Cyber galore: Das Programm Österreichs größlicher Koalition
Allein das Wort "Cyber" kommt 24 Mal im Regierungsprogramm der neuen Bundesregierung Österreichs vor. Was aus Techniksicht von der Koalition SPÖ und ÖVP so alles zu erwarten ist, zeigt unsere Zusammenfassung.
Montagvormittag wurde Österreichs neue Bundesregierung angelobt. Die klassische Große Koalition aus SPÖ und ÖVP ist mit ihrer knappen Mehrheit zur größlichen Koalition geschrumpft.
Das Regierungsprogramm stellt alle Pläne unter Finanzierungsvorbehalt. Heise online fasst es aus Techniksicht zusammen.
(Bild: Alma Mater Rudolphina Vindobonensis)
Das Cyber-Programm
Die Zeichenfolge "cyber" taucht gleich 24 mal im Koalitionsvertrag auf. Besonders oft als "Cyber-Sicherheit", und immer in Zusammenhang mit Bedrohungsszenarien: Angestrebt wird eine "kohärente 'Cyber-Außenpolitik'", die das Außenministerium gemeinsam mit Bundeskanzleramt, Innenministerium und Verteidigungsministerium entwickeln soll, "um der wachsenden Bedeutung der 'Cyber-Thematik' in der internationalen Sicherheits- und Außenpolitik" gerecht zu werden.
Ziel ist "die Sicherheit des 'Cyber-Raums' und der Menschen im 'Cyber Space'". Das Innenministerium beabsichtigt eine "Cyber-Initiative" für intensivere Bekämpfung der "Cyberkriminalität". Dazu ist ein "Cyber Security Center" vorgesehen, und im Bereich "Cyber" (sic!) sollen bis Ende 2015 Synergien gewonnen werden.
Eine "Strategie für Cyber-Sicherheit " und ein "gesamtstaatliches Konzept" zum Schutz kritischer Infrastrukturen sind geplant. Ein neues "Bundesgesetz zur Cyber-Sicherheit" soll dazu beitragen. Auch neue Gesetze gegen die "Cyber-Kriminalität" sind geplant, zudem steht eine Evaluierung des "Cyberstrafrechts" auf dem Plan.
Im Verteidigungsressort soll ein "Cyber Defence-Zentrum" geschaffen werden. Auch hier sind Synergien bei "Cyber" vorgesehen. "Neue Risikobilder wie 'Cyber', Terrorismus, Bedrohungen der kritischen Infrastruktur oder zunehmende Katastrophen erfordern eine vertiefte Zusammenarbeit mit anderen Ressorts und zivilen Organisationen", steht geschrieben.
IP-Sperren gegen illegale Wetten und Glücksspiel
IP-Sperren finden sich diesmal nicht im Bereich des Sexualstrafrechts oder des Urheberrechts, sondern beim Thema Wetten und Glücksspiel. Mit IP-Sperren, der Blockade von Zahlungen und der "effektiven Umsetzung" von Werbeverboten "insbesondere im Online-Bereich" möchte die Regierung illegale Angebote bekämpfen.
Wettbüros sowie das gesamte automatisierte Glücksspiel seien an das Bundesrechenzentrum anzubinden, um Einsätze und Auszahlungen zu kontrollieren. Vielleicht kommt eine betreiberunabhängige Spielerkarte. Live-Wetten sollen generell verboten werden. Das verbleibende Geschäft mit Online-Glücksspiel und Online-Sportwetten internationaler Anbieter soll besteuert werden, um einen "Sportstätten-Masterplan" zu finanzieren.
Österreich als Top-Industriestandort
"Mit Zukunftsinvestitionen muss sich Österreich seine führende Position in den Top Industrie- und Dienstleistungsstandorten der Welt sichern", lautet eine Vorgabe. Konzernzentralen sollen nach Österreich gelockt, eine neue Gründerwelle unter anderem durch mehr Risikokapital ausgelöst und eine Standortstrategie gefunden werden. Vom Staat kommt das Risikokapital aber nicht, denn der unterliegt hinfort einem Spekulationsverbot.
Mehr Reklame für die "Marke Österreich", mehr Exporte, die Stärkung der
Kreativwirtschaft, eine "neue Innovations- und Investitionsoffensive" mit EU-Geld, mehr Online bei Gewerbeanmeldung und Firmenbuch, und schließlich: "Nutzung des großen Wachstumspotentials des digitalen Sektors durch Weiterentwicklung der vom Kompetenzzentrum Internetgesellschaft gemeinsam mit der Internetoffensive Österreich erarbeiteten Eckpunkte für eine zukunftsweisende IKT-Strategie".
Bürokratieabbau soll der Wirtschaft helfen. Dabei denkt die Regierung an mehr elektronische Signaturen, ein System elektronischer Krankenstandsbestätigungen, sowie den Ausbau elektronischer Register, von "E-Justice im europäischen Binnenmarkt" und "E-Government" schlechthin.
Die "Förderung der Breitbandversorgung mit den erforderlichen Datenraten "ist eine der Maßnahmen für die "Zukunft Ländlicher Raum ". Dann klappt es vielleicht auch mit der "E-Partizipation" für Jugendliche und der Förderung ihrer "verantwortungsbewussten Medienkompetenz ".
