Musik-Streaming Spotify: Wir sind die Guten

Streaming-Anbieter wie Spotify stehen in der Kritik, weil ihr Geschäftsmodell für Musiker nur ein paar Cent abwirft. Die Schweden gehen in die Charme-Offensive und nennen jetzt erstmals Zahlen.

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Streaming-Anbieter werden von Musikern kritisiert, weil sie nur Cent-Beträge für einen abgespielten Song ausschütten. Mit einer Website für Künstler sucht Spotify nun den Dialog und nennt erstmals selbst Zahlen: Eine Milliarde US-Dollar hat das Unternehmen demnach bisher an die Musikbranche ausgeschüttet, die Hälfte davon alleine in diesem Jahr. Das ist viel Geld, und es wird schnell mehr, meint Spotify. Stimmt, nur kommt bei uns Künstlern kaum was davon an, halten Musiker wie Radiohead-Frontmann Thom Yorke oder David "Talking Heads" Byrne dagegen.

Streaming-Anbieter betonen immer wieder, dass sie einen Großteil ihres Umsatzes an die Rechteinhaber ausschütten. Bei Spotify sind es 70 Prozent. Was am Ende für den Künstler herauskommt, hängt von verschiedenen Faktoren ab. Spotify bezieht das Verhältnis der Streams eines Künstlers zur Gesamtmenge der Streams in seine Berechnung ein und gibt davon 70 Prozent an den Rechteinhaber ab. Was der dann an den Künstler weiterreicht, steht in dessen Vertrag.

Die Streaming-Anbieter sagen: Wir sind die Guten, wir geben fast drei Viertel unserer Umsatzes an euch Musiker zurück. Wendet euch an eure Labels, wenn ihr nicht genug Geld bekommt. Doch diese Verträge mit Plattenfirmen, insbesondere den großen "Majors", können es in sich haben. Das haben die Musiker Steve Albini und Courtney Love vor Jahren einmal vorgerechnet. Die Zahlen sind nicht mehr ganz frisch, aber das Prinzip wird anschaulich: Bevor der Künstler einen Cent von seinen Tantiemen sieht, lässt sich das Label erstmal sämtliche Auslagen erstatten. Das ist heute nicht anders als damals.

Doch selbst wenn die Majors die Streaming-Tantiemen direkt an die Künstler durchreichen würden, lohnt sich das nur für die ganz Großen: Im Schnitt schüttet Spotify laut den jetzt veröffentlichten Zahlen 0,44 bis 0,63 Euro-Cent pro Stream aus – also um die 5000 Euro für einen Song, der eine Million Mal angehört wurde. Das deckt sich in etwa mit den Summen, die seit Monaten in der Branche kursieren. Für einen Privatjet, wie ihn Superstar Beyonce ihrem Superstar-Gatten Jay-Z zum Vatertag 2012 geschenkt haben soll, wird das kaum reichen: So ein Ding kostet 40 Millionen US-Dollar.

Auch die Streaminganbieter verdienen übrigens kein Geld. 2012 konnte Spotify seinen Umsatz zwar auf 435 Millionen Euro verdoppeln. Doch auch der Verlust wuchs von 45 auf 59 Millionen Euro. Spotify hat nach jüngsten Angaben über 24 Millionen aktive Nutzer. Skeptiker halten das Geschäftsmodell der Streaming-Anbieter auch für langfristig nicht tragbar: Mit jedem neuen Nutzer steigen die Verbindlichkeiten gegenüber den Labels. So sind die Streaming-Anbieter ein mögliches Übernahmeobjekt von Unternehmen, die nach Mehrwert für ihre Kunden suchen: Netzbetreiber etwa wie die Telekom, die angeblich schon ihre Fühler ausgestreckt haben soll.

Bisher sind die Majors die einzigen, die wirklich von Streaming profitieren: Sie verfügen über die gigantischen Pop-Kataloge, deren Repertoire den Großteil der Streams abdeckt. In der Branche wird erzählt, dass die Streaming-Anbieter hohe Vorauszahlungen leisten müssen, um überhaupt die Rechte an den Katalogen der Majors zu bekommen. Ohne die braucht es kein Anbieter auch nur zu versuchen. Bei Spotify haben die Majors gleich ganz groß hingelangt und sich 18 Prozent des schwedischen Unternehmens gesichert – und dafür angeblich kaum etwas bezahlt. Spotify wird inzwischen mit 4 Milliarden US-Dollar bewertet. (vbr)