Gegen Zwangsrouter der Provider: Die Bundesnetzagentur wird zum Jagen getragen

Die Bundesnetzagentur hat erstaunlich lange die Linie vertreten, dass Provider den Teilnehmern die Wahl des Routers vorschreiben können. Offenbar gelingt es nun mit vereinten Kräften, die Fehleinschätzung zu korrigieren.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 163 Kommentare lesen
Lesezeit: 4 Min.
Von
  • Dusan Zivadinovic

Keine freie Wahl mehr des Routers für den Internet-Anschluss? In der Anhörung der Bundesnetzagentur fand das praktisch keine Unterstützer.

Der Zeitpunkt hätte kaum passender sein können: Am Mittwoch einigten sich Verhandlungsführer der großen Koalition darauf, bei Regierungsbildung aus CDU/CSU und SPD gemeinsam gegen Zwangsrouter vorzugehen. Zugleich endete am Mittwoch eine öffentliche Anhörung der Bundesnetzagentur, in der die Regulierungsbehörde um Meinungen zu dem Thema gebeten hatte. Warum die Behörde überhaupt eine Anhörung für nötig befunden hatte, bleibt zwar unklar, aber mit der Willensbekundung der Verhandlungsführer erscheint das Ergebnis der Anhörung ohnehin überflüssig – die kommende Regierung wird der Behörde wohl das Heft aus der Hand nehmen.

Internet-Nutzer, Gerätehersteller und Verbände werden die Nachricht mit Freude vernommen haben. Die Agentur hatte im Januar 2013 einen Sturm der Entrüstung entfacht, als sie in einem informellen Schreiben nebenbei mitteilte, keine Handhabe gegen Router zu sehen, die Provider den Teilnehmern vorschreiben (Zwangsrouter), und daher nicht dagegen vorgehen zu wollen. Die Netzbetreiber seien nicht verpflichtet, ihren Kunden Zugangskennungen und Passwörter zu nennen, damit sie Router ihrer Wahl anschließen können.

Mit dieser Entscheidung hatte die Behörde hilfesuchende Internet-Nutzer im Regen stehen lassen und Router-Hersteller vor den Kopf gestoßen, während sie eigentlich einen funktionsfähigen Wettbewerb im Telekommunikationsmarkt hätte gewährleisten sollen. Überdies erweckte die Haltung den Anschein der Parteilichkeit zu Gunsten von Providern. Pikanterweise hat bisher kein Provider die Forderung nach Zwangsoutern öffentlich vertreten. Mit dem vehementen Gegenwind der Nutzer, Gerätehersteller und Verbände wird die Behörde nicht gerechnet haben. Im vergangenen Sommer lud die Agentur einen kleinen Expertenkreis und Industrievertreter zu einer ersten Diskussionsrunde und dann in der Folge zur öffentlichen Anhörung. Beides erscheint nun wie vorsichtiges Hissen der weißen Fahne.

Bei der Anhörung zeichnet sich eine klare Mehrheit der Experten-Stimmen gegen den Routerzwang ab. Dabei wandten sich 19 Hersteller von Netzwerkendgeräten in einer gemeinsamen Erklärung gegen ein vom Provider zwangsweise bereitgestelltes Gerät. Außerdem kritisierten Organisationen wie der Chaos Computer Club, die Free Software Foundation Europe oder auch der Bundesverband Initiative gegen digitale Spaltung die Bundesnetzagentur.

Mit einem Routerzwang würden die Nutzer in Verhaltensmuster aus Zeiten vor der Liberalisierung des Kommunikationsmarktes zurückgeworfen, kritisierte der Chaos Computer Club. Zwangsrouter, die obendrein vom Provider kontrolliert und gewartet werden, würden den Teilnehmer der Hoheit über sein privates Netz berauben. "Letztlich kann der Nutzer nicht mehr ausschließen, dass sich Dritte Zugang zum seinem Netz verschaffen." Vor dem Hintergrund der Abhöraffäre um die NSA sei das Vertrauen der Bürger ohnehin schon nachhaltig erschüttert. "Es wäre fatal, wenn sich diese Unsicherheit bis in die eigenen vier Wände ausdehnen würde. Der fernkontrollierte Router ist geeignet, genau diesen Unsicherheiten
und Ängsten weitere Nahrung zu geben."

Argumente für Zwangsrouter kamen bisher nicht zu Tage, im Gegenteil: Es gab auch während der sommerlichen Diskussionsrunde, zu der die Agentur geladen hatte, nur wenige und kleinlaute Befürworter.

Hingegen war der politische Wille gegen Zwangsrouter schon damals präsent. Dass die Agentur dennoch zur öffentlichen Anhörung lud, war der Politik wohl zu viel geworden, zumal die Bewertung der Anhörung in den Händen der Agentur und der Ausgang damit im Ungewissen lag. Die Unterarbeitsgruppe Digitale Agenda hat sich bei den Koalitionsverhandlungen zwischen CDU, CSU und SPD zur Regierungsbildung in Berlin nun in wünschenswerter Deutlichkeit auf eine gesetzliche Klarstellung zum sogenannten "Leitungsabschlussgerät" verständigt. Der Nutzer muss der Arbeitsgruppe zufolge beim Einsetzen von Routern die freie Wahl haben. Um dies festzuschreiben, sollen nun das Telemediengesetz und das Telekommunikationsgesetz entsprechend präzisiert werden.

Wer wollte, konnte das Recht auf freie Gerätewahl und damit offenen Wettbewerb unter den Herstellern freilich schon den bisherigen Gesetzen und Richtlinien entnehmen. Die Bundesnetzagentur wollte nicht. Demnächst wird sie wohl müssen. Sollte die große Koalition wie erwartet zustande kommen, kann man gespannt abwarten, wann und in welcher Weise die Behörde auf die Pirsch gegen Zwangsrouter gehen wird. (dz)