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Was war. Was wird.

Nix mehr los mit den Kindern der Revolution. Sie sitzen mittlerweile hinter den Bildschirmen der NSA-Zentrale, befürchtet Hal Faber. Jede Narretei scheint heute möglich, solange man sie pofallibilistisch verpacken kann.

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Lesezeit: 9 Min.
Von
  • Hal Faber

Wie immer möchte die Wochenschau von Hal Faber den Blick für die Details schärfen: Die sonntägliche Wochenschau ist Kommentar, Ausblick und Analyse. Sie ist Rück- wie Vorschau zugleich.

Was war.

*** Willkommen zur kleinen Wochenschau vom Verlag am Rande der norddeutschen Tiefebene! Hier wird gerade gebohnert und gewienert, hier putzt sich jedermensch aufs Artigste, damit am 1. November die große Geburtstagssause steigen kann. 30 Jahre c't wollen ordentlich gefeiert werden. Da ist es nicht weiter verwunderlich, dass der von der NSA ausgerufene Monat der Cybersicherheit nicht so richtig beachtet wird, zumal die allseits angemahnte Verschlüsselung seit der ersten Ausgabe der c't ein Thema ist, damals freilich noch Verschleierung genannt. Wie heißt es so hübsch in der Wikipedia über die ganz besondere Technikpublizistik: "Neben praxisbezogenen Computerthemen richtet die c’t ihren Fokus seit jeher auf die politischen und gesellschaftlichen Dimensionen der Technikentwicklung."

*** Zu den irritierenden Stücken deutscher Publizistik gehören die sonntazlichen Besuche der linksalternativen tageszeitung bei ihren Lesern, in immerzu behaglich eingerichteten Wohnungen oder Häusern, mal auf dem platten Land, mal in einer deutschen Stadt. Zum Schluss dieser Besuche gibt es die immergleiche Frage: "Wie finden Sie Merkel?" Fast immer gibt es großes Lob für unsere Bundeskanzlerin; auf 30 Zustimmungen kommt vielleicht eine Kritik, und die ist meistens sehr, sehr zaghaft. Diese Woche wird leider nicht online etwa so geurteilt: "Gut." Wer genau hinhöre, könne erkennen, dass sie ein "sehr präzises Argumentations- und Überzeugungspotenzial hat und eben nicht nur moderiert und verwaltet, sondern auf eine bestimmte, sehr intelligente, vielleicht weibliche Art gestaltet." So anerkennend urteilt ein ehemaliger FDP-Parteireferent, im Zweitberuf inoffizieller Stasi-Mitarbeiter, über die Frau, die in ihrer Jugend gerne Westradio hörte, aber dabei keine Schularbeiten machen konnte.

*** Nun hat unsere Kanzlerin mit ihrem ganzen Überzeugungspotenzial und der höchstpräsidentlich verliehenen Freiheitsmedaille einen guten Festnetzdraht nach Washington, der diese Woche klassischen Medienberichten zufolge "glühte". Eine einzige, seit 2002 überwachte Telefonnummer unter dem Belastungsmaterial von Edward Snowden sorgte für sehr präzisen Ärger, weil Merkel über diese Nummer ihre Parteigenossen auf sehr eigene Art führte. Nein, kein Smartphone, sondern ein veraltetes Nokia 6320 Slide Edition war mit der entsprechenden SIM-Karte zu dieser Telefonnummer bestückt, ein Teil ohne Gesprächsverschlüsselung, also ganz einfach abhörbar. Was menschlich kein Problem ist: Auf ihre sehr intelligente, vielleicht weibliche Art beherrscht Merkel die hohe Kunst der direkten Sprachverschlüsselung. Man erinnere sich nur an die Formel vom vollsten Vertrauen, hinter der ein veritabler Rausschmiss steckt. Dann ist da noch das riesige Feld der SMS-Sprache mit Kürzeln wie SGY FSMDWV in der (OO) k.o.

*** Puhhh, groß war die Erleichterung der Firma Secusmart, die gerne mit dem Kanzlerhandy wirbt und so großsspurig verkünden konnte, dass es nur ums Parteithandy ging, das eigene Angebot aber sicher ist – mit einer vorläufigen Zertifizierung, die im Frühjahr 2014 erlischt. Die Konkurrentin Deutsche Telekom trat wesentlich leiser auf, weil es auch dem BSI lange Zeit nicht klar war, ob es sich nicht vielleicht doch um SiMKo-Lösungen der ersten oder zweiten Generation gehandelt haben kann. Auch die Hochtöner waren schnell mit einer Meldung zur Hand, unter dieser Adresse. Oder war es diese? Egal, der Text zur USA-Reise der Experten geht so: "Wir werden uns über die technischen Möglichkeiten zur Verhinderung missbräuchlich verwendeter Späh- und Abhörprogramme informieren. Dazu zählen beispielsweise spezielle Anwendungen mit verschlüsselten KryptoSmartphones, um sichere SMS-Messages und Telefonie zu gewährleisten. Gleichzeitig möchten wir mit unseren Gesprächen in einem weiteren Schritt einen breiten gesellschaftlichen Dialog mit allen beteiligten Akteuren erreichen."

