Bundestag vor Verabschiedung des Verbots "gewaltbeherrschter Spiele"

Nach grünem Licht im Familienausschuss für den umstrittenen Regierungsentwurf zur ersten Änderung des Jugendschutzgesetzes wird das Parlament das Vorhaben morgen absegnen, doch Wirtschaft und Opposition üben weiter Kritik.

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Der Bundestag wird am morgigen Donnerstag aller Voraussicht nach den umstrittenen Regierungsentwurf zur ersten Änderung des Jugendschutzgesetzes mit den Stimmen der Mehrheit der großen Koalition absegnen. Den Weg für die Verabschiedung des Vorhabens, mit dem unter anderem der Katalog der indizierten Computerspiele ausgeweitet werden soll, hatte der federführende Familienausschuss des Parlaments am 23. April gegen das Votum der Opposition freigemacht. Allein ein paar redaktionelle Änderungen fügten die Familienpolitiker von Schwarz-Rot in ihren knappen Verbesserungsvorschlag (PDF-Datei) ein.

Mit der von Bundesfamilienministerin Ursula von der Leyen (CDU) hochgehaltenen Initiative sollen Spiele mit "weitreichenden Abgabe-, Vertriebs- und Werbeverboten" belegt werden, die "besonders realistische, grausame und reißerische Gewaltdarstellungen und Tötungshandlungen beinhalten, die das mediale Geschehen selbstzweckhaft beherrschen". Bisher sind allein Gewalt oder Krieg "verherrlichende" Computerspiele für Jugendliche automatisch verboten. Gesetzlich festgeschrieben werden auch Mindestgrößen und Sichtbarkeit der Alterskennzeichen der Freiwilligen Selbstkontrolle der Filmwirtschaft (FSK) und der Unterhaltungssoftware Selbstkontrolle (USK). Die Signets müssen künftig auf der Frontseite der Verpackungshülle "auf einer Fläche von mindestens 1200 Quadratmillimetern" und auf dem Bildträger mindestens 250 Quadratmillimeter groß angebracht werden.

Oppositionspolitikern zufolge greift der Entwurf teils zu kurz, schießt andererseits aber auch übers Ziel hinaus. Die FDP-Fraktion setzt zuvorderst auf eine verbesserte Medienkompetenz, die in der Schule vermittelt werden müsse. Mit den vorgesehenen Maßnahmen komme man auf diesem Weg nicht weiter. Zudem werde die Selbstkontrolle der Wirtschaft zu stark bevormundet. Die Liberalen haben daher einen Entschließungsantrag eingebracht. Damit wollen sie erreichen, dass der Bereich der Online-Spiele der USK unterstellt und auch dafür Altersfreigaben vorgesehen werden. Sie drängen ferner etwa auf eine Prüfung, ob die Kategorie der "schweren Jugendgefährdung" nicht abgeschafft und Tatbestände aus dem Jugendschutzgesetz ins allgemeine Strafrecht überführt werden könnten. Die FDP fordert zudem auf EU-Ebene eine bessere Bekämpfung von Angeboten, die unter Verletzung von Urheberrechten und Alterskontrollsystemen Zugang zu Computerspielen und "anderen Medieninhalten" ermöglichen.

Auch die Linksfraktion will vor allem die Medienkompetenz stärken. Alterskennzeichnungen hingegen seien wenig hilfreich, da indizierte Spiele vielfach "unter dem Ladentisch" gehandelt würden. Die Grünen sprechen von einem "Schmalspurentwurf". Sie bedauern, dass die im Herbst 2007 veröffentlichte Untersuchung des Hans-Bredow-Instituts zum gesamten Komplex der 2003 novellierten Jugendschutzbestimmungen nicht berücksichtigt werde. Nach Ansicht der Grünen ist eine Vergrößerung der Altershinweise sinnvoll. Die bisherigen Regelungen zur Indizierung von Gewaltspielen würden aber ausreichen. Der vorgelegte Entwurf enthalte hier viele "unbestimmte Rechtsbegriffe" und könne sich zu einer "Arbeitsbeschaffungsmaßnahme für Juristen" entwickeln. Die Grünen haben ebenfalls einen Entschließungsantrag vorgelegt. Darin plädieren sie etwa für eine Alterseinstufung von Online-Spielen, die Klärung von Verantwortlichkeiten für nutzergenerierte Inhalte und eine Prüfung der gegenwärtigen Altersgrenzen.

Ähnliche Vorschläge hat der Bundesverband Interaktive Unterhaltungssoftware (BIU) gemacht. Er kritisiert, dass die vorgesehenen Änderungen zum Umgang mit Computer- und Videospielen "keine Verbesserung für die Verbraucher" böten. Das eigentliche Problem in Form einer einheitlichen Alterskennzeichnung von Games unabhängig von der Verbreitungsart bleibe ungelöst. Übers Netz per Download beziehbare Spiele seien dringend mit einzubeziehen, "um den Jugendmedienschutz tatsächlich zu verbessern und die vorhandenen technischen Systeme auch zukünftig effektiv einsetzen zu können". So sei auf Spielekonsolen und vermehrt auf PC-Plattformen eine Altersabfrage installiert, die bei jedem Spielstart das digitale Alterskennzeichen der Software mit der im Spielerprofil voreingestellten Altersangabe abgleiche und die Inhalte bei Nichtübereinstimmung blockiere. Dieses System laufe ohne USK-Kennzeichen für online geladene Spiel teils ins Leere.

Der Entwurf vernachlässigt dem BIU zufolge, dass weniger die Größe, sondern eher Gestaltung und Wortlaut der Alterskennzeichen problematisch seien. Geht es nach dem Verband, sollte die bisherige, einen Hinweis auf den Gesetzestext einschließende Freigabebezeichnung durch die alleinige Angabe der Zahlen 0, 6, 12, 16 und 18 ersetzt werden. Damit würden missverständlichen Formulierungen wie "Ohne Altersbeschränkung" oder "Keine Jugendfreigabe" hinfällig. Zudem könne die Alterszahl rund viermal größer dargestellt werden als der bisherige längere Text.

Siehe dazu auch:

Siehe dazu auch den Online-Artikel in c't-Hintergrund zur bisherigen Berichterstattung über die Diskussion um das Jugendmedienschutzrecht, Gewaltspiele, Verbotsforderungen und Beschränkungen für Jugendliche bei Spielen:

(Stefan Krempl) / (jk)