Die 1000 Augen des Dr. Mabuse
Ist das genial oder Spinnerei? Der Künstler und Autor James Bridle hat eine Rüstung gegen Video-Überwachung entwickelt.
Ist das genial oder Spinnerei? Der Künstler und Autor James Bridle hat eine Rüstung gegen Video-Überwachung entwickelt.
Genau genommen ist es eigentlich nur ein kleines Stück Rüstung - eine Schulterklappe, wie sie mittelalterliche Schwertkämpfer vor unerwarteten Hieben schützen sollte.
Die Surveillance Spaulder wird auf der Schulter getragen und gibt ihrem Träger jedesmal einen freundschaftlichen Klaps, wenn ihre eingebauten Sensoren eine Überwachungskamera registrieren. Auch wenn die versteckt montiert ist.
Paranoia war ja schon immer ein beliebtes Thema bei den Kreativen. Ein anderer Künstler, Adam Harvey, hat Tarnkleidung im Stil arabischer Verschleierung entwickelt, die gegen Drohnen hilft, indem sie die Wärmesignatur des Trägers versteckt beziehungsweise verfälscht.
Und im Projekt CV Dazzle erkundete er, mit welchen modischen Mitteln sich Gesichtserkennungs-Algorithmen aus dem Takt bringen lassen - interessanterweise reagieren gängige Programme auf Störungen der Symmetrie. Und die Informatiker Ranran Feng und Balakrishnan Prabhakaran von der University of Texas haben herausgefunden, dass Gesichtserkennung oftmals erstmal nach einem ovalen Bereich mit näherungsweise gleichbleibendem Tonwert im Bild sucht. Sorgt man also dafür, dass der Kopf im Bild eine andere Form hat, kann das den Algorithmus ebenfalls aus dem Tritt bringen.
Aber zurück zur Anti-Kamera-Rüstung. Leider ist das ganze bisher nur eine Designstudie. Aber eine ganz ernsthafte, versichert Bridle, die sich tatsächlich bauen lässt. Die Sensoren der Surveillance Spaulder springen nämlich auf Infrarot an. Diese Methode hätte ein Hacker mit dem schönen Künstlernamen „kotzender Affe“ auf der Hacker-Konferenz Defcon präsentiert. Kein Scherz.
Schöne Idee eigentlich. Leider ist die Kreativität des Künstlers größer als sein technischer Sachverstand. Denn Puking Monkey hatte sich zum Ziel gesetzt, Nummernschild-Leser aufzuspüren, mit denen die US-Polizei flächendeckend und ganz altmodisch analoge Bewegungsprofile erstellt. Um von den aktuellen Beleuchtungsbedingungen unabhängiger zu sein, arbeiten die Kameras dieser automatischen Erfassungsgeräte im Infrarotbereich. Die Nummerschilder werden vor der Erfassung mit Infrarot-Scheinwerfern ausgeleuchtet. Und die kann man mit speziellen Filtern und Kameras aufspüren.
„Normale“ Überwachungskameras leuchten leider nicht mit Infrarot-Scheinwerfern. Ok, ok, es gibt Kameras, die das tun. Aber das sind Ausnahmen. Wenn das Gelände, das sie überwachen sollen, nicht von Scheinwerfern ausgeleuchtet ist, arbeiten manche Systeme mit Infrarot-LEDs und Filtern. Aber eigentlich gehen die Sicherheitstechniker davon aus, dass es immer besser ist, einen überwachten Bereich auszuleuchten. Weil das schon mal abschrecken würde.
Ist also leider doch nicht so einfach mit dem Schutz vor der Kamera-Überwachung. Was mich aber nun interessieren würde, ist, ob die Nummernschild-Erfassung auf den deutschen Autobahnen durch die Maut-Brücken ähnlich funktioniert. Wer weiß - wenn der neue Minister für Verkehr und digitale Infrastruktur seinen Job ernster nimmt, als wir uns das vorgestellt haben, wird die Idee von Bridle doch noch ganz hilfreich.
(wst)