Regierung war offenbar intensiver. Nicht nur das persönliche E-Mail-Konto des afghanischen Handelsministers Amin Farhang sei von dem Trojanerangriff betroffen gewesen, meldet das Nachrichtenmagazin "Der Spiegel". Vielmehr sei das gesamte Computernetzwerk des von ihm geführten Industrieministeriums ausgespäht worden. Mit abgefangenen Passwörtern und Login-Namen las der Auslandsgeheimdienst unter andrem über Monate hinweg die Kommunikation Farhangs mit der "Spiegel"-Redakteurin Susanne Koelbl mit.

Das Bundeskanzleramt will dem Magazin zufolge nun gesondert prüfen, ob der BND auch weitere afghanische Ministerien bespitzelt hat. Das dürfte einigermaßen schwer fallen, da offenbar die meisten Unterlagen über den Einsatz vernichtet worden seien. Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier telefonierte laut Agenturberichten mittlerweile wegen der Affäre mit seinem afghanischen Kollegen Rangin Dadfar Spanta. Er habe sein Bedauern über die Vorfälle zum Ausdruck gebracht, sagte eine Sprecherin des SPD-Politikers. Beide Außenminister hätten jedoch die guten und vertrauensvollen Beziehungen nicht beeinträchtigt gesehen. Steinmeier werde am Wochenende auch noch das Gespräch mit Farhang suchen.

Nach einer Meldung der "Mitteldeutschen Zeitung" schließt die afghanische Regierung nicht aus, dass neben Farhang weitere Kabinettsmitglieder vom BND abgehört wurden. Darüber hinaus seien auch sämtliche Telefongespräche Farhangs von seinem Büro und seinem Privathaus in Kabul abgehört worden. Darunter sollen private Telefonate mit seiner in Bochum lebenden Familie gewesen sein. BND-Mitarbeiter oder von ihnen beauftragte Afghanen seien in das Arbeitszimmer des Ministers eingedrungen, um die technischen Voraussetzungen für die Überwachung zu schaffen.

Laut früheren Berichten soll der BND bereits mehrfach Zielrechner Verdächtiger im Ausland über das Internet ausgeforscht haben. "Der Spiegel" verweist nun konkret etwa auch auf die Ausspähung von IT-Systemen im Kongo.

Scharfe Kritik äußerte CSU-Chef Erwin Huber am Abhören von Journalisten durch den BND. "Wir müssen dafür sorgen, dass es solche Überschreitungen wie in dieser Affäre nicht mehr gibt", sagte er der "Passauer Neuen Presse". Die Verantwortlichen müssten zur Rechenschaft gezogen werden. Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble plädierte dagegen im Gespräch mit dem Magazin "Focus" für einen "leistungsfähigen Auslandsnachrichtendienst".

Es wäre gefährlich, mahnte der CDU-Politiker allgemein, aus den Verfehlungen ein "generelles Misstrauen gegen den Staat und seine Organe" abzuleiten. Erneut verteidigte er die geplanten neuen Anti-Terror-Befugnisse für das Bundeskriminalamt (BKA). Die Mehrzahl der im Entwurf für das BKA-Gesetz geplanten Fahndungsinstrumente wie Abhören und Ausspähen von Wohnungen "wenden die Polizeien der Länder seit Jahrzehnten an". Er hielt daran fest, dass der Geheimnisschutz nicht für islamische Geistliche gelten solle. (Stefan Krempl) (ps)