Netz gegen Nazis: "Wachsame Löwen" im Internet und in Vereinen gegen Rechts

Die Wochenzeitung "Die Zeit" hat mit zahlreichen Partnern etwa aus dem Sportbereich das Online-Ratgeberportal "Netz gegen Nazis" gestartet, um der Unterwanderung der Gesellschaft durch Rechtsaußen entgegenzuwirken.

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Die Wochenzeitung Die Zeit hat am heutigen Montag ein Online-Ratgeberportal gegen Rechtsextremismus gestartet. Mitinitiatoren des "Netz-gegen-Nazis.de" sind der Deutsche Olympische Sportbund (DOSB), der Deutsche Fußball-Bund (DFB), die Deutsche Fußball-Liga (DFL) und der Deutsche Feuerwehrverband (DFV) mitsamt der Jugendfeuerwehr. Als Fernsehpartner fungiert das ZDF, im Internet treten die wie "Die Zeit" zum Holtzbrinck-Verlag gehörenden sozialen Netzwerke studiVZ, schülerVZ und meinVZ als Werbepartner an. Mit zahlreichen Aktionen wollen die Projektverbündeten die nächsten drei Monate laut Zeit-Chefredakteur Giovanni di Lorenzo, der das Portal auch in einem Online-Video vorstellt, erst einmal "richtig klotzen". Danach sollten die Erfahrungen zunächst "am liebsten zu einem Handbuch" gebündelt und "in hoher Auflage" an Schulen und in Vereinen verteilt werden.

Di Lorenzo zufolge soll über das mit einem Forum verknüpften Portal und den darum herum gestrickten Maßnahmen der Versuch der "systematischen Unterwanderung" der Gesellschaft durch rechtsradikale Gruppen unterbunden werden. Man müsse der Aufforderung der Neonazis, in die Sportvereine und die Feuerwehren zu gehen und dort um Anhänger zu werben, mit einem vergleichbaren Ansatz direkt vor Ort begegnen. "Lasst uns möglichst viel Basisarbeit machen", umschrieb er das Hauptanliegen in einer Zeit, in der einerseits "nationale Autonome" bei der 1.-Mai-Demo in Hamburg aggressiv aufgetreten seien, andererseits Vorfälle wie ein Anschlag auf ein Heim mit polnischen Erntehelfern in Ostdeutschland kaum mehr Schlagzeilen machen würden. Die Hilflosigkeit etwa bei Lehrern oder Eltern gegen die Infiltration von Rechtsaußen sei groß, weiß der Mitinitiator der ersten Lichterketten gegen Ausländerhass in München. Daher sei die Ratgeberform wichtig.

Das DOSB-Präsidiumsmitglied Ingo Weiss umschrieb das eigene Anliegen bildhaft: "Wir wollen unsere 25 Millionen Mitglieder zu wachsamen Löwen machen, damit eine Verfolgung von Minderheiten wie im Dritten Reich nicht noch einmal passiere. Der Vorsitzende der Deutschen Sportjugend erläuterte zugleich, dass dort eine Arbeitsgruppe für den "Kampf gegen Rechts" gegründet und eine weitere Internetplattform unter www.sport-jugend-agiert.de gestartet sei, wo Nutzer Videos zum Thema anschauen, sich durch einen interaktiven Videoplayer selbst einbringen oder miteinander diskutieren können.

"Wir müssen Wissen an die Menschen bringen und Zivilcourage herbeiführen", betonte DFB-Präsident Theo Zwanziger: Länderspiele mit hohen Einschaltquoten seien besonders geeignet, den Menschen die Augen zu öffnen. Darüber hinaus sei aber auch die "Breite des Amateurfußballs etwa mit Qualifizierungskampagnen zu gewinnen. "Es muss mit dem Lehren des Fallrückziehers vermittelt werden, dass es sich lohnt, in diesem demokratischen Land zu leben, und dass Nazis das Gegenteil wollen."

Reinhard Rauball, Präsident des Ligaverbandes, ergänzte, dass rassistische und antisemitische Äußerungen in den Stadien mit "nicht zu knappen" Zutrittsverboten geahndet würden. Konkret zeige man Spots mit Top-Spielern wie Michael Ballack, Philipp Lahm oder Christoph Metzelder in den Stadien am 32. Spieltag der Bundesliga und an den Spieltagen vom 6. und 12. Mai in allen Amateurligen. Promi-Sportler würden zugleich das Logo der Initiative entrollen. Rauball betonte: "Auch die Club-Webseiten werden wir einspannen."

Für den DFV erklärte dessen Chef Hans-Peter Kröger, man plane "zunächst den Aufruf zur Beteiligung an der Online-Community". Darüber hinaus "werden wir bei unseren Veranstaltungen und größeren Foren Informationsmaterial für die Kampagne verteilen". Dazu komme eine "Woche des Bekenntnisses" gegen Nazis vom 9. bis zum 15 Juni auf der Webseite der Jugendfeuerwehr. Zugleich verteidigte er den Verband mit seinen 1,3 Millionen aktiven Angehörige an 35.000 Standorten gegen Kritik: Die einzelnen Gruppen vor Ort "sind so basisdemokratisch veranlagt, dass sie ihren Laden auch sauber halten. Wer durch rechtsextremes Verhalten aufgefallen ist, hat in unseren Reihen nichts zu suchen".

ZDF-Chef Markus Schächter kündigte als "Trommler im Fernsehen" an, die viele hundert Stunden umfassenden Beiträge des Senders zur Thematik gebündelt in der Mediathek online zur Verfügung zu stellen. Die studiVZ-Gruppe will ihrem Geschäftsführer, Michael Brehm, zufolge kostenfrei Werbeplätze zur Verfügung stellen. Dazu käme eine verstärkte Aufklärungsarbeit im Rahmen einer speziellen Aktionswoche mit Online-Diskussionen. Die Online-Gemeinschaften würden zudem ihren "Katalog an verbotenen rechtsextremen Zeichen" genauso ständig erweitern wie das Support-Team, das die Plattform sauber zu halten suche. Generell gebe es einen "umfangreichen Verhaltenskodex, wonach rassistische oder fremdenfeindliche Äußerungen nicht gestattet sind".

Di Lorenzo bestätigte, dass es online wie offline bereits "viele gute", in eine ähnliche Richtung gehende Initiativen gegeben habe, gebe und künftig geben werde. Man würde auch gerne mit Experten dieser Aktionen zusammenarbeiten. "Wir haben ein großes Bemühen um Breitenwirkung und Nachhaltigkeit", stellte er klar. 2000 hatten die inzwischen eingestellte "Woche", Bild und ZDF-Online bereits die "Medien-Initiative: Netz gegen Rechts" ins Leben gerufen, der 2006 aber der Atem ausging. Noch im Mai will ferner der Verein Gegen Vergessen ein eigenes Webportal gegen Neonazis starten. (Stefan Krempl) / (jk)