Forschung
Österreich soll "in die Spitzengruppe der innovativsten Forschungsländer Europas aufsteigen". Das erforderliche Geld soll vor allem von privater Seite und aus dem Ausland kommen. Zum Repertoire gehören ein "internationales Branding als Wissenschaftsstandort" und Attachés für Forschung, Technologie und Innovation an einzelnen Auslandsvertretungen. Forschungsinfrastruktur soll gemeinsam von Wirtschaft und Wissenschaft genutzt werden. In Aussicht gestellt werden 2.500 zusätzliche Doktorats- und Post-Doc-Stellen.
Urheberrecht
"Das volle Potential des geistigen Eigentums" auszuschöpfen soll durch eine "Gesamtstrategie unter Einbeziehung aller Stakeholder und unter Berücksichtigung der gesamten Bandbreite des geistigen Eigentums" gelingen. Dazu gehört eine "Bewusstseinsschärfung der breiten Öffentlichkeit" sowie eine "Reform des Urheberrechts und sonstiger rechtlich relevanter Bestimmungen unter besonderer Berücksichtigung des Datenschutzes, sowie der Interessen von Kunstschaffenden, KonsumentInnen und in Österreich tätigen Unternehmen" schon im kommenden Jahr.
Digitale Zukunft
Eine "'digitale Offensive" der Regierung stellt auf "flächendeckende Verfügbarkeit von Hochleistungs-Breitband-Infrastruktur (Festnetz und/oder Mobilfunktechnologie)" ab. Dazu kommen "Maßnahmen zur Schließung der 'Digitalen Kluft' (Stadt/Land und Alt/Jung)" und vielleicht eine gemeinsame Regulierungsbehörde für Telekommunikation, Energie, Schiene, Straße und Rundfunk.
Im Frauenkapitel wird der "Aufbau einer Informationsplattform 'Frauen/Mädchen in die Technik'" angekündigt, um mehr Frauen in technische Berufe zu bringen. Im Schulwesen sollen "moderne Technologien" verankert werden, "(z. B. Tablet-PCs, E-Books, 'Bildungs-Apps') Ein neuer "Bibliotheksplan" soll E-Medien berücksichtigen und Digitalisierungsaktivitäten vorantreiben [–] wie bereits vor fünf Jahren festgeschrieben. Medienförderung soll sich in Zukunft "an Vielfalt und Qualitätskriterien orientieren", wobei "Journalistenförderung von besonderer Bedeutung" ist. Die Online-Beschränkungen des ORF sollen evaluiert werden.
Datenschutz und Datensicherheit
Zum Thema "Daten- und Informationssicherheit" wird die Notwendigkeit der "Zusammenarbeit von Sicherheitsbehörden und -diensten im Interesse der Sicherheit" betont, etwa zur Bekämpfung von Extremismus und Terror. Den unmittelbar folgende Satz einzuordnen, fällt schwer: "Es gibt aber auch nachteilige (z. B. nachrichtendienstliche) Aktivitäten. "
"'Scoring' [der Kreditwürdigkeit, Anmerkung] sollte gesetzlich geregelt werden, möglichst durch Anpassung des Datenschutzgesetzes", heißt es im Abschnitt "Leistbares Leben". "Datenschutz modernisieren" beschränkt sich indes auf die Verringerung "bürokratischer Registrierungsverfahren" bei Behörden.
Das Innenministerium ist angehalten, eine "moderne Datensicherheitspolitik" und ein "sicheres, modernes, digitales Identitätsmanagement " zu gewährleisten. "Ausbau der präventiven und repressiven Mechanismen um eine effektive und effiziente Abwehr der Spionage und der Folgen von Extremismus und Terrorismus zu ermöglichen" ist eine weitere Aufgabe.
Außenpolitisch will die Regierung "diplomatische Initiativen zur weltweiten Stärkung des Grundrechts auf Datenschutz" unterstützen. Konkret angestrebt wird eine "EU-Richtlinie für 'Cyber-Sicherheit' und zum Datenschutz" sowie ein "Abkommen zwischen EU und USA, unter Berücksichtigung der Datensicherheit".
Bankgeheimnis
Das österreichische Bankgeheimnis soll nur für jene erhalten bleiben, die in Österreich unbeschränkt steuerpflichtig sind. Gewünscht wird auch Datenaustausch über Zinsen mit Drittstaaten. Ein Verwertungsverbot von Zufallserkenntnissen für Besteuerungsverfahren soll fallen. Und die wirtschaftlichen Eigentümer anonymer Anlegerkonstruktionen sollen offengelegt werden müssen.
Informationsfreiheit mit Vorbehalt
"Unter Berücksichtigung des Grundrechts auf Datenschutz" und mit speziellen Einschränkungen rund um Strafverfahren soll das Amtsgeheimnis fallen. Allerdings steht das "Grundrecht auf Zugang zu Information" unter einem "materiellen Gesetzesvorbehalt". Ein Gesetzesentwurf soll im kommenden Halbjahr in Begutachtung gehen.
Zentrale für E-Government
Zu den Aufgaben des neuen Amtes der Bundesregierung zählt ab 2016 die Bündelung der IT aller Ministerien, die Koordinierung von E-Government und IT-Strategie sowie ein einheitlicher Internetauftritt der Regierung. Die Aktenführung bei Gericht könnte durch neue Technologien, darunter auch Videoaufzeichnung, verbessert werden. Und "internetbasierte Dienste für die Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger an den demokratischen Willensbildungsprozessen" sollen die politische Teilhabe fördern. (axk)