World Quality Day: Rudolf van Megen im Gespräch

Am 14. November wird seit über 20 Jahren der World Quality Day zelebriert. heise Developer sprach aus diesem Anlass mit Rudolf van Megen, dem Präsidenten des Fachverbands ASQF, über den Status quo der Softwarequalität.

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Von
  • Alexander Neumann

Rudolf van Megen verfügt über jahrzehntelange Erfahrungen in der Softwarequalität.

Anlässlich des heutigen World Quality Day hat heise Developer Rudolf van Megen befragt. Der Mitgründer der SQS Software Quality Systems AG hat über Jahrzehnte hinweg das Qualitätsmanagement geprägt. Seit letztem Jahr ist er Präsident des Fachverbands ASQF (Arbeitskreis Software-Qualität und Fortbildung e.V.), des wohl größten deutschsprachigen Fachverbands zum Thema Softwarequalität.

heise Developer: Deutsche Unternehmen investieren einen stetig zunehmenden Anteil ihres IT-Budgets in die Qualitätssicherung. Für dieses Jahr geht der "World Quality Report 2013-14" von einem Kontingent von knapp einem Viertel des gesamten IT-Etats aus. Warum wird das Thema Qualitätssicherung immer wichtiger für Unternehmen?

Rudolf van Megen: Die Komplexität der Software beziehungsweise der Systeme und ihre Integration in andere Systemstrukturen haben in den letzten Jahren stetig zugenommen. Je komplexer das System, desto höher der Prüfungsaufwand von Funktionen, Sicherheit et cetera. Das ist die Ursache für die steigenden Etats im Bereich Qualitätssicherung und Testen. Man betrachte einmal die Komplexität einer Bankensoftware oder die Systeme, die in einem Fahrzeug der deutschen Oberklasse verbaut sind: Das ist nicht mehr vergleichbar mit den Systemen von vor zehn oder sogar fünf Jahren.

Ich bin sehr überzeugt davon, dass nur durch die vielerorts trainierte, zertifizierte und angewendete Testmethodik und die daraus resultierende Effizienz der relative Aufwand in dem genannten Bereich zu halten war. Zum Beispiel wird mit systematisch ermittelten Testfällen bei Funktionstests gezielt geprüft, statt "mit viel Schrot (etwas) zu treffen". Das war übrigens schon vor 30 Jahren so, als wir mit Testmethoden anfingen, nur dass man damals viel weniger Testfälle aufgrund der geringeren Komplexität brauchte. Aber der Aufwand für das Testen lag auch damals schon zwischen 15 und 25 Prozent – selbst wenn viele IT-Verantwortliche oder Projektleiter dies am Anfang der Projekte meist nicht wahrhaben wollten.

Heute ist das definitiv anders. Derzeit sind die 25 Prozent ein akzeptierter und notwendiger Aufwandsanteil – bei sicherheitskritischen Systemen können es sogar 40 bis 50 Prozent sein.

heise Developer: Fast alle deutschen Unternehmen setzen auf ein internes Qualitätsmanagement. Nur ein Prozent der Firmen haben ihr Testmanagement kostengünstig ausgelagert – weltweit sind es neun Prozent. Warum ist man in Deutschland beim Outsourcing so zurückhaltend?

van Megen: Intern oder extern ist meines Erachtens nur eine Frage von Konsequenz. Alles was strategisch ist, muss man selbst realisieren, alles andere kann man nach außen verlagern. Ist Testen nun strategisch? Zunächst einmal nicht, denn es wird dabei nichts geschaffen, wodurch sich ein Produkt von dem eines Konkurrenten unterscheidet. Aber das Testen ist "business critical", das heißt, man kann nicht darauf verzichten. Darüber hinaus unterscheiden sich Anbieter für das Testen unter anderem durch die von ihnen eingesetzte Technik, die dann wiederum strategisch für das eigene Geschäft und den eigenen Erfolg ist. Heute gibt es gute Möglichkeiten, das Testen in hohem Maße durch externe Service-Provider – etwa einen Testspezialisten oder einen Systemintegrator – erledigen zu lassen.