*** Glücklich, wer nicht solches Geschwurbel verstehen muss, sondern immer noch Klartext schreiben kann. Aber die sonstigen Kinder der Revolution sitzen wohl eher hinter den Bildschirmen der NSA als in den Schreibstuben der Aufklärung. What ever happend to the teenage dream findet sich mittlerweile in den PRISM- und Tempora-Datenbanken. Aber gut: Einen habe ich noch. Diese Un-Kommunikation auf der Bundespressekonferenz zum nämlichen Thema dürfte in die Geschichtsbücher eingehen. Das große Lalula von Morgenstern ist dagegen mustergültig verständlich. Man lese einmal nur diese Frage eines Journalisten:

"Deswegen frage ich: Wird die Bundesregierung irgendetwas unternehmen, um Herrn Snowden vielleicht wo oder in welcher Weise auch immer einzuvernehmen, der ja doch über mehr Informationen als die Bundesregierung selbst zu verfügen scheint und der die Sache ja sozusagen weiter voranbringt, als die Bundesregierung oder ihre Dienste es selbst schaffen? Zweite Frage: Es steht immer noch die Frage nach Asyl für Snowden im Raum. Gibt es aufgrund der jetzigen Entwicklungen eine neue Haltung der Bundesregierung? Kann man sich also eben doch vorstellen, Snowden hier Asyl anzubieten?"

Darauf kam diese irrsinnige Antwort:

"Die Frage nach Asyl für Herrn Snowden steht nicht im Raum. Die stand einmal im Raum. Er hatte einen Antrag gestellt. Dieser Antrag ist bearbeitet und abschlägig beschieden worden. Er hat jetzt anderswo Asyl gefunden. Insofern stellt sich diese Frage überhaupt nicht. Das Zweite ist: Im Moment verfolgt die Bundesregierung ja einen etwas anderen Ansatz. Herr Snowden hat Unterlagen gestohlen und kopiert, und wir bemühen uns dort um Aufklärung, wo die Originale sind."

Nein, da ist kein Whistleblower am Werk gewesen. Dieser Snowden, der war jemand, der gestohlen und kopiert hat. Dewegen hat er ja auch kein Asyl bekommen bei uns. Da muss man die Originale finden und angucken und überhaupt, was soll der Unsinn, wenn es noch nicht einmal einen Ermittlungsskandal gibt, ähem, hust hust, ein Ermittlungsverfahren natürlich.

*** Am Ende ist alles in bester Ordnung: "Ich habe Ihnen ja dargelegt, dass es schon immer so war, dass, wenn die Bundeskanzlerin etwas Sicherheitsrelevantes mitzuteilen hat oder eine Kommunikation, die politisch heikel ist, zu führen hat, dies alles über Leitungen gemacht wird, die im Festnetz liegen, die verschlüsselt sind, so dass da eigentlich nichts passieren kann."

Dass dieses "Festnetz" heute auch nur eine IP-Verbindung ist, die ausgeleitet werden kann, lassen wir einmal beiseite, in der Hoffnung, dass die dort eingesetzte Verschlüsselung etwas taugt und vom BSI zertfizierte, in Deutschland hergestellte Verknüpfer von Secunet oder Lancom verwendet werden. Dort wird nach den letzten Attacken das Hohe Lied der Vorteile von Closed Source gesungen.

Was wird.

Was wird, was ist, was tun, wenn Deutschland so abgehört wird, dass immerhin der deutsche Verteidigungsminister zwar mit dem Abhören rechnet aber doch bitteschön doch nicht durch die Amerikaner? Genau, ein neuer Beraterstab muss her. Am Montag soll er der Presse vorgestellt werden, mit dem Auftrag, für deutsche Bürger "sichere und zudem einfach anwendbare sowie bezahlbare Verschlüsselung" zu finden. Es muss ja nicht gleich die Quantenkryptographie sein, die in der FAZ über den grünen Klee gelobt wird. Zur Not auch in Zusammenarbeit mit den Käseköppen, die spionieren nicht so wie die anderen Nachbarn mit Hollandes Lustre.

What shalls, ruft da der Pikte und kippt sein Malzwasser, jetzt soll es aber mal richtig krachen: 30 Jahre c't, das hat schon was. Ach, seufz, 30 Jahre, damals in grauen Novembertagen, als auf der anderen Seite des großen Wassers ein gewisser Fred Cohen als Student von Leonard Adleman den ersten Computervirus schrieb. Heute Ist Fred Cohen Spezialist für Information Warfare, den allumfassenden Informationskrieg. Und was schreibt er so? "Wenn die einfachen Leute auf dieser Welt nicht aufstehen und für ihre Interessen kämpfen, werden die Reichen und Mächtigen gewinnen. Es ist schon immer so gewesen und die Geschichte der Menschheit lehrt uns, dass dies so weitergeht. Der Informationskrieg muss im Informationszeitalter von jedem einzelnen Menschen geführt werden, sonst wird er, sonst wird seine Art zu leben, schnell verschwunden sein. Es ist der Kampf ums Überleben in dieser Welt, einer gegen den anderen. Es ist der ultimative Weltkrieg gegen die Mächtigen und jede Person auf dieser Welt ist als Einzelner an diesem Krieg beteiligt oder in einer Allianz mit allen anderen einfachen Leuten. Wer wird den Frieden gewinnen? Wir werden das. Sie und ich." Der Kampf ums Überleben, darunter geht es nicht. In gewisser Weise erinnert Fred Cohen an den Film-Assange in Inside Wikileaks, der daran erinnert, das wir alle die fünfte Gewalt sind. Vielleicht ist Darwins Lehre vom Naturgesetz in seinem Buch "Die natürliche Entwicklung der Artigkeit" nur falsch übersetzt worden: "Surveillance of the fittest" ist die Devise und "Überwacht die Überwacher" die moderne Antwort auf die Herausforderung der nächsten 30 Jahre. (jk)