AVM aktualisiert Fritz!Box 7490-Firmware – kleiner Rückschritt inbegriffen

Der Router-Hersteller liefert wie sooft eine Hand voll Fehlerkorrekturen und Verbesserungen. Überraschenderweise ist aber auch eine Funktion dabei, die gegen Internet-Standards verstößt – um Microsofts Spielekonsole Xbox One in den Sattel zu helfen.

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Das Router-Flaggschiff des Berliner Herstellers AVM, Fritz!Box 7490, erhält eine neue Firmware mit der Versionsnummer 6.01. Bisher war im 7490er Modell noch das Fritz!OS in Version 5.59 üblich. Zu den neuen Funktionen zählen ein WLAN-Gastzugang als Privater Hotspot, Live-TV-Funktionen für Tablet, Notebook und Smartphone, VDSL-Vectoring-Vorbereitung, Kindersicherung mit gemeinsamen Budget für mehrere Geräte sowie diverse Verbesserungen im Bereich Telefonie, NAS, Smart Home und Diagnose (komplette Liste der Änderungen). Die Aktualisierung lässt sich wahlweise automatisch über das Menü "System", "Update", "Neue-Firmware suchen" laden oder manuell vom Webserver des Unternehmens beziehen.

Bei genauem Hinsehen überrascht eine Funktion: Der normalerweise automatisch arbeitende Filter, der an Anschlüssen mit IPv6-Protokoll den ausgehenden Verkehr für den Teredo-Tunnel sperrt (IPv6-Verkehr via IPv4), lässt sich nun abschalten. Auf den ersten Blick klingt das nebensächlich. Technisch gesehen stellt das jedoch einen Verstoß gegen Internet-Standards dar. Außerdem gilt die Kommunikation über Teredo als instabil und als Sicherheitsrisiko.

Mit der aktuellen Fritz!OS-Version lässt sich der Filter, der ausgehenden Teredo-Verkehr normalerweise aus Sicherheitsgründen sperrt, abschalten. Das ist ein Widerspruch zu aktuellen Internet-Standards, aber zugleich ein Zugeständnis an Xbox-One-Spielekonsolen, die sich andernfalls nicht im Multiplayer-Modus betreiben lassen.

Notwendig und teils verständlich erscheint der Schritt aber dennoch: Der Router-Hersteller hilft damit Microsofts neuer Spielekonsole Xbox One in den Sattel. Sie setzt Teredo-Tunnel bisher grundsätzlich voraus. Wenn sie keinen Teredo-Tunnel aufbauen kann, funktioniert ihr Multiplayer-Modus nicht. Deshalb können nun Xbox-One-Nutzer den Teredo-Filter in der Fritz!Box 7490 per Hand abschalten (Menü "Internet", "Filter", "Listen", "Globale Filtereinstellungen"). AVM hat zu diesem Thema eine eigene Informations-Seite online gestellt.

Microsoft muss man ankreiden, dass es seine moderne Spielekonsole ohne Not anachronistisch und entgegen dem Standard ausgelegt hat. An Anschlüssen, an denen sich der Internet-Zugang direkt über IPv6 aufbauen lässt, hat ein IPv6-Tunnel über eine parallele IPv4-Sitzung nichts verloren. Ein bißchen verstehen kann man Microsofts Wahl indes schon: Mittels Teredo können die Spielekonsolen ohne Weiteres die NAT-Schranke heutiger Teilnehmer-Router von innen überwinden und so miteinander reden. Sie kommen deshalb ohne Anwendereingriffe aus (wie Teredo funktioniert).

Die Tunneltechnik Teredo nutzt für den Verbindungsaufbau einen Internet-Server, der beim Ausmessen der Verbindung und des NAT-Routers hilft. Der IPv6-Verkehr läuft anschließend über einen weiteren Rechner, das Teredo-Relay. Beide Elemente unterhält Microsoft selbst.

Technisch gesehen gäbe es jedoch Alternativen. Viele sind zwar aufwändiger (z. B. manuelle Port-Weiterleitungen) oder nicht grundsätzlich verfügbar (UPnP oder NAT-PMP hat nicht jeder Router). Aber es gibt neben Teredo auch andere, sehr komfortable NAT-Bohrer. Beispielsweise hat der VoIP-Client Skype einen an Bord, mit dem er seit seinem Erscheinen sehr erfolgreich ist – ohne gegen Spezifikationen zu verstoßen.

Mit dem Firmware-Update umgeht AVM das Problem für Xbox-One-Nutzer, die über DSL-Leitungen und die Fritz!Box 7490 ins Internet kommen. Xbox-One-Nutzer, die über DS-Lite-Anschlüsse ins Internet kommen, sind jedoch weiterhin benachteiligt (etwa Kabel-Deutschland-Kunden). Diese Anschlüsse wickeln IPv4-Verkehr nur behelfsweise über eine Provider-seitige NAT ab. Dabei halten die IPv4-Sitzungen nicht dauerhaft und somit auch Teredo-Tunnel nicht. Ein zuverlässiger und moderner NAT-Bohrer anstatt Teredo stünde Microsoft also immer noch gut zu Gesicht. Es scheint aber nicht leicht, sich von altgewohntem zu trennen. Das Unternehmen hatte einen eigenen Teredo-Server erst vor einigen Monaten kurzfristig abgeschaltet und ihn dann nach zahlreichen Protesten wieder in Betrieb genommen – mit der Begründung, es sei nur ein Test gewesen. (dz)