NSA-Affäre, Handy-Gate und die Suche nach Konsequenzen

Es war etwas ruhiger geworden nach der Aufregung um das abgehörte Kanzlerinnen-Handy. Doch am Montag rückt die NSA-Affäre wieder ins Blickfeld: Der Bundestag befasst sich mit den US-Schnüffeleien.

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Von
  • Jörg Blank
  • dpa
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NSA-Skandal

Die NSA, der britische GCHQ und andere westliche Geheimdienste greifen in großem Umfang internationale Kommunikation ab, spionieren Unternehmen sowie staatliche Stellen aus und verpflichten Dienstleister im Geheimen zur Kooperation. Einzelheiten dazu hat Edward Snowden enthüllt.

Was kommt noch? Zigtausende Dateien hat Edward Snowden beim US-Geheimdienst NSA kopiert – scheibchenweise werden immer wieder neue Details der Spähaffäre bekannt. "Da können noch Knüller dabei sein", vermutet einer, der mit der Aufarbeitung der NSA-Affäre befasst ist. Dass Telefonate der Kanzlerin mitgeschnitten wurden, sei nicht auszuschließen – dann dürften auch Wortprotokolle existieren. Kommen die ans Licht, wird die nächste Stufe von Merkels "Handy-Gate" zünden.

Stille Post

Als die Präsidenten des Bundesnachrichtendienstes (BND) und des Bundesamts für Verfassungsschutz (BfV), Gerhard Schindler und Hans-Georg Maaßen, Anfang November in den USA über Konsequenzen sprachen, kündigte NSA-Chef Keith Alexander ein spezielles Info-Paket an. NSA-Spezialisten haben demnach zumindest teilweise rekonstruiert, welche Dateien ihr Ex-Mitarbeiter Snowden kopieren konnte. Mit dem "Deutschland-Paket" könnte sich Berlin darauf einstellen, was noch enthüllt werden könnte. Doch die Lieferung lässt auf sich warten.

An diesem Montag muss sich die Kanzlerin in einer Sondersitzung des Bundestags bei einer NSA-Debatte (ab ca. 15 Uhr) mit einem weiteren für sie eher unerfreulichen Detail der NSA-Affäre befassen. Hans-Christian Ströbele von den Grünen dürfte Merkel erneut mit der Forderung auf die Pelle rücken, Snowden in Deutschland Asyl zu gewähren. Ströbele hatte Snowden am 31. Oktober in Moskau getroffen. Der 30-Jährige, dessen vorläufiges Russland-Asyl im Sommer ausläuft, ist bereit, in Deutschland auszusagen – unter Sicherheitsgarantien.

Mit dem Angebot brachte Snowden Merkel in eine Zwickmühle. Zwar hatte die Kanzlerin in einem Telefonat mit US-Präsident Barack Obama scharf auf die Enthüllungen um ihr abgehörtes Handy reagiert. Doch den diplomatischen Fehdehandschuh will sie Obama dann doch nicht hinwerfen: Asyl soll Snowden nicht erhalten. Die rechtlichen Voraussetzungen sind ohnehin nicht gegeben – der Antrag müsste auf deutschem Boden gestellt werden.

Auch auf den Affront gegenüber Washington, Snowden für eine Aussage freies Geleit zu gewähren, will Merkel gerne verzichten. "Wir sind Verbündete und wollen das bleiben. Eine Vertrauenskrise nützt nur den Falschen", heißt es im Kanzleramt. Und die deutschen Dienste waren schon oft dankbar für Hinweise der US-Partner – das will man sich nicht verscherzen.

Eine Konsequenz aus der NSA-Affäre soll es aber doch noch vor Weihnachten geben. BND-Chef Schindler arbeitet seit August an einer Kooperationsvereinbarung der Geheimdienste, die eine neue Grundlage für die Zusammenarbeit schaffen soll. Demnächst ist eine weitere Videokonferenz zu den Details geplant.

Im ersten Teil geht es demnach um die unproblematischen Bereiche – Anti-Terrorkampf, Nuklearhandel, Kriminalität im Internet. Im diffizileren zweiten Teil stehen die "No-Gos": Kein Ausspähen von Regierung oder Botschaften, keine Industriespionage, kein anlassloses Abhören deutscher Bürger. Verhandelt wird noch darüber, wie weit die Formulierungen gefasst sind: Der Passus, alles zu unterlassen, "was deutsche Interessen verletzt", dürfte die Nagelprobe sein.

Weil der genaue Inhalt dieser Vereinbarung vertraulich bleiben soll, rechnen Geheimdienstler nicht damit, dass das Abkommen einen politischen Befreiungsschlag möglich macht. Dem soll eher eine Erklärung auf Regierungsebene dienen, etwa zwischen Kanzleramt und Weißem Haus oder beiden Außenministerien.

Doch auch ein solches Abkommen dürfte vor allem Symbolwert haben. Nach dem Bekanntwerden der NSA-Affäre im Sommer hatten die USA versichert, auf deutschem Boden deutsches Recht zu akzeptieren. Mittlerweile ist klar, was davon zu halten war: Das Ausspionieren von Kanzlerinnen-Handys etwa ist nach dem Gesetz eindeutig tabu. Und dass die USA auf Spionage verzichten – damit rechnet ohnehin kaum jemand.

Was kommt noch? Der Spiegel meldet, US-Außenminister John Kerry plane nach der Regierungsbildung eine Versöhnungsvisite in Berlin. Das wäre in der Woche vor Weihnachten. Bis dahin dürften die Vereinbarungen in trockenen Tüchern sein. Egal, ob Kerry auch die Kanzlerin trifft, große Verbrüderungsszenen dürfte es nicht geben. Das Vertrauen müsse langsam wieder wachsen, heißt es in Berlin. Zuviel Symbolik und große Gesten wie beim Obama-Besuch im Sommer wirkten "irgendwann ganz hohl".

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(jk)