Abofallen-Betreiber werden dreister

In einer massenhaft versandten Zahlungsaufforderung verdreht die Inkasso-Anwältin von Abzock-Angeboten wie sudoku.de oder vorlagen-archiv.com den Inhalt eines zitierten Urteils völlig, um die Empfänger einzuschüchtern.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 490 Kommentare lesen
Lesezeit: 3 Min.
Von
  • Holger Bleich

Derzeit versenden die Abo-Abzocker von Online Content Ltd beziehungsweise Online Service Ltd wieder massenhaft Zahlungsaufforderungen an Websurfer, die in die Falle getappt sind. Dabei geht es stets um die angebliche Nutzung von Diensten wie sudoku.de, vorlagen-archiv.com oder online-flirten.de. Die Dreistigkeit, mit der diesmal vorgegangen wird, überrascht allerdings selbst Experten.

Das "Inkasso" für die Abo-Dienste erledigt seit längerem eine Münchener Rechtsanwältin namens Katja Günther. Ihre Methode ist stets dieselbe: In den Mahnschreiben wird mit dubiosen Argumenten eine Drohkulisse aufgebaut, die die eingeschüchterten Empfänger zur Zahlung bewegen soll. So las man im Betreff des jüngsten Schreibens "Ankündigung gerichtliches Klageverfahren". Zu einer Klage in der Sache freilich kam es nach Kenntnis der Redaktion noch in keinem einzigen Fall.

Ebenfalls im aktuellen Schreiben, das an eine Vielzahl von Empfängern gegangen ist, weist Günther auf ein Amtsgerichtsurteil (PDF-Datei) aus Wiesbaden hin, das angeblich die Kostenpflicht für die Abofallen von Online Content Ltd eindeutig bestätigt. "Unter Hinweis auf die einschlägige höchstrichterliche Rechtssprechung" habe das Gericht "völlig zutreffend und rechtskräftig entschieden", erläutert Günther. Das Urteil des Gerichts legt sie zur zusätzlichen Einschüchterung stets als Kopie bei. Die Rechtsanwältin dürfte darauf spekulieren, dass wohl wenige der Empfänger in der Lage sind, den in juristischer Terminologie verfassten Text zu verstehen.

Tatsächlich geht es in dem Urteil nicht um die Kostenpflicht bei Abruf von Abo-Seiten. Es hatte lediglich ein von den Mahnungen genervter Websurfer einen Rechtsanwalt zur Abwehr der Forderungen konsultiert und nun auf dem Klageweg versucht, die entstandenen Gebühren von den Abzockern zurück zu erhalten. Bei der angeblich einschlägigen "höchstrichterlichen Rechtssprechung" handelt es sich in Wahrheit um ein Urteil des Bundesgerichtshofs aus dem Jahr 2006, in dem es ganz allgemein um die Erstattung von Anwaltskosten bei Geldforderungen geht.

Die Taktik von Günther, die Bedeutung des Urteils völlig zu verdrehen, fiel offenbar auf fruchtbaren Boden: Verängstigte Mahnungsempfänger fragten in großer Zahl beim Amtsgericht Wiesbaden an, was das denn nun alles zu bedeuten hat. Man werde "überhäuft", erklärte die Pressestelle des Gerichts spürbar genervt und sah sich deshalb genötigt, eine Mitteilung (PDF-Datei) nachzureichen. Das Urteil werde "offensichtlich mittlerweile in ganz Deutschland versendet". Man sei im Urteil aber "mit keinem Wort darauf eingegangen, ob tatsächlich wirksam ein Vertrag zustande gekommen ist".

Empfänger von Günthers Mahnungen sollten sich von den Einschüchterungsversuchen der Rechtsanwältin nicht beeindrucken lassen. Eine Rechtssprechung in Sachen Kostenpflicht bei Abo-Fallen gibt es anders als behauptet nicht, wohl aber einige Urteile niedriger Instanzen, die eine Zahlungspflicht stets klar verneinen. Wie man unberechtigten Forderungen wirksam entgegen treten kann, erläuterte c't in Ausgabe 20/07. (hob)