Bahn mahnt Blogger wegen angeblichen Verrats von Geschäftsgeheimnissen ab [Update]

Der Transportkonzern hat dem Betreiber von Netzpolitik.org nach der Veröffentlichung eines internen Prüfberichts zur Durchleuchtung von Mitarbeitern eine Unterlassungserklärung geschickt. Bahnchef Mehdorn räumte unterdessen Fehler ein.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 235 Kommentare lesen
Lesezeit: 3 Min.

Die Deutsche Bahn möchte Details der Affäre um die Durchleuchtung zehntausender Beschäftigter weiter aus dem Licht der Öffentlichkeit heraushalten. So haben Anwälte des Transportkonzerns jetzt eine Abmahnung an den Betreiber des Blogs Netzpolitik.org, Markus Beckedahl, geschickt. Dieser hatte zuvor einen internen Prüfbericht des Berliner Landesdatenschutzbeauftragten zu den Vorgängen als PDF-Datei und im Wortlaut veröffentlicht. Aus dem Gesprächsvermerk hatten im Vorfeld bereits zahlreiche Medien umfangreiche Passagen zitiert, das gesamte Dokument aber nicht veröffentlicht.

Die Anwälte werfen Beckedahl den Verrat von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen vor. Die Publikation des Protokolls verstoße gegen einschlägige Paragraphen im Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) und im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB). Der Blogger wird aufgefordert, das heikle, Machenschaften der von der Bahn AG beauftragten Detektei Network Deutschland aufschlüsselnde Papier "sofort" von der Homepage zu entfernen und eine in der Regel kostenpflichtige Unterlassungserklärung bis Ende der Woche abzugeben. Zudem behält sich der Konzern das Geltendmachen von Schadensersatzansprüchen sowie die Einleitung strafrechtlicher Schritte ausdrücklich vor. Für den Hacker "Wetter", wie Beckedahl Mitglied im Chaos Computer Club (CCC), ein "lächerlicher" Vorgang. Seiner Ansicht nach sollte sich die Bahn besser um die Aufklärung des Datenschutzskandals bemühen als gegen Blogger, die um Transparenz bemüht seien, vorzugehen. Zuvor hatte der Konzern bereits dem Berliner Datenschutzbeauftragten Geheimnisverrat vorgeworfen, was dieser aber entschieden zurückwies.

Bahnchef Hartmut Mehdorn hat in einem Schreiben an alle Konzernmitarbeiter, das ebenfalls bereits an die Presse durchgesichert ist, nach massiver öffentlicher Schelte wegen der Überprüfungen am heutigen Dienstag Fehler eingeräumt. "Aus heutiger Sicht waren wir hier übereifrig", schrieb er in Bezug auf die Inspektion der Daten von insgesamt 173.000 Mitarbeitern. "Falsch verstandene Gründlichkeit" habe den Anstoß für die diversen Operationen gegeben. Jeder Generalverdacht gegen die "lieben Kollegen" müsse genauso ausgeschlossen werden wie ein "Abrücken von unserem Kampf gegen die Korruption". Man werde nun in einen Dialog mit den Beschäftigten und Gewerkschaften eintreten, um "verbindliche und transparente Regelungen zu vereinbaren". Es sei aber niemand "ausspioniert, abgehört oder bespitzelt worden". Zur Feststellung von Personen sei es "nur gekommen, wenn es Übereinstimmungen zwischen Mitarbeiterdaten und Lieferantendaten gab".

Update: Im Laufe des Dienstags ist unter anderem durch einen Bericht in der Financial Times Deutschland (FTD) bekannt geworden, dass die Bahn im Jahr 2005 sämtliche 220.000 Mitarbeiter einem Screening unterzogen hat. Das gehe aus einem Schreiben des Bahn-Aufsichtsrats Achim Großmann an die anderen Mitglieder des Kontrollgremiums hervor, das der FTD vorliege. Verkehrsminister Wolfgang Tiefensee und sein Staatssekretär Großmann (beide SPD) wollten nun die Ablösung Mehdorns erzwingen, heißt es weiter in dem Bericht.

Siehe dazu auch:

(Stefan Krempl) / (pmz)