Kommentar zur Großen Koalition: Prinzip Chaos in der Digitalpolitik bleibt

Zwar wird der CSU-Politiker Alexander Dobrindt künftig ein Verkehrsministerium führen, das um digitale Infrastruktur erweitert wurde, alleine für das Internet verantwortlich ist er damit aber nicht. Netzpolitik bleibt zerstückelt auf die Ministerien.

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Von
  • Falk Steiner

Die neue Bundesregierung wird keinen alleinigen Internetminister haben. Die Zuständigkeiten bleiben verteilt: der Breitbandausbau wird aus dem Verkehrsministerium unter Alexander Dobrindt (CSU) von seiner Staatssekretärin Dorothee Bär bearbeitet, Datenschutz, IT-Sicherheit und E-Government bleiben unter Thomas de Maizière (CDU) im Innenministerium. Die digitale Außenpolitik wird Frank-Walter Steinmeier (SPD) unter seinen Fittichen haben, die digitale Wirtschaft soll unter Sigmar Gabriel (SPD) von der früheren Justizministerin Brigitte Zypries gefördert werden und auch der Verbraucherschutz, der dem Justizministerium unter Heiko Maas (SPD) zugeschlagen wurde, wird beim Digitalen eine Rolle spielen – genau wie das Kanzleramt unter Peter Altmaier (CDU), bei dem ein noch zu schaffender Geheimdienstbeauftragter sich um die NSA-Affäre kümmern muss.

Ein Kommentar von Falk Steiner

Falk Steiner ist Journalist in Berlin. Er ist als Autor für heise online, Tageszeitungen, Fachnewsletter sowie Magazine tätig und berichtet unter anderem über die Digitalpolitik im Bund und der EU.

Das ist eine verpasste Chance. Denn auch wenn Digitalpolitik als Querschnittsthema in allen politischen Gewerken relevant ist, heißt das: niemand wird den Hut aufhaben. Niemand wird konkret die Federführung für eine digitale Strategie übernehmen. Stattdessen wird es beim kontraproduktiven Ressortzuständigkeits-Klein-Klein der vergangenen Legislaturperiode bleiben. Der Ressortzuschnitt bedeutet auch: es wird keinen eigenständigen Ausschuss für digitale Angelegenheiten im Bundestag geben. Auch hier wird es also wieder dazu kommen, dass sich in erster Linie die Fachpolitiker der jeweiligen Bereiche mit den digitalen Aspekten auseinandersetzen müssen. Das ist symptomatisch für diese Bundesregierung.

So wie aus dem Koalitionsvertrag ein ernsthafter Breitbandausbau faktisch gestrichen wurde, weil es kein zusätzliches Geld für ihn gibt, so ist auch ansonsten nicht erkennbar, dass es einen Plan geben würde, wie man die Bundesrepublik digital voranbringen will. Kein Ziel, kein Plan, keine Zuständigkeit: das ist nicht besonders erfolgversprechend. Bleibt die Hoffnung, dass Koalitionsverträge und Ressortzuständigkeiten vor allem eines sind: Papier. Es kommt nun auf die Praxis an. Schaffen es die Zuständigen, sich über ihren Tellerrand hinaus zu verständigen?

Die Chancen dafür stehen nicht zwangsläufig schlecht. Dass sich der vergangene Innenminister Hans-Peter Friedrich für das Digitale außer als Endnutzer nicht sonderlich interessierte, war ein offenes Geheimnis. Das kann man von Thomas de Maizière nicht behaupten. Zwar war längst nicht alles, was er als Innenminister bis zur Notübernahme des Verteidigungsministeriums anstellte, von Erfolg gekrönt. Aber de Maizière interessierte sich für die Themen. Schwieriger sieht es da im Auswärtigen Amt aus: dort wurde das Thema digitale Außenpolitik erst unter Guido Westerwelle überhaupt ernsthaft angegangen. Frank-Walter Steinmeier hat keinerlei bekannte Affinität dazu. Dass Brigitte Zypries, die in ihrer Amtszeit die Einführung der Vorratsdatenspeicherung mitverantwortete, die digitale Wirtschaft voranbringen soll, ist eine Überraschung. Sie hat sich in den vergangenen Jahren im Bundestag unter anderem in der Enquete-Kommission Internet und digitale Gesellschaft intensiver mit den Themen auseinandergesetzt. Als Wirtschaftspolitikerin allerdings war sie bislang nicht aufgefallen.

Doch die größte Frage ist: Wird sich das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur unter Alexander Dobrindt als formal höchstrangig digital benanntes Ministerium wirklich mit dem undankbaren, weil finanziell nicht unterfütterten Breitbandausbau allein zufriedengeben? Hier könnte Dorothee Bär, die sich als Gegnerin der Vorratsdatenspeicherung in der CSU und als Netzpolitikerin einen Namen gemacht hat, einige Fäden zusammenhalten. Doch für die kommenden Monate kann man hier einen veritablen Machtkampf zwischen den beteiligten Ministerien erwarten. Der wäre mit einem echten Digitalministerium zu vermeiden gewesen. Stattdessen bleibt es beim Prinzip Chaos in der Digitalpolitik. Allerdings eines, das aufgewertet wurde. (mho)