Das führt meistens dazu, dass ein Teil der Arbeiten in ein Land oder an eine Niederlassung ausgelagert wird, in denen die Lohnkosten niedriger und selbst bei gegebenenfalls geringerer Produktivität die Gesamtkosten immer noch niedriger sind, als wenn ein Unternehmen alles selbst macht. Gute Entscheidungskriterien, welchem Dienstleister man die Software anvertrauen soll, sind zum Beispiel, wenn man fragt, ob die Mitarbeiter in der Offshore-Niederlassung die Projektsprache sprechen oder wie schnell und einfach Mitarbeiter vor Ort sein können beziehungsweise wie die Arbeitsteilung onsite/offshore stattfindet.

heise Developer: Und wie verhält sich das beim Testmanagement? Lässt sich das ebenfalls einfach auslagern?

van Megen: Das Testmanagement sollte kein Auftraggeber ganz weggeben. Er muss weiterhin mit eingebunden sein. Auf der Auftraggeberseite hat ein großer Teil des Testmanagements onsite stattzufinden, um sämtlich Abläufe und Prozesse zielführend und produktiv abstimmen zu können.

Dass deutsche Unternehmen immer noch weniger nach außen vergeben als zum Beispiel die angelsächsischen stimmt zwar, aber auch hier findet ein Wandel statt. Zunehmend größere Unternehmen kommen im Rahmen von Kostensenkungsüberlegungen dazu, die Auslagerung zumindest zu prüfen – wobei das mit der deutschen Gründlichkeit durchaus auch mal länger dauern kann.

heise Developer: Wie viel darf gutes Testmanagement kosten?

van Megen: Wenn man für den Testaufwand 25 Prozent der Projektkosten bei der Neuentwicklung kommerzieller Systeme ansetzt, macht das Testmanagement davon 10 bis 15 Prozent aus.

heise Developer: Qualität hat also ihren Preis, oder kann man Abstriche in bestimmten Bereichen vornehmen?

van Megen: Man kann immer etwas weniger machen, darf sich dann aber nicht wundern, wenn bestimmte Qualitätsmerkmale nicht überprüft worden sind. Wichtig ist, dass man sich zu Anfang bewusst entscheidet, was man nicht machen will und nicht erst aus Zeitgründen zum Projektende. Allerdings hängen die Bereiche, in denen sich Abstriche machen lassen, immer eng mit der Art der Software zusammen. Eine Smartphone-App soll gute Usability, korrekte Funktionalität und schließlich Sicherheit aufweisen.

heise Developer: Wo tun sich Änderungen in der Qualitätssicherung auf?

van Megen: Was in den letzten 30 Jahren zunehmend an bestimmten Tests ausgelagert wurde oder offshore war, wird heute zunehmend auf die Crowd verlagert. Dieser Wechsel wird sich aber schneller vollziehen, meines Erachtens in maximal fünf bis sieben Jahren. Das passiert auch, weil sich diverse Tests sehr gut durch die Crowd – etwa eine weltweite Community – erledigen lassen, gleichzeitig aber die Kosten erheblich niedriger sein können – wenn man es richtig angeht.

heise Developer: Der World Quality Day wurde 1990 von den United Nations ausgerufen. Er beschäftigt sich mit der Frage, was Qualität ist und was Qualitätsstandards für die Arbeit in Unternehmen und Einrichtungen bedeuten. Warum ist der World Quality Day heute noch wichtig?

van Megen: Wenn erst mal das Bewusstsein für Qualität – und da spreche ich durchaus auch von "Made in Germany" – da ist und auch die Sicht, wie viel Qualität man sich leisten kann oder will, ist schon viel gewonnen. Von daher ist der World Quality Day wichtig.

heise Developer: Lieber Herr van Megen, vielen Dank für die Beantwortung der Fragen. (ane)